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Papst an Philippiner: „Eine Kirche, die die Welt liebt, ohne zu verurteilen, ist anziehend“

Auch in diesem Jahr hat Papst Franziskus im Petersdom eine heilige Messe für die philippinische Gemeinschaft gefeiert. Doch in diesem Jahr gab es ein ganz besonderes Jubiläum zu feiern: 500 Jahre Evangelisierung des größten katholischen Landes Asiens.

Am 16. März 1521 entdeckte der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan die südphilippinischen Inseln und leitete damit die Evangelisierung des Landes ein. Heute sind über 80 Prozent der Menschen dort katholisch.

Der Petersdom war wegen der andauernden Pandemie nur spärlich besetzt, als Franziskus am Sonntagmorgen die Messe am Kathedra-Altar im Petersdom feierte. Mit dabei war unter anderem der philipinische Kurienkardinal Luis Antonio Tagle (Präfekt der Missionskongregation und ehemaliger Erzbischof von Manila), auch einige Kinder und Gläubige in Landestracht waren zu sehen.

Zu Beginn der Messe zogen in traditionelle Gewänder gekleidete Jungen und Mädchen in einer Prozession ein. Vorangetragen wurden das sogenannte „Magellan-Kreuz“ und die Figur des „Nino de Cebu“. Das knapp einen Meter große Holzkreuz ließ Fernando Magellan auf der Insel Cebu errichten, als er am 16. März 1521 die Philippinen erreichte. Es befindet sich sonst in einer Kirche in Cebu City. Das „Nino de Cebu“ ist eine 1565 wundersam aufgefundene dunkle Holzfigur des Jesuskindes. In die „Basilica del Santo Nino“ in Cebu City, wo die Krippenfigur ausgestellt ist, kommen jährlich hunderttausende Pilger. Lesungen und Evangelium wurden auf Englisch, Tagalog und Italienisch vorgetragen.

In seiner Predigt dankte der Papst der philippinischen Gemeinschaft besonders dafür, wie sie die Freude des Evangeliums verkörperten und der ganzen Welt brächten. Gleichzeitig forderte er sie dazu auf, in ihrem Evangelisierungswerk nicht nachzulassen, „das kein Proselytismus ist.“

„Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab“

„Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16): Von diesem Vers des Johannesevangeliums aus entwickelte Franziskus seine Predigt.

„Erstens: Gott hat so sehr geliebt. Diese Worte, die Jesus an Nikodemus richtet – einen betagten Juden, der den Meister kennenlernen wollte –, helfen uns, das wahre Gesicht Gottes zu sehen“, betonte Franziskus. „In Jesus hat Gott das letzte Wort über unser Leben gesprochen: Du bist nicht verloren, du bist geliebt. Geliebt für immer.“

Sollte unser religiöses Leben hingegen in eine Schieflage geraten, die uns daran hindere, „die Größe dieser Liebe begreifen zu lassen“, oder uns „in eine traurige, verschlossene Religiosität abgleiten“ lasse, dann sei das „ein Zeichen dafür“, kurz innehalten und noch einmal der Verkündigung der frohen Botschaft lauschen müssen, gab Franziskus zu bedenken: „Gott liebt dich so sehr, dass er dir sein ganzes Leben schenkt. Er ist kein Gott, der gleichgültig auf uns herabblickt, sondern ein Vater, der liebt und sich in unsere Geschichte einbringt; er ist kein Gott, der sich am Tod des Sünders erfreut, sondern ein Vater, dem daran gelegen ist, dass niemand verloren geht; er ist kein Gott, der verurteilt, sondern ein Vater, der uns mit der segnenden Umarmung seiner Liebe rettet.“

„Er ist kein Gott, der gleichgültig auf uns herabblickt, sondern ein Vater, der liebt“

Das zweite Wort hingegen, „hingeben“, bedeute, dass Gott gerade aufgrund seiner tiefen Liebe zu uns „sich selbst“ hingebe, sein eigenes Leben anbiete: „Wer liebt, der geht immer aus sich heraus. Vergesst das nicht. Wer liebt, der geht immer aus sich selbst heraus. Die Liebe bietet sich immer an; sie gibt sich hin, sie verausgabt sich. Die Stärke der Liebe liegt darin, dass sie die Schale des Egoismus zertrümmert, die Dämme der nur allzu kalkulierten menschlichen Sicherheiten durchbricht, Mauern einreißt und Ängste überwindet, um sich selbst zum Geschenk zu machen. Das ist die Dynamik der Liebe, sich zum Geschenk machen, sich selbst geben. Wer liebt, riskiert lieber, sich hinzugeben, als zu verkümmern, indem er in sich selbst abgeschottet bleibt. Das ist der Grund, warum Gott aus sich herausgeht: weil er ,so sehr geliebt hat‘.“

