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Papst Franziskus bei der Generalaudienz Papst Franziskus bei der Generalaudienz 

Papst: „Vom Lehramt des Alters lernen“

Papst Franziskus hat zu mehr Fürsorge für ältere Menschen aufgerufen und daran erinnert, dass alle Lebensalter die Gesellschaft ausmachen und bereichern. Bei seiner Generalaudienz am Mittwoch hielt er dabei der Wegwerfgesellschaft den Spiegel vor.

Anne Preckel – Vatikanstadt

Warum bereiten uns Krankheit und Alter Unbehagen? Warum werden Menschen, nur weil sie alt sind, weggesperrt und abgewertet? Solche Fragen hat Papst Franziskus bei einer weiteren Ausgabe seiner Katechesenreihe über das Alter an diesem Mittwoch gestellt.

Franziskus ging dabei vom Psalm 71 aus, in dem sich ein alter Mann mit seinem Unbehagen über die Leiden des Alters Gott zuwendet. Papst Franziskus ging in seiner Katechese auf mehrere dieser Leiden ein, körperliche Schwäche und Gebrechlichkeit ebenso wie das Leiden älterer Menschen unter Vernachlässigung und Diskriminierung.

Vernachlässigung, Abwertung und Diskriminierung

„Es mangelt in der Tat nicht an Menschen, die das hohe Alter anderer Menschen ausnutzen, um diese zu betrügen und sie auf vielfältige Weise einzuschüchtern. Oft lesen oder hören wir in den Nachrichten von Senioren, die skrupellos betrogen werden, um an ihre Ersparnisse zu kommen. Die schutzlos und ohne Betreuung zurückgelassen werden. Die durch Formen der Verachtung beleidigt und eingeschüchtert werden, damit sie die eigenen Rechte aufgeben.“

Solche „Grausamkeiten“ kämen auch in Familien vor, so Franziskus: „Die an den Rand gedrängten Alten, die aussortiert und wegsortiert werden in Pflegeeinrichtungen – und die Kinder gehen niemals hin, nur ein paar Mal im Jahr. Alte Leute, die in die Ecke der Existenz gedrängt werden, und das passiert heute, in den Familie und immer. Darüber sollten wir nachdenken!“

Und all diejenigen, die die Schwäche von Krankheit und Alter ausnutzen, sollten sich „schämen“, so der Papst. Am Umgang mit alten Menschen zeige sich heute ein gesellschaftliches Problem, weitete er dann den Blick – ihre Vernachlässigung und ihre Abwertung seien ein Symptom „jener Wegwerfkultur, die unsere Welt vergiftet“ und „eine Form der Feigheit, auf die wir uns in dieser Gesellschaft spezialisiert haben“.

Kritik an der Wegwerfkultur

„Wie kommt es, dass sich die moderne Zivilisation, die so fortschrittlich und effizient ist, so wenig mit Krankheit und Alter anfreunden kann?“

Ältere Menschen verlören ihrer Selbständigkeit, Sicherheit, ja sogar ihrer Wohnung. Das Alter werde so negativ bewertet, dass Menschen sich für ihre eigene Verletzlichkeit, Krankheit und ihre hohe Zahl an Jahren schämten und diese verheimlichten, „weil wir fürchten, dass diese eine Vorstufe zum Verlust unserer Würde sind“, formulierte der Papst.

Es werde ja sogar angezweifelt, dass alte Menschen „ein Weiterleben“ verdienten, kritisierte Franziskus weiter - offenbar mit einem Seitenhieb gegen Bestrebungen, assistierten Suizid und Euthanasie immer salonfähiger zu machen, wie es in verschiedenen europäischen Ländern bereits zu beobachten ist.

„Wie kommt es, dass sich die moderne Zivilisation, die so fortschrittlich und effizient ist, so wenig mit Krankheit und Alter anfreunden kann?“, fragte der Papst. „Und wie kann es sein, dass die Politik, die sich so sehr dafür einsetzt, die Grenzen eines menschenwürdigen Überlebens zu definieren, gleichzeitig unempfänglich ist für die Würde eines liebevollen Zusammenlebens mit alten und kranken Menschen?“, fuhr er fort.

Für ein Lehramt des Alters

„Es ist ein Geschenk, alt zu sein, verstanden als Hingabe an die Fürsorge der anderen, angefangen bei Gott selbst.“

Franziskus warb dann für einen fürsorglichen Umgang mit alten Menschen als Teil der Gesellschaft und zugleich auch für einen Sinneswandel bei jedem Einzelnen.

Wie der alte Mann in Psalm 71, der im Gebet die Treue und den Segen Gottes neu erkennt, sollten alte Menschen keine Angst haben, sich helfen zu lassen. Alte Menschen könnten für die Gesellschaft Lehrmeister sein, fuhr der Papst fort, der hier von einem „Lehramt der Zerbrechlichkeit“ sprach. Sie ließen uns verstehen, „dass wir uns alle dem Herrn hingeben und seine Hilfe in Anspruch nehmen müssen. In diesem Sinne müssen wir alle vom Alter lernen: Ja, es ist ein Geschenk, alt zu sein, verstanden als Hingabe an die Fürsorge der anderen, angefangen bei Gott selbst.“

„Die Alten in meiner Familie, Großeltern, Tanten, Onkel, auch Freunde – habe ich sie ausgegrenzt, ,gecancelt‘ aus meinem Leben?“

Der Papst rief seine Zuhörer zur Gewissenserforschung auf – jeder solle sich fragen, wie er mit alten Menschen in der eigenen Familie und im eigenen sozialen Umfeld umgehe: „Die Älteren in meiner Familie, Großeltern, Tanten, Onkel, auch Freunde... Streiche ich sie aus meinem Leben? Oder wende ich mich an sie, um Weisheit zu erlangen? Auch du wirst irgendwann einmal alt sein, das Alter kommt für jeden… Wie willst du behandelt werden, wenn du alt bist?“

Das „Lehramt des Alters“ könne zum Ausgangsunkt für einen gesellschaftlichen Wandel werden, kam Franziskus zum Schluss. Denn eine Abwertung und Ausgrenzung des Alters verderbe letztlich alle Lebensalter, die in der Gesellschaft existierten – Junge wie Alte.

 

(vatican news)
 

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01. Juni 2022, 09:45