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Franziskus bei der Messfeier in Nikosia Franziskus bei der Messfeier in Nikosia

Papstmesse auf Zypern: Als „wir“ denken, sprechen und handeln

Papst Franziskus hat am zweiten Tag seiner Zypernreise zu Geschwisterlichkeit und Solidariät aufgerufen - auch mit Blick auf den Umgang mit Migranten. Bei der Messe im größten Stadion Zyperns rief der Papst am Freitagmorgen zudem dazu auf, die Adventszeit zur Begegnung mit Gott zu nutzen.

Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Vom Tagesevangelium (Mt 9,27) , das berichtet wie zwei Blinde geheilt werden, schlug Papst Franziskus in seiner Predigt den Bogen zu den „blinden Flecken" in den Herzen der Menschen. Um die Herzen davon zu heilen empfahl das Kirchenoberhaupt drei Schritte: 1. Zu Jesus gehen und um Heilung bitten, also Jesus die eigene Not und Bitterkeit anvertrauen, 2. die Wunden und Nöte gemeinsam tragen und 3. das Evangelium mit Freude verkünden. Besonders betonte der Papst in seiner Predigt dabei Punkt 2: Wunden und Nöte gemeinsam tragen:

„Sie denken nicht nur an ihre eigene Blindheit, sondern bitten gemeinsam um Hilfe. Das ist Ausdruck des christlichen Lebens, das ist das charakteristische Merkmal einer kirchlichen Gesinnung: als ,wir' zu denken, zu sprechen und zu handeln und dabei den Individualismus und die Anmaßung der Selbstgenügsamkeit hinter sich zu lassen, die das Herz krank machen."

Zum Nachhören: Was Papst Franziskus im Stadion von Nikosia bei der Messe auf Zypern gesagt hat

Die beiden anynomen Blinden aus der Bibel stehen stellvertretend für uns alle und können uns viel lehren, erklärte der Papst vor den schätzungsweise rund 7.000 Teilnehmern der Messe im Freiluftstadion von Nikosia. Eigentlich bietet das größte Stadion Zyperns Platz für mehr als 20.000 Menschen; Katholiken sind auf der Insel jedoch in der Minderheit.

„Das ist Ausdruck des christlichen Lebens, das ist das charakteristische Merkmal einer kirchlichen Gesinnung: als „wir“ zu denken, zu sprechen und zu handeln und dabei den Individualismus und die Anmaßung der Selbstgenügsamkeit hinter sich zu lassen, die das Herz krank machen“

Dass das BSP Stadion nicht ganz voll war, dürfte auch den Corona-Schutzmaßnahmen geschuldet gewesen sein. Auch der Friedensgruß wurde aufgrund der Pandemie nicht per Händedruck ausgetauscht. Ob Franziskus bei seiner Predigt wohl auch an die Pandemie dachte, oder ob er sich auf die Teilung Zyperns bezog, als er zu Gemeinschaft und Geschwisterlichkeit mahnte? Konkret sagte er das nicht, seinen Aufruf hielt er allgemein.

Hier das Video zur Papstmesse

Die Gnade der Gemeinschaft

„Liebe Brüder und Schwestern, angesichts aller persönlichen Dunkelheiten und der Herausforderungen, denen wir in Kirche und Gesellschaft gegenüberstehen, sind wir gerufen, die Geschwisterlichkeit zu erneuern. Wenn wir unter uns gespalten bleiben, wenn jeder nur an sich selbst oder an die Seinen denkt, wenn wir uns nicht zusammentun, nicht miteinander reden, nicht gemeinsam gehen, können wir von unserer Blindheit nicht vollständig geheilt werden. Die Heilung kommt, wenn wir unsere Wunden gemeinsam tragen, wenn wir uns unseren Problemen gemeinsam stellen, wenn wir einander zuhören und miteinander reden. Es ist eine Gnade, in Gemeinschaft zu leben, den Wert der Gemeinschaft zu verstehen."

„Die Heilung kommt, wenn wir unsere Wunden gemeinsam tragen, wenn wir uns unseren Problemen gemeinsam stellen, wenn wir einander zuhören und miteinander reden“

Papst Franziskus rief zudem alle Gläubigen auf, die Frohe Botschaft des Evangeliums allen zu verkünden. Wie bei früheren Gelegenheiten schon, unterstrich er auch diesmal, dass es dabei jedoch nicht um Proselytismus, also eine „Abwerbung“ gehen dürfe. 

„Es geht nicht um Proselytenmacherei, sondern um Zeugnis; nicht um Moralismus, der verurteilt, sondern um Barmherzigkeit, die umarmt; nicht um äußeren Kult, sondern um gelebte Liebe. Ich ermutige euch, auf diesem Weg weiterzugehen: Wie die beiden Blinden im Evangelium wollen wir unsere Begegnung mit Jesus erneuern und furchtlos aus uns herausgehen, um allen, denen wir begegnen, von ihm Zeugnis zu geben!"

Abschlussdank mit erneutem Hinweis auf Lage von Migranten

Zum Ende der Messe sprach Papst Franziskus, der am Samstag nach Griechenland weiterreist, noch einige kurze Dankesworte. Dabei erinnerte er auch erneut an die besondere Lage von Migranten: 

„Hier auf Zypern atme ich ein wenig von der Atmosphäre, die für das Heilige Land typisch ist, wo die Ursprünglichkeit und Vielfalt der christlichen Traditionen den Pilger bereichern. Das tut mir gut, und es tut gut, Gemeinschaften von Gläubigen zu treffen, die die Gegenwart mit Hoffnung leben, offen für die Zukunft sind und diese Haltung den Bedürftigsten zukommen lassen. Ich denke dabei insbesondere an die Migranten auf der Suche nach einem besseren Leben, mit denen ich mein letztes Treffen auf dieser Insel verbringen werde, und an die Brüder und Schwestern verschiedener christlicher Konfessionen."

„Es tut gut, Gemeinschaften von Gläubigen zu treffen, die die Gegenwart mit Hoffnung leben, offen für die Zukunft sind und diese Haltung den Bedürftigsten zukommen lassen. Ich denke dabei insbesondere an die Migranten auf der Suche nach einem besseren Leben, mit denen ich mein letztes Treffen auf dieser Insel verbringen werde, und an die Brüder und Schwestern verschiedener christlicher Konfessionen“

Auf die besondere Rolle Zyperns als Verbindung zwischen Europa und dem Nahen Osten hatte zuvor bereits der Lateinische Patriarch von Jerusalem, der Franziskaner Pierbattista Pizzaballa hingewiesen und dabei auch die „Wunden" erwähnt, die es aufgrund politischer, militärischer und auch religiöser Spaltungen gebe. 

Treffen mit Oberrabbiner und Gruß von Häftlingen

Nach der Messe begab sich Papst Franziskus zurück in die Nuntiatur, wo er auf Zypern unterkommt. Dort traf er laut Vatikanangaben kurz mit dem Oberrabbiner von Zypern, Arie Zeev Raskin, zusammen, dem er Grüße an die zypriotische jüdische Gemeinde übermittelte. Zudem empfing Franziskus nach der Messe einen Gruß und ein Geschenk von Insassen eines zyprischen Gefängnisses, unter denen sich auch Migranten befinden, die wegen fehlender Papiere inhaftiert worden waren. Der Direktor der Einrichtung überbrachte dem Papst diesen Gruß.

(vatican news - sst) 

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03. Dezember 2021, 10:22