„Wer liebt, der geht immer aus sich selbst heraus“

Gott könne aufgrund seiner großen Liebe gar nicht anders, als sich selbst hinzugeben, so der  Papst: Je mehr man liebt, desto mehr wird man fähig, zu geben. Das ist auch der Schlüssel zum Verständnis unseres Lebens. Es ist schön, Menschen zu begegnen, die einander lieben und ihr Leben miteinander teilen. Von ihnen kann man dasselbe sagen wie von Gott: Sie lieben einander so sehr, dass sie ihr Leben hingeben. Was zählt, ist nicht nur, wie viel wir leisten oder verdienen; was zählt, ist vor allem die Liebe, die wir zu geben wissen.“

Manchmal hingegen suche man die Freude dort, wo es keine gebe, in Illusionen und selbstherrlichen Träumen von der eigenen Größe, in der trügerischen Sicherheit materieller Dinge, im Personenkult, gab der Papst zu bedenken. Doch im Gegenzug lehre uns die die Erfahrung des Lebens, „dass wahre Freude darin besteht, sich unentgeltlich geliebt zu fühlen“: „das Gefühl zu haben, dass jemand an unserer Seite ist, der unsere Träume teilt und der uns – wenn wir Schiffbruch erleiden – zu Hilfe kommt und uns in einen sicheren Hafen bringt.“

„Schmugglerinnen“ des Glaubens 

Anschließend wandte sich Franziskus direkt an die philippinische Gemeinschaft, an deren wichtigen Jahrestag er erinnerte. 500 Jahre seien vergangen, seit die christliche Verkündigung erstmals die Philippinen erreicht habe, unterstrich der Papst: „Ihr habt die Freude des Evangeliums empfangen: dass Gott uns so sehr geliebt hat, dass er seinen Sohn für uns hingegeben hat. Und diese Freude kann man eurem Volk ansehen; man sieht sie in euren Augen, in euren Gesichtern, in euren Liedern und Gebeten. Die Freude, mit der ihr euren Glauben in andere Erdteile tragt. Oft habe ich gesagt, dass die philippinischen Frauen hier in Rom ,Schmugglerinnen‘ des Glaubens sind. Denn wo sie hingehen, um zu arbeiten, arbeiten sie – aber säen auch den Glauben aus.“

Gerade in Rom sind viele Mitglieder der philippinischen Gemeinschaft im Dienst als Hausangestellte bei wohlsituierten Familien beschäftigt, eine Komponente, die deutlich in den Worten des Papstes mitschwang. „Ihr bringt den Glauben, diese Verkündigung, die ihr vor 500 Jahren erhalten habt, und ihr bringt sie jetzt. (…) Ich möchte euch Dank sagen für die Freude, die ihr der ganzen Welt und den christlichen Gemeinschaften bringt. Ich denke an so viele schöne Erlebnisse in römischen Familien – und das gilt überall auf der Welt –, wo eure diskrete und eifrige Anwesenheit auch zu einem Zeugnis des Glaubens geworden ist. Ganz im Stil Marias und Josefs: Gott liebt es, die Freude des Glaubens durch einen demütigen und verborgenen, mutigen und ausdauernden Dienst zu bringen.“

An diesem wichtigen Jahrestag wolle er sie ebenfalls auffordern, in ihrem Evangelisierungswerk nicht nachzulassen, so der Papst, der betonte, dass es sich dabei nicht um Proselytismus handele. Vielmehr müsse die christliche Verkündigung immer weitergetragen werden: „Der Wunsch Gottes, dass niemand verloren geht, fordert die Kirche auf, sich um jene zu kümmern, die verwundet und ausgegrenzt sind. Wenn Gott so sehr liebt, dass er sich uns schenkt, dann hat auch die Kirche diesen Auftrag: Sie ist nicht gesandt, um zu richten, sondern um aufzunehmen; nicht um sich aufzudrängen, sondern um zu säen; nicht um zu verurteilen, sondern um Christus zu bringen, der das Heil ist.“

