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Kardinal Parolin bei dem Interview vor der Kanadareise Kardinal Parolin bei dem Interview vor der Kanadareise 

Parolin: „Papst in Kanada, um indigene Völker zu umarmen“

Im Mittelpunkt der Papstreise nach Kanada, die im Zeichen von Versöhnung, Hoffnung und Geschwisterlichkeit steht, wird die „Umarmung mit den einheimischen Völkern und mit der örtlichen Kirche“ stehen. Das betont der Chefdiplomat des Heiligen Stuhls, Kardinal Pietro Parolin, am Tag vor dem Abflug im Gespräch mit den Vatikanmedien.

Massimiliano Menichetti und Christine Seuss - Vatikanstadt

An diesem Sonntagmorgen geht es los, um 9 Uhr wird der ITA-Flieger den Papst, seine Begleiter und die mitreisenden Journalisten nach Edmonton bringen. Auf kanadischem Boden erwarten den Papst intensive Begegnungen mit Menschen, die zum Teil schwer unter der kolonialen Mentalität gelitten haben, die die Geschichte des Landes prägt. Indigene Völker wurden durch eine Politik und Praxis der kulturellen Assimilierung unterdrückt und ihrer Tradition beraubt, Eltern von ihren Kindern getrennt und die Wunden der Misshandlungen und Missbräuche klaffen immer noch. Auch die katholische Kirche war insbesondere in den Residential Schools, in denen Kinder von Indigenen zwangsweise untergebracht waren, aktiv an den Grausamkeiten beteiligt. Eine Gemengelage, die dem Papst deutlich bewusst ist. Es handelt sich also um eine Reise, die der Heilung und Versöhnung dienen soll, betont im Gespräch mit den Vatikanmedien Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin:

„Es handelt sich sicherlich um eine sehr ersehnte Reise, in deren Mittelpunkt die Umarmung mit den indigenen Völkern und der lokalen Kirche stehen wird. Wie der Heilige Vater am vergangenen Sonntag in Erinnerung rief, indem er sagte: ,Ich werde vor allem im Namen Jesu zu euch kommen, um den indigenen Völkern zu begegnen und sie zu umarmen.‘“

Zum Nachhören - was Kardinal Parolin sagte

Scham und Empörung über Missbräuche

Der Papst habe bei mehreren Gelegenheiten große Sorge um die indigenen Völker gezeigt, erinnert Parolin mit Blick auf Begegnungen während seiner Reisen, zahlreiche Treffen im Vatikan, aber auch das Apostolische Schreiben Querida Amazonia. Im Falle der kanadischen Ureinwohner handele es sich um eine „Pilgerreise der Buße“, hatte das Kirchenoberhaupt am Sonntag beim Mittagsgebet erklärt. Zwischen Ende März und Anfang April hatte er sich mit einigen Delegationen kanadischer Ureinwohner im Vatikan getroffen und dabei seine Bitte um Vergebung für die Vergehen von Kirchenangehörigen formuliert.

„Wie wir uns alle an das Treffen vom 1. April erinnern, drückte der Papst seine Scham und Empörung über die Handlungen nicht weniger Christen aus, die, anstatt das Evangelium zu bezeugen, sich der kolonialen Mentalität und der früheren Regierungspolitik der kulturellen Assimilierung angepasst haben, was den indigenen Gemeinschaften schwer geschadet hat“, betont Kardinal Parolin. Insbesondere die Rolle von Kirchenangehörigen in dem staatlichen System der Residential Schools, mit dem viele indigene Kinder von ihren Familien getrennt wurden, sei „schmerzlich“:

„Dieser historische Kontext prägt die bereits erwähnte Bußdimension dieser Reise, bei der die Themen Heilung der Wunden und Versöhnung sicherlich im Vordergrund stehen werden. Aber nicht nur das, denn die Begegnungen werden nach den herzlichen Begegnungen in Rom auch im Zeichen der Geschwisterlichkeit und der Hoffnung stehen.“

Geschwisterlichkeit und Hoffnung

Nach den ersten Treffen im Vatikan biete sich nun bei der Reise in Kanada die „Gelegenheit zu einem umfassenderen Austausch“, betont Kardinal Parolin. Dabei werde auch über die Rolle nachgedacht, die indigene Völker auch heute noch spielen: „In der Tat kann es für alle von Nutzen sein, viele ihrer Werte und Lehren wiederzuentdecken. Ich denke da zum Beispiel an die Sorge um die Familie und die Gemeinschaft, die Sorge um die Schöpfung, die Bedeutung, die der Spiritualität beigemessen wird, die starke Bindung zwischen den Generationen, die Achtung vor den älteren Menschen... In diesem Zusammenhang ist es dem Papst ein besonderes Anliegen, das Fest der Heiligen Joachim und Anna, der Großeltern Jesu, gerade im Rahmen dieser Reise zu feiern.“

Am Dienstagnachmittag (in Europa wird es dann schon nachts sein) wird Papst Franziskus an der traditionellen Wallfahrt an dem See teilnehmen, der nach der heiligen Anna benannt ist. Die heilige Anna, Großmutter Jesu, wird von den Indigenen auch aufgrund der den Völkern innewohnenden Achtung für die Ältesten besonders verehrt; jedes Jahr nimmt eine große Anzahl von ihnen an der Wallfahrt teil.

