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Der Papst bei der fliegenden Pressekonferenz Der Papst bei der fliegenden Pressekonferenz 

Fliegende Pressekonferenz: Die vollständige Mitschrift

Auf seinem Rückflug aus der Slowakei sprach Franziskus vor Journalisten über den Dialog mit den ungarischen Autoritäten, Antisemitismus und Impfstoffe sowie über die Eucharistie für Politiker, die Abtreibungsgesetze befürworten. Wir dokumentieren an dieser Stelle die Mitschrift des Pressegesprächs in einer Arbeitsübersetzung.

VATICAN NEWS

„Abtreibung ist Mord“, in dieser Hinsicht ändert die Kirche ihren Standpunkt nicht, aber „Jedes Mal, wenn Bischöfe ein Problem nicht pastoral angegangen sind, haben sie sich politisch auf eine Seite geschlagen“. Das sagte Papst Franziskus vor Journalisten auf dem Flug von Bratislava nach Rom, zum Abschluss seiner Reise nach Budapest und in die Slowakei.

István Károly Kuzmányi (Magyar Kurir):

Heiliger Vater, wir danken Ihnen für Ihren Besuch in Budapest, bei dem Sie Kardinal Mindszenty zitierten, der sagte: „Wenn eine Million Ungarn beten, habe ich keine Angst vor der Zukunft...“. Warum haben Sie sich entschlossen, nach 21 Jahren am Eucharistischen Kongress in Budapest teilzunehmen und wie sehen Sie das Christentum in Europa?

Papst Franziskus: „Manche Leute haben Schlechtes über meinen Besuch in Budapest gedacht; er war so geplant, aber ich habe Eurem Präsidenten versprochen, dass ich schauen werde, ob ich nächstes oder übernächstes Jahr kommen kann. Es gibt so viele Werte bei den Ungarn, ich war beeindruckt von dem sehr, sehr tiefen Sinn für Ökumene. Generell muss Europa - ich sage es immer wieder - die Träume seiner Gründerväter wieder aufgreifen. Die Europäische Union ist keine Versammlung, bei der Dinge erledigt werden, sondern hinter der EU steht ein Geist, von dem zu einem reinen Verwaltungsbüro wird, und das geht nicht, es muss direkt an die Mystik gehen, die Wurzeln Europas suchen und sie weiterführen. Und alle Länder müssen vorankommen. Es stimmt, dass einige Interessen, vielleicht nicht unbedingt europäische, versuchen, die Europäische Union für eine ideologische Kolonisierung zu nutzen, und das ist nicht gut. Ich war letztes Jahr in Transsilvanien, die Messe war wunderschön.“

Bohumil Petrik (Dennik Standard):

Die Impfung hat die Christen in der Slowakei gespalten. Sie sagen, dass es ein Akt der Liebe ist, zu impfen, aber in den Diözesen gibt es unterschiedliche Ansätze. Wie können wir uns in dieser Frage versöhnen?

Papst Franziskus: „Es ist ein wenig seltsam, weil die Menschheit eine Geschichte der Freundschaft mit Impfstoffen hat: Masern, Polio... vielleicht ist diese Virulenz auf die Unsicherheit zurückzuführen, nicht nur auf die Pandemie. Die Vielfalt der Impfstoffe und auch der Ruf einiger Impfstoffe, die ein bisschen mehr als destilliertes Wasser sind, haben Ängste ausgelöst. Andere wiederum sagen, dass es eine Gefahr ist, weil mit dem Impfstoff das Virus eindringt. Auch im Kardinalskollegium gibt es einige Negationisten – und einer von ihnen, der Arme!, liegt mit dem Virus im Krankenhaus. Ironie des Lebens (der Papst meint Kardinal Burke, Anm.). Ich kann es nicht gut erklären, manche sagen, weil die Impfstoffe nicht ausreichend getestet sind. Es sollte klargestellt werden, dass alle im Vatikan geimpft sind, mit Ausnahme einer kleinen Gruppe, bei dem untersucht wird, wie ihm zu helfen ist.

Daniel Verdú Palai (El Pais):

Am Sonntagmorgen haben Sie sich mit Orban getroffen, und man kann einige Meinungsverschiedenheiten ersehen. Wir wollten wissen, wie das Treffen verlaufen ist, ob das Thema Migranten angesprochen wurde und wie Sie zu den von ihm verabschiedeten Gesetzen gegen Homosexuelle stehen.

