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Archivbild: Heilige Messe zum Abschluss der Bischofssynode Archivbild: Heilige Messe zum Abschluss der Bischofssynode 

„Motu proprio“: Die Kirche wird ein bisschen dezentraler

Als was für ein Papst wird Franziskus einmal in die Kirchengeschichte eingehen? Es mag einige überraschen, was jetzt kommt: Als Gesetzgeber. Franziskus ist ausgesprochen aktiv, was Änderungen am Kirchenrecht betrifft.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Ausgerechnet der Papst, der vor allem als Seelsorger auftritt („Pater Jorge, Seelsorger“ solle auf seinem Grabstein stehen, hat er mal vor seiner Papstwahl gesagt), schraubt immer wieder am Kodex des westlichen wie des östlichen Kirchenrechts herum. Die Tendenz ist eindeutig: Mehr Verantwortung für die Ortskirchen, aber auch stärkere Rechenschaftspflicht für Bischöfe.

An diesem Dienstag wurde ein neues päpstliches Dekret veröffentlicht, das den römischen Zentralismus ein bisschen mehr zugunsten der Ortskirchen abbaut. Das Dekret hat, wie üblich, die Form eines „Motu proprio“; dieses lateinische Wort bedeutet „aus eigenem Antrieb“. Ein „Motu proprio“ ist die gängige Art und Weise, mit der ein Bischof von Rom in den beiden Sammlungen (Codices) des Kirchenrechts Änderungen vornimmt.

Die Peterskuppel
Die Peterskuppel

„Die geteilte, plurale Universalität der Kirche“

Diese Änderungen sind nun ziemlich unterschiedlich voneinander; gemeinsam ist ihnen aber, wie die kurze Einleitung sagt, das Ziel einer „gesunden Dezentralisierung“, die allerdings „nicht die hierarchische Dimension (der Kirche) anrühren“ soll. Es geht Franziskus ausdrücklich um die „geteilte, plurale Universalität der Kirche“ und „eine raschere Effizienz des Handelns der Autoritäten vor Ort“, die ja schließlich näher dran seien „an den Personen und den spezifischen Situationen“.

Nicht mehr approbieren - nur noch bestätigen

Die konkreten Änderungen lesen sich nicht unbedingt spektakulär. Bei der Gründung eines Priesterseminars für mehrere Bistümer zugleich wie bei den nationalen Richtlinien („ratio“) für die Priesterausbildung braucht es künftig keine „Approbation“ vom Vatikan mehr, sondern lediglich eine „Bestätigung“. Damit wird einmal mehr die Kompetenz von Ortsbischöfen gestärkt.

Auch den Katechismus, der auf Initiative einer Bischofskonferenz entsteht, muss der Vatikan nur noch „bestätigen“ und nicht mehr „approbieren“. Da mag man an den Konflikt um den Holländischen Katechismus denken, der 1966 von Kardinal Bernard Alfrink von Utrecht die kirchliche Druckerlaubnis erhielt. Eine Kardinalskommission untersuchte das Werk, auf Initiative von Paul VI. hin, und beanstandete 1968 zahlreiche Formulierungen. Der Konflikt markierte für viele Beobachter in gewisser Hinsicht den Beginn einer nachkonziliaren Krise der Kirche. 

Das „Motu proprio“ trifft noch weitere Einzelregelungen. Eine zielt auf die Zugehörigkeit von Klerikern (Inkardination); die geänderte Regelung soll verhindern, dass es (im Mittelalter war das ein verbreitetes Phänomen) vazierende Kleriker gibt, die sich keinem Bistum, keinem Orden oder ähnlichem zuordnen lassen. Außerdem kann künftig - das ist eine weitere Regelung - eine gottgeweihte Person aus schwerwiegenden Gründen nicht nur drei, sondern fünf Jahre außerhalb des eigenen Ordens oder Säkularinstituts verbringen, und dergleichen Regelungen mehr. Erst am Montag hatte der Vatikan ein „Motu proprio“ veröffentlicht, in dem Franziskus Änderungen an der internen Struktur der Glaubenskongregation vorgenommen hat.

Das interdiözesane Priesterseminar von Scutari in Albanien
Das interdiözesane Priesterseminar von Scutari in Albanien

Seit dem 1. Januar schon sechs neue Rechtsdekrete

Die einzelnen Rechtsdekrete des Papstes werden regelmäßig auf der vatikanischen Homepage unter der Rubrik „Apostolische Schreiben“ publiziert. Allein seit Jahresbeginn finden sich dort bereits sechs „Motu proprio“, das neueste mit eingerechnet. Besonders wichtig sind, angesichts der Missbrauchsskandale in vielen Teilen der Weltkirche, die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen, die Franziskus in diesem Bereich durchgeführt hat, namentlich nach einem Anti-Missbrauchs-Gipfel im Vatikan vom Februar 2019. 

Nach der Reform ist vor der Reform

Weiter auf sich warten lässt hingegen eine neue Verfassung des Vatikanstaats, im Vatikansprech „Apostolische Konstitution“ genannt. Franziskus hat sie seit seinem Amtsantritt 2013 zusammen mit seinem Kardinalsrat erstellt, doch der Text ist noch in der Abstimmungsphase.

Er wird, wenn er einmal fertig ist, das Herzstück von Franziskus‘ Reformprogramm bilden. Schon jetzt ist klar, dass er die pastorale Ausrichtung des Heiligen Stuhls und seinen Dienstcharakter gegenüber den Ortskirchen hervorstreichen wird. Franziskus arbeitet an der Reform der Kirche - dazu gehören auch zahlreiche, oft unscheinbare Modifikationen in den kirchlichen Gesetzbüchern.

(vatican news)

Franziskus berät mit seinem Kardinalsrat - eine Aufnahme von 2019, also vor der Pandemie
Franziskus berät mit seinem Kardinalsrat - eine Aufnahme von 2019, also vor der Pandemie

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15. Februar 2022, 12:04