Suche

Papst wirbt in Kasachstan für „Seidenstraße des Dialogs“

Papst Franziskus hat in der Hauptstadt von Kasachstan, Nur-Sultan, für eine „neue Seidenstraße“ geworben. Diese solle nicht von kommerziellen Interessen bestimmt sein, sondern von Dialog. Das sagte er bei der Eröffnung einer Konferenz von Religionsführern aus etwa fünfzig Ländern.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Der Papst erwähnte nicht ausdrücklich die „neue Seidenstraße“, für die das chinesische Regime eintritt und die tatsächlich vor allem wirtschaftlichen Überlegungen geschuldet ist - doch die Anspielung war klar. Chinas Präsident Xi Jinping wird sich in diesen Tagen ebenfalls in Kasachstan aufhalten; eine Begegnung mit Franziskus ist aber nicht geplant. China und der Heilige Stuhl unterhalten keine diplomatischen Beziehungen.

Franziskus war nach Nur-Sultan gekommen, um am siebten „Kongress der Führer der weltweiten und traditionellen Religionen“ teilzunehmen. Diesen Kongress richtet das kasachische Regime regelmäßig seit 2003 aus; Vorbild ist das Weltgebetstreffen der Religionen von Assisi, zu dem der hl. Papst Johannes Paul II. 1986 erstmals eingeladen hatte. Unter den Teilnehmern in Nur-Sultan sind der griechisch-orthodoxe Patriarch Theophilos III. von Jerusalem, der islamische Großscheich Ahmed al-Tayyeb aus Kairo und Israels Oberrabbiner Yitzhak Yosef und David Lau. Auch die russisch-orthodoxe Kirche hat eine Delegation ins Nachbarland entsandt.

Eindrücke vom Kongress
Eindrücke vom Kongress

Zu Beginn ein schweigendes Gebet

Am Beginn der Konferenz im „Palast der Unabhängigkeit“ stand Schweigen: In aller Stille beteten die Anwesenden – darunter Mullahs, buddhistische Mönche in Safrangewändern, der Papst im Rollstuhl – um Frieden und Eintracht. Ein gemeinsames Beten der Religionen ist aus katholischer Sicht nicht möglich, weil sich die Gottesbilder der jeweiligen Gläubigen zu sehr voneinander unterscheiden.

Außer dem Papst ergriffen auch der kasachische Präsident sowie mehrere Religionsführer das Wort, darunter der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Antonij. In seiner Ansprache redete Franziskus die Anwesenden, unter ihnen Kasachstans Staatspräsidenten, als „Brüder und Schwestern“ an – „im Namen der Geschwisterlichkeit“.

„Im Namen der Geschwisterlichkeit“

„Liebe Oberhäupter und Vertreter der Weltreligionen und der traditionellen Religionen, wir befinden uns in einem Land, das im Laufe der Jahrhunderte von großen Karawanen durchquert wurde: So viele Geschichten, Ideen, Glaubensrichtungen und Hoffnungen haben sich an diesen Orten miteinander verwoben. Möge Kasachstan wieder ein Land der Begegnung zwischen denen werden, die weit entfernt voneinander sind. Möge es eine neue Seidenstraße eröffnen, bei der es nicht um den Wert des Handels, sondern um die menschlichen Beziehungen geht: um den Respekt, um die Ehrlichkeit des Dialogs, um den unabdingbaren Wert eines jeden, um die Zusammenarbeit…“

Eindrücke vom Kongress
Eindrücke vom Kongress

Menschen lebten nicht so sehr, um irdische Interessen zu befriedigen und Beziehungen wirtschaftlicher Art zu knüpfen, „sondern um gemeinsam unterwegs zu sein, als Wanderer mit einem zum Himmel gerichtetem Blick“, so Franziskus mit einem Bild, das er schon letztes Jahr bei seinem Besuch in der Abraham-Stadt Ur im Irak bemüht hat.