Papst Franziskus: „Ich habe den Besuch erhalten, der Präsident kam zu mir, er war so höflich, das ist das dritte Mal, dass ich ihn treffe, und er kam mit dem Premierminister und dem stellvertretenden Minister. Der Präsident hat geredet. Das erste Thema war der Umweltschutz, wirklich Hut ab vor dem ökologischen Bewusstsein, das ihr Ungarn habt. Er erklärte mir, wie sie die Flüsse reinigen, Dinge, die ich nicht wusste. Dann habe ich mich nach dem Durchschnittsalter erkundigt, denn ich mache mir Sorgen wegen des demografischen Winters. In Italien liegt das Durchschnittsalter bei 47 Jahren, in Spanien ist es noch schlimmer, glaube ich, viele Dörfer sind leer oder es leben viele ältere Menschen dort. Wie kann dies gelöst werden? Der Präsident erklärte mir das Gesetz, das jungen Paaren helfen soll, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Interessant, dieses Gesetz ist dem französischen Gesetz recht ähnlich, aber weiterentwickelt. Das haben sie mir erklärt, das haben der Premierminister und der Vizeminister etwas hinzugefügt, wie dieses Gesetz war. Zur Einwanderung: nichts. Dann sind wir auch nochmal auf die Ökologie zurückgekommen. Die Familie, im Sinne der Demografie: Man sieht, dass es viele junge Menschen, viele Kinder gibt. Auch in der Slowakei gibt es viele junge Paare. Jetzt ist die Herausforderung, Arbeitsplätze zu finden, damit sie nicht draußen danach auf die Suche gehen. Aber das waren die Dinge... Der Präsident sprach immer, beide Minister fügten einige Daten hinzu. Das Treffen dauerte ziemlich lange, etwa 40 Minuten.“

Gerard O'Connell (America):

Zunächst einmal wollte ich Ihnen sagen, dass wir alle sehr zufrieden mit der Operation sind, die ein großartiges Ergebnis erbracht hat, Sie sind verjüngt!

Papst Franziskus: „Mir wurde gesagt, dass einige sich dieser Operation unterziehen wollten… Aber das war keine Kosmetik.“

Sie haben oft gesagt, dass wir alle Sünder sind und dass die Eucharistie keine Belohnung für die Schuldigen, sondern eine Medizin und Nahrung für die Schwachen ist. Wie Sie wissen, gab es in den USA nach den letzten Wahlen eine Diskussion unter den Bischöfen über die Spendung der Kommunion an Politiker, die die Abtreibungsgesetze unterstützt haben, und es gibt Bischöfe, die dem Präsidenten und anderen Amtsträgern die Kommunion verweigern wollen. Andere Bischöfe sind dafür, andere sagen, man solle die Eucharistie nicht als Waffe einsetzen. Was meinen Sie, und was raten Sie den Bischöfen? Und haben Sie als Bischof in all den Jahren jemandem öffentlich die Eucharistie verweigert?

Papst Franziskus: „Ich habe noch nie jemandem die Eucharistie verweigert, ich weiß nicht, ob jemand unter diesen Bedingungen gekommen ist! Dies als Priester. Ich war mir nie bewusst, eine Person wie die, die Sie beschreiben, vor mir zu haben, das ist wahr. Das einzige Mal, dass mir etwas Schönes passiert ist, war, als ich in einem Altersheim die Messe hielt, ich war im Wohnzimmer und sagte: Wer möchte die Kommunion? Alle alten Leute hoben die Hand. Eine kleine alte Dame hob ihre Hand, nahm die Kommunion und sagte: ,Danke, ich bin Jüdin‘. Und ich sagte: ,Was ich dir gegeben habe, ist auch jüdisch!‘ Die Kommunion ist keine Auszeichnung für die Perfekten – man denke an den Jansenismus - sondern ein Geschenk, eine Gabe, die Präsenz Jesu in der Kirche und in der Gemeinschaft. Dann, diejenigen, die nicht zur Gemeinschaft gehören, können nicht am Abendmahl teilnehmen, wie diese jüdische Frau, aber der Herr wollte sie ohne mein Wissen belohnen. Aus der Gemeinschaft ausgeschlossen - exkommuniziert -, weil sie nicht getauft sind oder abgewandert sind.

Zweites Problem, das der Abtreibung: Das ist mehr als ein Problem, es ist Mord. Wer abtreibt, der tötet, um es klar zu sagen. Nehmen Sie ein beliebiges Buch über Embryologie für Medizinstudenten. In der dritten Woche nach der Empfängnis sind bereits alle Organe vorhanden, die DNA... es ist ein menschliches Leben. Dieses menschliche Leben muss respektiert werden, dieser Grundsatz ist so klar! Dem, der das nicht verstehen kann, würde ich folgende Frage stellen: Ist es richtig, ein menschliches Leben zu töten, um ein Problem zu lösen? Ist es richtig, einen Killer anzuheuern, um ein menschliches Leben zu töten? Wissenschaftlich gesehen ist es ein menschliches Leben. Ist es richtig, es beiseitezuschaffen, um ein Problem zu lösen? Und darum ist die Kirche bei diesem Thema so hart, denn wenn sie (Abtreibung) akzeptieren würde, wäre es so, als würde sie das tägliche Morden akzeptieren. Ein Staatschef erzählte mir, dass der demografische Rückgang begann, weil in jenen Jahren ein so starkes Abtreibungsgesetz galt, dass sechs Millionen Abtreibungen vorgenommen wurden, was zu einem Rückgang der Geburten in der Gesellschaft dieses Landes führte.

