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Wortlaut: Ansprache von Papst Franziskus bei der Generalaudienz

Hier finden Sie die Ansprache, die Papst Franziskus bei seiner Generalaudienz an diesem Mittwoch gehalten hat, in einer Arbeitsübersetzung ins Deutsche.

Die offizielle Übersetzung finden Sie in Kürze auf der amtlichen Webseite des Vatikans.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!

Heute möchte ich mich auf die Verbindung zwischen dem Gebet und der Gemeinschaft der Heiligen konzentrieren. Wenn wir beten, tun wir das nie allein: Selbst wenn wir nicht daran denken, tauchen wir doch in einen majestätischen Fluss von Anrufungen ein, der vor uns war und nach uns weiterströmt.

In den Gebeten, die wir in der Bibel finden und die oft in der Liturgie erklingen, gibt es eine Spur von alten Geschichten, von wundersamen Befreiungen, von Deportationen und traurigen Exilen, von bewegenden Rückkehrern, von Lobpreisungen der Wunder der Schöpfung... Und so werden diese Stimmen von Generation zu Generation weitergegeben - in einer kontinuierlichen Verflechtung zwischen persönlicher Erfahrung und der des Volkes und der Menschheit, zu der wir gehören. Keiner kann sich lösen von der eigenen Geschichte, von der Geschichte des eigenen Volkes - immer tragen wir in unseren Gewohnheiten dieses Erbe mit uns - auch im Gebet. Im Lobgebet, besonders wenn es aus den Herzen der Kleinen und Demütigen kommt, findet sich ein Echo des Magnifikat, das Maria vor ihrer Verwandten Elisabeth zur Ehre Gottes sang; oder des Ausrufs des alten Simeon, der, das Jesuskind in seine Arme nehmend, sagte: ‚Nun lässt du, Herr, deinen Diener in Frieden scheiden, wie du es gesagt hast‘ (vgl. Lk 2,29).

„Gebete sind diffus - sie verbreiten sich“

Richtige Gebete sind ‚diffus‘: Sie verbreiten sich unaufhörlich, mit oder ohne Nachrichten in sozialen Netzwerken: auf Krankenstationen, in Momenten festlichen Beisammenseins ebenso wie in Momenten, in denen man im Stillen leidet... Der Schmerz eines jeden ist der Schmerz aller, und das Glück der einen überträgt sich auf den Geist der anderen. Schmerz und Glück gehören zu einer einzigen Geschichte; es sind Geschichten, die in unserem Leben  zu Geschichte werden. Wir leben die Geschichte neu, mit unseren eigenen Worten, aber die Erfahrung ist dieselbe.

Gebete entstehen immer wieder neu: Jedes Mal, wenn wir uns die Hände reichen und unser Herz Gott öffnen, finden wir uns in einer Gesellschaft von unbekannten und anerkannten Heiligen wieder, die mit uns beten und für uns Fürsprache einlegen - als ältere Brüder und Schwestern, die durch dasselbe menschliche Abenteuer gegangen sind wie wir. In der Kirche gibt es keine Trauer, die einsam bleibt, keine Träne, die in Vergessenheit gerät, denn alles atmet und nimmt teil an einer gemeinsamen Gnade. Es ist kein Zufall, dass in der frühen Kirche die Beerdigungen im Garten um das heilige Gebäude herum stattfanden, als ob man sagen wollte, dass an jeder Eucharistie die Schar derer, die uns vorausgegangen sind, gewissermaßen teilnimmt. Da sind unsere Eltern und Großeltern, Paten und Patenkinder, da sind Katecheten und andere Erzieher.... Dieser überlieferte Glaube, den wir empfangen haben! Mit dem Glauben wurde uns auch die Art und Weise des Betens, das Gebet weitergegeben.