„Die Welt erwartet von uns echte Religiosität“

„Wir müssen den letzten Fragen einen Sinn geben, eine Spiritualität pflegen… Die Welt erwartet von uns das Beispiel aufrechter Seelen und klaren Verstandes, sie erwartet echte Religiosität. Die Stunde ist gekommen, um aus jenem Fundamentalismus zu erwachen, der jedes Bekenntnis beschmutzt und zersetzt, die Stunde, um das Herz rein und barmherzig zu machen.“ Religion sei dazu da, „auf den Durst der Welt nach Frieden zu antworten und auf den Durst nach dem Unendlichen, der im Herzen eines jeden Menschen wohnt“.

Der Papst brach eine Lanze für die Religionsfreiheit, verurteilte Proselytismus und Indoktrination und warnte vor „Allmachtsphantasien, die durch technische und wirtschaftliche Fortschritte hervorgerufen werden“, sowie den „Fallstricken von Profit und Gewinn“. Gewalt dürfe nie mit religiösen Motiven begründet werden. Tenor seiner Rede in der früheren Sowjetrepublik: Gläubige aller Länder, vereinigt euch! Die Aufgabe bestehe darin, „sich um die eine Menschheit zu kümmern, der alle angehören, und zu Handwerkern der Einheit zu werden, zu Zeugen einer Zusammenarbeit, die die Grenzen der eigenen Gemeinschaft, der eigenen ethnischen, nationalen und religiösen Zugehörigkeit überschreitet“.

„Es braucht einen Ruck, und dieser Ruck, Brüder und Schwestern, muss von uns kommen“

Die Welt stehe derzeit vor zahlreichen Herausforderungen: Krieg, Pandemie, Klimawandel, Armut, Ungerechtigkeit. „Es braucht einen Ruck, und dieser Ruck, Brüder und Schwestern, muss von uns kommen. Wenn der Schöpfer, dem wir uns geweiht haben, das menschliche Leben hervorgebracht hat, wie können wir, die wir uns als gläubig bezeichnen, seiner Zerstörung zustimmen?“

 „Gott ist Frieden und führt immer zum Frieden, niemals zum Krieg“

Beim Anflug auf Nur-Sultan hatte das Papst-Flugzeug den ukrainischen und russischen Luftraum umflogen – doch was Franziskus am Mittwochmorgen sagte, zielte deutlich auf den Konflikt in der Nachbarschaft: „Gott ist Frieden und führt immer zum Frieden, niemals zum Krieg.“ Zum Schluss dann eine Art Gebet: „Möge der Allerhöchste uns von den Schatten des Misstrauens und der Falschheit befreien; möge er uns gewähren, sonnige und geschwisterliche Freundschaften zu pflegen, durch häufigen Dialog und klare Aufrichtigkeit der Absichten. Suchen wir nicht nach falschen, versöhnlichen Synkretismen, sondern bewahren wir unsere Identitäten in Offenheit für den Mut zum Anderssein und für die geschwisterliche Begegnung. Nur so können wir in den dunklen Zeiten, in denen wir leben, das Licht unseres Schöpfers ausstrahlen.“

Papst Franziskus und Metropolit Antonij
Papst Franziskus und Metropolit Antonij

Persönlicher Austausch

Am Ende der Ansprachen traf Papst Franziskus sich auch noch einzeln mit verschiedenen Religionsführern zu einem persönlichen Austausch. Darunter war auch sein guter Bekannter Ahmed al-Tayyeb, der Großimam von al-Azhar, mit dem der Papst das Dokument über die Geschwisterlichkeit aller Menschen unterzeichnet hatte. Darüber hinaus traf er unter anderem den Großmufti von Kasachstan, Nauryzbay Kazhy Taganuly, Oberhaupt der muslimischen Verwaltung in dem Land; David Baruch Lau, Aschkenasischer Oberrabiner von Israel, und Yitzhak Yosef, Sephardischer Oberrabiner von Israel; Erzbischof Urmas Viilma, Anführer der Delegation und Vizepräsident des Lutherischen Weltbundes (FLM), Oberhaupt der lutheranischen Kirche in Estland; auch ein Gespräch mit dem Außenamtschef des Moskauer Patriarchat, Metropolit Antonij, stand auf dem Plan. 

(vatican news - sk)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

14. September 2022, 07:36