Nun kommen wir zu dieser Person, die nicht zur Gemeinschaft gehört, sie kann nicht zur Kommunion gehen. Das ist keine Strafe – sie steht außerhalb. Aber das Problem ist nicht theologisch, sondern pastoral, wie wir Bischöfe dieses Prinzip seelsorgerisch handhaben. Wenn wir auf die Kirchengeschichte schauen, sehen wir: Jedes Mal, wenn Bischöfe ein Problem nicht pastoral angegangen sind, haben sie sich politisch auf eine Seite geschlagen. Denkt an die Bartholomäusnacht, Ketzer, ja, schneiden wir ihnen allen die Kehle durch.... Denken Sie an die Hexenverfolgung.... auf dem Campo di Fiori an Savonarola. Wenn die Kirche einen Grundsatz verteidigt und dies auf eine nicht-pastorale Art und Weise tut, ergreift sie auf politischer Ebene Partei, und das war schon immer so, man muss nur die Geschichte betrachten.

Was sollte der Hirte tun? Hirte sein, nicht andere verurteilen. Ein Seelsorger sein, denn er ist auch Seelsorger für die Exkommunizierten. Hirten mit dem Stil Gottes, der Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit bedeutet. So steht es in der ganzen Bibel. Ein Hirte, der nicht weiß, wie man ein Hirte ist... Ich bin mit den Einzelheiten der Vereinigten Staaten nicht vertraut... Aber wenn Sie nahe sind, zärtlich, und das Abendmahl geben? Das ist eine Hypothese: Der Hirte weiß immer, was er zu tun hat. Wenn er aus dem seelsorglichen Rahmen der Kirche heraustritt, wird er zum Politiker, und das sehen Sie an allen nicht-pastoralen Verurteilungen der Kirche. Wenn Sie sagen, man kann sie (Kommunion, Anm.) geben oder nicht geben, ist das Kasuistik... Erinnern Sie sich an den Sturm nach Amoris laetitia? Häresie, Häresie! Zum Glück gab es da Kardinal (Christoph) Schönborn (von Wien), einen großen Theologen, der die Dinge geklärt hat. Sie sind Kinder Gottes und brauchen unsere pastorale Nähe, dann löst der Seelsorger die Dinge so, wie der Geist es anzeigt...“

Stefano Maria Paci (Sky Tg 24):

Ich denke, Sie werden diese Botschaft, die ich Ihnen gleich geben werde, als ein Geschenk betrachten. Ich wurde von Edith Bruck, der jüdischen Schriftstellerin, die Sie zu Hause besucht haben, gebeten, Ihnen eine lange Nachricht zu überreichen, die mit „Ihre Schwester Edith“ unterzeichnet ist und in der sie Ihnen für Ihre Gesten und Appelle gegen den Antisemitismus während dieser Reise dankt.

Papst Franziskus: „Antisemitismus ist wieder im Kommen, er ist in Mode, er ist eine hässliche, hässliche Sache....“

Sie haben darüber mit den ungarischen Autoritäten gesprochen, und aus Straßburg kam eine Resolution, in der die Anerkennung homosexueller Ehen gefordert wurde. Was denken Sie darüber?

Papst Franziskus: „Die Ehe ist ein Sakrament, und die Kirche hat nicht die Vollmacht, die Sakramente zu ändern, die der Herr eingesetzt hat. Es gibt Gesetze, die versuchen, , den vielen Menschen zu helfen, die eine sexuell andere Orientierung haben. Das ist wichtig – die Staaten haben in zivilrechtlicher Hinsicht die Möglichkeit, sie zu unterstützen, ihnen im Erbrecht und Gesundheitswesen Sicherheit zu geben – nicht nur Homosexuellen, sondern allen Personen, die sich zusammentun wollen. Aber eine Ehe ist eine Ehe. Das bedeutet nicht, sie zu verurteilen – sie sind unsere Brüder und Schwestern, wir sollen sie begleiten. Es sollte Zivilgesetze geben, zum Beispiel für Witwen, die sich mit einem Gesetz zusammenschließen wollen, um Zugang zu Diensten zu erhalten... es gibt das französische PACS, aber das hat nichts mit der Ehe als Sakrament zu tun, die zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen wird. Manchmal gibt es Verwirrung. Sie sind alle gleichwertige Brüder und Schwestern, der Herr ist gut, er will das Heil aller. Aber bitte, erwarten Sie nicht von der Kirche, dass sie ihre Wahrheit verleugnet. Viele Menschen mit einer homosexuellen Orientierung gehen zur Beichte, bitten den Priester um Rat, die Kirche hilft ihnen, aber das Sakrament der Ehe ist etwas anderes.“

Dann fügte der Papst hinzu:

„Ich habe etwas Schönes über eine von Ihnen gelesen. Darin heißt es, dass diese Journalistin 24 Stunden am Tag für die Arbeit zur Verfügung steht und dass sie immer anderen den Vortritt lässt und selbst im Hintergrund bleibt, anderen das Wort überlässt und sich ruhig verhält. Das ist von Manuel Beltran, über unsere Eva Fernandez, danke!“

Arbeitsübersetzung der Fliegenden Pressekonferenz

 

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15. September 2021, 17:40