Kirche nicht gesandt, um zu richten

Anschließend ging Franziskus auch auf das pastorale Programm der philippinischen Kirche ein: „ein missionarisches Engagement, das alle einbezieht und alle erreicht“: „Lasst euch niemals entmutigen, diesen Weg zu gehen“, forderte der Papst die Gläubigen auf. „Habt keine Angst, das Evangelium zu verkünden, zu dienen und zu lieben. Und mit eurer Freude werdet ihr bewirken, dass auch von der Kirche gesagt wird: ,Sie hat die Welt so sehr geliebt!‘. Eine Kirche, die die Welt liebt, ohne sie zu verurteilen, die sich für die Welt hingibt, ist schön und anziehend. So sei es: auf den Philippinen und überall auf der Welt.“

Der Dank des philippinischen Kardinals

Im Anschluss an die Messfeier wandte sich in Vertretung der philippinischen Gemeinschaft Kardinal Tagle an den Papst und dankt ihm für die Eucharistiefeier aus Anlass der Ankunft des christlichen Glaubens auf den Philippinen. In fast einhundert Ländern der Welt lebten mehr als zehn Millionen philippinische Migranten, erinnerte Tagle.

Die Ankunft des christlichen Glaubens und die Tatsache, dass dieser von der Mehrheit der Bevölkerung angenommen worden sei, sei „ein Geschenk Gottes“, so der Kardinal, der Erzbischof von Manila war, bevor er von Papst Franziskus an die Kurie berufen wurde. Das Land stehe heute weltweit an dritter Stelle, was die Anzahl der Katholiken betreffe. Dieser Glaube sei inmitten von Armut, wirtschaftlicher Ungleichheit, politischen Umwälzungen, Taifunen, Vulkanausbrüchen, Erdbeben und der derzeitigen Pandemie eine Quelle der Hoffnung gewesen, betonte Tagle: „Während wir bekennen, dass wir es nicht immer geschafft haben, den Glauben konsequent zu leben, wissen wir doch auch, wie sehr der christliche Glaube dazu beigetragen hat, die philippinische Kultur und die philippinische Nation zu formen.“

„Wenn wir unsere Familien vermissen, suchen wir Trost in der Pfarrei, unserem zweiten Zuhause“

Doch das Geschenk müsse „weiter Geschenk bleiben“ und geteilt werden – ansonsten höre es auf, ein Geschenk zu sein: „Durch Gottes geheimnisvollen Plan wird das Geschenk des Glaubens, das wir erhalten haben, nun von Millionen philippinischer christlicher Migranten auf der ganzen Welt geteilt. Wir haben unsere Familien verlassen – nicht um sie im Stich zu lassen, sondern um uns und ihnen eine Zukunft zu geben. Aus Liebe zu ihnen ertragen wir den Schmerz der Trennung“, warf der Kardinal ein Schlaglicht auf die Situation vieler seiner Mitbürger, die im Ausland und getrennt von ihren Familien ein karges Auskommen finden und die Daheimgebliebenen mit Geldsendungen unterstützen.

„Wenn wir unsere Familien vermissen, suchen wir Trost in der Pfarrei, unserem zweiten Zuhause. Wenn es niemanden gibt, mit dem wir reden können, öffnen wir Jesus im Allerheiligsten unser Herz und meditieren über sein Wort. Wir kümmern uns um die uns anvertrauten Kinder, als wären es unsere eigenen Kinder, und um die alten Menschen, als wären sie unsere eigenen Eltern. Wir singen, lachen, weinen und essen. Wir beten, dass der Name Jesu, die Schönheit der Kirche und die Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Freude Gottes durch unsere philippinischen Migranten die äußersten Enden der Erde erreichen mögen“, unterstrich Tagle, der sich abschließend voller Zuneigung direkt an Franziskus wandte: „Wenn wir hier in Rom unsere Großeltern vermissen, wissen wir, dass wir einen Lolo Kiko (übersetzt etwa: Opa Franziskus, Anm.) haben. Vielen Dank, Heiliger Vater.“

(vatican news/kap - cs)

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14. März 2021, 11:14