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Bei der Generalaudienz im Damasushof Bei der Generalaudienz im Damasushof 

Papst Franziskus warnt vor selbsternannten Glaubenshütern

Vor selbsternannten Hütern der reinen Lehre hat Papst Franziskus an diesem Mittwochmorgen bei seiner Generalaudienz gewarnt. Er sehe da „die Versuchung, sich in bestimmten Gewissheiten zu verschließen“.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Das sagte der Papst bei der Mittwochsaudienz, die bei hochsommerlichen Temperaturen im Damasus-Innenhof des Apostolischen Palastes stattfand.

„Es mangelt heute nicht an Predigern, denen es (vor allem in den neuen Kommunikationsmitteln) nicht in erster Linie darum geht, das Evangelium von Gott zu verkünden, sondern die sich als ‚wahre Hüter der Wahrheit‘ präsentieren, die wissen, was der beste Weg ist, Christ zu sein.“

Vorsicht, Gralshüter

Vor solchen Gralshütern des Christlichen solle man sich hüten, gab Franziskus zu verstehen.

„Sie behaupten, dass das wahre Christentum dasjenige ist, an dem sie hängen, oft identifiziert mit bestimmten Formen der Vergangenheit, und dass die Lösung für die heutigen Krisen darin besteht, zurückzugehen, um die Echtheit des Glaubens nicht zu verlieren.“ Doch der wahre Weg des Christen sei vielmehr „der befreiende und immer neue Weg des gekreuzigten und auferstandenen Jesus“, so der Papst.

Tradition ist kein Tümpel

„Es ist der Weg der Verkündigung, der sich durch Demut und Geschwisterlichkeit verwirklicht; die neuen Prediger wissen nicht, was Demut ist, was Geschwisterlichkeit ist; es ist der Weg des sanftmütigen und gehorsamen Vertrauens; die neuen Prediger kennen weder Sanftmut nocht Gehorsam; und dieses sanftmütige und gehorsame Leben geht voran in der Gewissheit, dass der Heilige Geist in jedem Zeitalter der Kirche wirkt. In letzter Instanz trägt uns der Heilige Geist, der in der Kirche anwesend ist, voran und wird uns retten. “

Es ist nicht das erste Mal, dass der Papst mahnt, Tradition sei kein Tümpel mit abgestandenem Wasser, sondern eine lebendige, frische Quelle.

Ausgangspunkt der Überlegungen des Papstes bei der Generalaudienz war der Brief des Apostels Paulus an die Galater. Über diesen Brief, den der Völkerapostel ungefähr um 55 nach Christus verfasst hat, wird Franziskus bei seinen kommenden Generalaudienzen sprechen. Die Katechesenreihe zum Thema Gebet, die ihn in den letzten Monaten beschäftigt hat, ist seit vergangenem Mittwoch abgeschlossen.

Zum Nachhören: Papst Franziskus warnt bei seiner Generalaudienz vor selbst ernannten Hütern der reinen Lehre
Sogar Spiderman (links) nahm an der Generalaudienz teil
Sogar Spiderman (links) nahm an der Generalaudienz teil

„Ein entscheidender Text“

„Das ist ein sehr wichtiger, ich würde sogar sagen entscheidender Text“, sagte Franziskus über den Galaterbrief. „Nicht nur, weil wir hier den Apostel besser kennenlernen, sondern vor allem, weil wir hier einige der Themen, die er anspricht, in der Tiefe betrachten und die Schönheit des Evangeliums zeigen können… Themen wie Freiheit, Gnade und die christliche Lebensweise sind äußerst relevant, weil sie viele Aspekte im Leben der Kirche heute berühren. Ein sehr aktueller Brief - er scheint für unsere Zeit geschrieben worden zu sein!“

Auf die Exegeten-Debatte, wann genau und an wen genau Paulus einst seinen Brief geschrieben hat, wollte sich Papst Franziskus nicht zu sehr einlassen. Er merkte nur an, dass die Galater wohl in der Gegend der heutigen türkischen Hauptstadt Ankara siedelten und dass Paulus selbst angibt, er habe in der Gegend wegen einer Krankheit Halt gemacht (vgl. Gal 4,13).