„Die Heiligen sind immer hier, ganz nah“

Die Heiligen sind immer noch hier, nicht weit von uns entfernt; ihre Darstellungen in den Kirchen erinnern an jene ‚Wolke von Zeugen‘, die uns immer umgibt (vgl. Hebr 12,1)... Es sind Zeugen, die wir natürlich nicht anbeten - wir beten diese Heiligen wohlverstanden nicht an! -, aber die wir verehren und die uns in tausendfacher Weise an Jesus Christus, den einen Herrn und Mittler zwischen Gott und Mensch, erinnern. Ein Heiliger, der dich nicht auf Jesus Christus verweist, ist kein Heiliger... Der Heilige erinnert dich an Jesus Christus, weil er den Lebensweg als Christ gegangen ist. Die Heiligen erinnern uns daran, dass selbst in unserem Leben, auch wenn es schwach und von Sünde gezeichnet ist, die Heiligkeit erblühen kann. In den Evangelien lesen wir, dass der erste heiliggesprochene Heilige ein Dieb war - nicht von einem Papst, sondern von Jesus selbst heiliggesprochen! Heiligkeit ist ein Weg des Lebens, der Begegnung mit Jesus - ob lang oder kurz, womöglich auch nur ein einziger Augenblick - aber immer ein Zeugnis. Heiligkeit ist das Zeugnis eines Mannes oder einer Frau, der/die Jesus begegnet und ihm gefolgt ist. Es ist nie zu spät, sich zum Herrn zu bekehren, der gut und groß an Liebe ist (vgl. Ps 102,8).

Der Katechismus erklärt, dass die Heiligen Gott betrachten, ihn preisen und nie aufhören, sich um die zu kümmern, die sie auf der Erde zurückgelassen haben. Ihre Fürbitte ist der höchste Dienst, den sie dem Heilsplan Gottes erweisen. Wir können und sollten sie bitten, für uns und die ganze Welt Fürsprache einzulegen (vgl. KKK, 2683). In Christus gibt es eine geheimnisvolle Verbundenheit zwischen denen, die ins nächste Leben übergegangen sind, und uns Pilgern in diesem: Unsere verstorbenen Lieben sorgen vom Himmel aus weiter für uns. Sie beten für uns, und wir beten für sie  und mit ihnen.

„Für andere zu beten ist die erste Art, sie zu lieben“

Wir erleben dieses Band des Gebets zwischen uns und den Heiligen - zwischen  uns und denen, die schon zur Fülle des Lebens gelangt sind - schon hier, in unserem irdischen Leben: Wir beten füreinander, wir bitten und bieten Gebete an... Die erste Möglichkeit, für jemanden zu beten, ist, mit Gott über ihn oder sie zu sprechen. Wenn wir dies häufig tun, jeden Tag, verschließt sich unser Herz nicht, sondern bleibt offen für unsere Brüder und Schwestern. Für andere zu beten ist die erste Art, sie zu lieben, und es drängt uns zu konkreter Nähe. Auch in Momenten des Konflikts ist das Beten für die Person, mit der ich den Konflikt ausfechte, eine Art und Weise, den Konflikt zu lösen, weicher zu machen. Mit dem Gebet ändert sich etwas. Als erstes verändert sich mein Herz, meine Haltung. Der Herr ändert es, um eine Begegnung möglich zu machen, eine neue Begegnung, und um zu verhindern, dass der Konflikt zu einem endlosen Krieg wird.

Der erste Weg, einer Zeit der Not zu begegnen, ist, unsere Brüder und Schwestern, besonders die Heiligen, zu bitten, für uns zu beten. Der Name, der uns in der Taufe gegeben wird, ist kein Etikett oder eine Dekoration! Er ist in der Regel der Name einer Jungfrau, eines Heiligen oder einer Heiligen, die nur darauf warten, uns ‚zur Hand zu gehen‘ im Leben, um von Gott die Gnaden zu erhalten, die wir am meisten brauchen. Wenn in unserem Leben die Prüfungen ihren Höhepunkt noch nicht überschritten haben, wenn wir noch zur Beharrlichkeit fähig sind, wenn wir trotz allem mit Zuversicht weitermachen, verdanken wir all dies vielleicht mehr als unseren Verdiensten der Fürsprache so vieler Heiliger - einige im Himmel, andere Pilger wie wir auf Erden, die uns beschützt und begleitet haben. 

Denn wir alle wissen, dass es auf Erden heilige Menschen gibt! Männer und Frauen, die in Heiligkeit leben... Heilige des Alltags, verborgene Heilige - oder wie ich gerne sage: Heilige von nebenan! Die im Leben mit uns leben, mit uns arbeiten und zugleich ein Leben der Heiligkeit führen.

Gepriesen sei also Jesus Christus, der einzige Retter der Welt, zusammen mit dieser unermesslichen Heerschar von Heiligen, die die Erde bevölkern und die aus ihrem Leben ein Lob Gottes gemacht haben. Denn - wie der heilige Basilius bekräftigte – ‚für den Geist ist der Heilige eine besonders geeignete Wohnstätte, da er sich anbietet, bei Gott zu wohnen, und sein Tempel genannt wird‘ (Liber de Spiritu Sancto, 26, 62: PG 32, 184A; vgl. KKK, 2684).

(vatican news – sk)
 

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07. April 2021, 10:27