„Auf jeder seiner apostolischen Reisen und ganz allgemein in seinem Amt bestätigt der Heilige Vater nicht nur die christliche Gemeinschaft, sondern er möchte auch selbst ein Bruder im Glauben sein, der mit dem Volk Gottes zusammen ist, indem er sich an den Orten, die er besucht, und in den religiösen Traditionen, denen er begegnet, als Pilger erweist“, erläutert Kardinal Parolin.

Der Papst kommt als Pilger

„Daher wollte er unbedingt einen liturgischen Moment am Lac St.e Anne erleben, den die Einheimischen den ,See Gottes‘ nennen. Dort findet seit über hundert Jahren eine Wallfahrt zu Ehren der Heiligen Anna, der Großmutter Jesu, statt, und viele Kranke und körperlich oder geistig Verwundete baden in diesen Gewässern. An diesem besonderen Ort und in einer sehr eindrucksvollen natürlichen Umgebung wird es schön sein, im Hinblick auf die Evangelisierung zu den Quellen des Glaubens zurückzukehren, an Jesus zu denken, der den Durst löscht und heilt, indem er das Wasser des Geistes in die Herzen gießt, das Wasser, das zum ewigen Leben sprudelt. Gleichzeitig wird der Papst, wie auch in den anderen Etappen anderer Besuche, nicht versäumen, an die Dringlichkeit der Evangelisierung in einem stark säkularisierten Kontext zu erinnern, indem er genau an die Herausforderungen appelliert, die der Säkularismus an unsere pastoralen Prioritäten, an unsere Sprachen und ganz allgemein an unsere Art, Kirche zu sein und den Glauben zu bezeugen, stellt.“

Doch während seiner sechs Tage dauernden Reise werde der Papst auch in weiter entfernte Orte reisen, um „die indigenen Gemeinschaften dort zu besuchen, wo sie leben“, unterstreicht der Chefdiplomat des Vatikans. „Es ist unmöglich, allen Einladungen zu folgen und alle Orte zu besuchen, aber der Heilige Vater ist sicherlich von dem Wunsch bewegt, eine konkrete Nähe zu zeigen. Auch hier würde ich sagen, dass Nähe das Schlüsselwort ist: Der Papst will nicht nur Worte machen, sondern vor allem nahe sein, seine Nähe konkret zeigen. Deshalb macht er sich auf den Weg, um mit seinen eigenen Händen das Leid dieser Menschen zu berühren, um mit ihnen zu beten und um sich selbst zum Pilger unter ihnen zu machen.“

„Der Papst will nicht nur Worte machen, sondern vor allem nahe sein, seine Nähe konkret zeigen.“

Das Motto, das für den Papstbesuch in Kanada gewählt wurde, heißt „Gemeinsam gehen“. Doch das Motto weise nicht nur auf den Weg hin, der mit den indigenen Gemeinschaften Kanadas eingeschlagen wurde, sondern erinnere auch an das Wort „Synode“, gibt Kardinalstaatssekretär Parolin zu bedenken.

„Wie der Papst oft betont hat, ist die Synode kein gelegentliches Ereignis, sondern ein kirchlicher Stil, den wir alle im Geiste des Evangeliums und der ersten christlichen Gemeinschaften übernehmen sollen, ein Stil, der im gegenseitigen Zuhören, im Dialog, in der gemeinsamen pastoralen Unterscheidung und in der Geschwisterlichkeit konkrete Gestalt annimmt. Ich gehe davon aus, dass der Heilige Vater es nicht versäumen wird, genau in diesem Geist erneut das prophetische Wort des Evangeliums zu verkünden, das uns einlädt, Geschwisterlichkeit zu weben, Frieden zu schaffen und Spaltungen zu überwinden, die oft nicht nur die Frucht des persönlichen Egoismus, sondern auch verzerrter Mentalitäten und Visionen sind.“

In diesem Sinne hoffe der Papst, den von der Kirche und der kanadischen Gesellschaft bereits eingeschlagenen Weg der Versöhnung und der Heilung entscheidend fördern zu können, skizziert Parolin die Erwartungen des Kirchenoberhauptes an die Reise: „Ein Weg, der, ausgehend von einer ,Reinigung des Gedächtnisses‘, den Wunsch nach einem geschwisterlichen Weg wiederbelebt, an dem alle - Kirche und Zivilgesellschaft - gleichermaßen beteiligt sind. Wie in vielen anderen Bereichen ist dieser ,gemeinsame Weg‘ heute wichtiger denn je: Nur so ist es möglich, eine Zukunft der Hoffnung aufzubauen und zu eröffnen.“

(vatican news - cs)

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23. Juli 2022, 15:03