Paulus baute keine Kathedralen

„Der heilige Lukas schildert in der Apostelgeschichte hingegen eine eher spirituelle Motivation. Er sagt: ‚Weil ihnen aber vom Heiligen Geist verwehrt wurde, das Wort in der Provinz Asien zu verkünden, reisten sie durch Phrygien und das galatische Land‘ (16,6). Die beiden Darstellungen widersprechen sich nicht: Sie zeigen vielmehr, dass der Weg der Evangelisierung nicht immer von unserem eigenen Willen und unseren Plänen abhängt, sondern die Bereitschaft erfordert, sich formen zu lassen und andere Wege zu gehen, die nicht vorhergesehen waren.“

Franziskus rühmte die ausgedehnte Missionsarbeit des Paulus und seine pastorale Methode, kleine Gemeinschaften zu gründen. „Wenn Paulus in einer Stadt ankam, bei einem Volk, in einer Region, dann baute er nicht gleich eine große Kathedrale, ... nichts. Er bildete die kleinen Gemeinschaften die der Sauerteig unserer heutigen christlichen Kultur sind. Er begann damit, indem er kleine Gemeinschaften bildete. Und diese kleinen Gemeinschaften wuchsen, sie wuchsen und gingen voran. Diese pastorale Methode nutzt man auch heute in jeder Missions-Region.“

Verleumdung - eine uralte Praxis

So habe ihm neulich ein Missionar aus Papua-Neuguinea geschrieben, der das Evangelium in der Wildnis vor Menschen predige, die noch nie von Jesus Christus gehört hätten. Eigentlich alles genau wie damals bei Paulus...

Der Völkerapostel habe aber diese Gemeinden nicht nur gegründet, sondern sich dann auch aus der Ferne weiter um sie gekümmert, hob Franziskus dann hervor. So seien nach der Mission des Paulus bei den Galatern judenchristliche Prediger dort aufgetreten, die ihn verunglimpft hätten. „Sie beginnen mit der Doktrin - und dann verunglimpfen sie den Apostel. Das ist schon immer der Weg: dem Apostel die Autorität abzusprechen. Wie wir sehen, ist es eine uralte Praxis, sich bei bestimmten Gelegenheiten als alleiniger Besitzer der Wahrheit darzustellen und die Arbeit anderer herabzusetzen, sogar durch Verleumdung…“

Das Dilemma der Galater

Charakteristisch für die neuen Prediger sei (so Franziskus mit einem Seitenblick ins Heute) ihre Rückwärtsgewandtheit gewesen. „Sie kehren zurück zu der Strenggläubigkeit von früher, zu den Dingen, die mit dem Evangelium überholt waren. Sie kehren zurück.“ Die neu bekehrten Galater seien durch die Umtriebe der judenchristlichen Prediger natürlich in einige Verwirrung geraten. „Was sollten sie tun? Hören und befolgen, was Paulus ihnen gepredigt hatte, oder auf die neuen Prediger hören, die ihn anklagten?“ Ein Dilemma für die Christen in Galatien; dabei habe „wirklich viel auf dem Spiel“ gestanden.

„An der Starrheit kann man sie erkennen“

Das war übrigens der Punkt, an dem der Papst dann den Bogen ins Heute schlug und über die Gralshüter der reinen Lehre seufzte, die zu unserer Zeit vor allem online unterwegs sind.

„Aber wie können wir diese Leute erkennen? Zum Beispiel ist eine ihrer Vorgehensweisen die Starrheit. Angesichts der Verkündigung des Evangeliums, das uns frei macht, Freude schenkt, sind sie starr. Immer diese Starrheit: Man muss dies tun, man muss das andere tun... Die Starrheit ist diesen Menschen wirklich eigen.“

(vatican news)

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23. Juni 2021, 10:44

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