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Ein Moment der Begegnung im Vatikan Ein Moment der Begegnung im Vatikan 

Papst Franziskus zu Karmeliten: Keine Pseudo-Mystik, sondern Zärtlichkeit

Kontemplation darf nicht bedeuten, sich von den täglichen Sorgen und Nöten der Menschen zu entfremden. Das sagte Papst Franzskus an diesem Samstag bei einer Audienz für die Teilnehmer am Generalkapitel der Karmeliten. Die Ordensleute tagen derzeit in Rom und beraten über eine Neufassung ihrer Regeln von 1995.

Bei seiner Ansprache vor den rund 100 Ordensleuten warnte der Papst davor, das Glaubensleben zu einer reinen Routine verkommen zu lassen. Dies öffne der Verweltlichung Tür und Tor, mahnte Franziskus:

„Die Verweltlichung ist die gefährlichste Versuchung für die Kirche, insbesondere für uns, Männer der Kirche. Ich weiß, dass diese Versuchung auch bei euch eingebrochen ist und schwere Schäden angerichtet hat.“

betonte der Papst, der die Karmeliten seines Gebetes versicherte und ihnen bei dieser Gelegenheit drei Leitlinien mit auf den Weg geben wollte.

„Die Kirche schätzt euch“

„Die erste ist Treue und Kontemplation. Die Kirche schätzt euch und wenn sie an die Karmeliten denkt, denkt sie an eine Schule der Kontemplation. Wie eine reiche spirituelle Tradition bezeugt, ist eure Mission in dem Ausmaß fruchtbar, wie sie in der persönlichen Beziehung mit Gott verankert ist.“

Dies unterstreiche auch das Regelwerk des Ordens von 1995, das aktuell überarbeitet werde, so der Papst. Die Die karmelitische Art der Kontemplation bereite darauf vor, dem Volk Gottes auf vielfältige Weise zu dienen und insbesondere die spirituelle Entwicklung der Menschen im Blick zu haben, würdigte Franziskus.

„Der Karmel ist Synonym für inneres Leben“

„Die zweite Linie ist Begleitung und Gebet. Der Karmel ist Synonym für inneres Leben. Die Mystiker und karmelitischen Verfasser haben verstanden, dass ,in Gott sein‘ und ,in seinen Dingen sein‘ nicht immer zusammengehen. Sich für tausende Dinge Gottes aufreiben, ohne ihn im zu wurzeln, kommt uns früher oder später teuer zu stehen: wir bemerken, dass wir ihn unterwegs verloren haben.“

Er wolle sie darin bestärken, die Menschen zu einer „Freundschaft mit Gott“ zu führen, so der Papst. Dies bedeute jedoch nicht, mechanisch Gebete aufzusagen, „sondern Männer und Frauen des Glaubens zu sein, Freunde Gottes, die die Wege des Geistes zu gehen wissen.“

Die Stärke einer religiösen Gemeinschaft sei es nicht, in „Arbeitsgruppen” zu enden und somit die „grundlegenden Elemente religiösen Lebens zu verwässern“, mahnte Franziskus. Vielmehr müsse sie einen Anziehungspunkt darstellen und das Gottesvolk mit der Freude des Auferstandenen Christus anstecken, betonte der Papst, bevor er zu seiner dritten Leitlinie kam: Zärtlichkeit und Mitgefühl.

„Wenn die Liebe sich abschwächt, wird alles schal“

„Der Kontemplative hat ein mitfühlendes Herz. Wenn die Liebe sich abschwächt, wird alles schal,“ fuhr Franziskus fort. Denn wenn wir um uns herum keine Schwachen, Kranken und Ausgegrenzten mehr sähen, dann liege es nicht daran, dass es sie nicht mehr gebe, „sondern schlicht und ergreifend, weil wir sie nicht sehen.“ Doch gerade die Kleinen und Schwachen böten der Kontemplation die Gelegenheit, Schönheit, Wahrheit und Güte darzustellen. „Wer Gott liebt, muss ihn in den Armen suchen“, erinnerte Franziskus an eine Aussage des seligen Karmelitenpaters Angelus Paoli, dessen 300. Todestages in Kürze gedacht wird. Und das schlösse auch die Kontemplation nicht aus, fuhr der Papst fort:

„Die Kontemplation wäre nur für den Augenblick gültig, wenn sie sich auf Verzückungen und Extasen reduzierte, die uns von den Freuden und Sorgen der Menschen entfernte. Wir müssen dem Kontemplativen gegenüber misstrauisch sein, das keinen Platz für Mitgefühl hat.“ Ein wirksames Gegenmittel dazu stelle im Stil Jesu die Zärtlichkeit dar, die uns vor der „Pseudomystik“ bewahre, betonte Franziskus: „Drei Gefahren: die ,Pseudomystik‘, die ,Wochenendsolidarität‘ und die Versuchung, sich von den Wunden im Körper Christi fernzuhalten. [...] Heute braucht es eine Revolution der Zärtlichkeit, die uns sensibler macht gegenüber den dunklen Nächsten und den Dramen der Menschheit“, brachte Franziskus es abschließend auf den Punkt, bevor er die Ordensleute mit der üblichen Bitte um Gebet entließ. 

Hintergrund

Der Papst empfing rund 100 Mitglieder des Ordens anlässlich ihres Generalkapitels in Audienz. Die höchste Versammlung des Ordens kommt alle sechs Jahre zusammen. Sie trifft sich dieses Jahr vom 10. bis zum 27. September in Sassone bei Rom. Vertreter aus aller Welt wählen dabei den Generalprior und seinen Rat sowie weitere für den Orden wichtige Ämter. Das Kapitel trifft zudem Entscheidungen für die Zukunft des gesamten Ordens. Die neue Generalleitung hatte das Kapitel in Sassone am Dienstag dem irischen Karmeliten Miceal O'Neill übertragen.

(vatican news/kap - cs)

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21. September 2019, 11:54