Suche

2019-01-23-viaggio-apostolico-a-panama-1548672847033.JPG

Fliegende Pressekonferenz: „Sich das Drama des Missbrauchs bewusst machen“

Auf dem Rückflug aus Panama ging der Papst auf Themen wie Abtreibung, Missbrauch und Venezuela ein. Er riet Frauen, die abgetrieben haben, ihren Ungeborenen auch einmal ein Schlaflied zu singen. Für Venezuela forderte er eine friedliche Lösung und bekannte zugleich seine Sorge vor einem möglichen Blutvergießen. Zum vatikanischen Kinderschutzgipfel im Februar sagte der Papst: „Wir müssen uns das Drama bewusst machen, und die Bischöfe müssen wissen, was zu tun ist.“

Mario Galgano und Andrea Tornielli – Vatikanstadt

Um das Drama der Abtreibung zu verstehen, müsse jeder Priester im Beichtstuhl präsent sein und Frauen helfen, sich mit ihrem ungeborenen Kind zu versöhnen, so der Papst bei der fliegenden Pressekonferenz am Montag. Auch sich selber gab er einen Rat: Um Papst zu sein, müsse man das Volk „fühlen“ und durch die Begegnungen angerührt werden, so Franziskus.

Zum Nachhören

Es gehe darum, für ihn als Papst und für jeden Geistlichen, Erfahrungen mitzubekommen, die Menschen in ihrem Leben machten. Man mache sich ihre Geschichten und Dramen oft auch auf überraschende Weise zu eigen und solle alles vor den Herrn bringen, damit er sie im Glauben stärken könne, erläuterte der Papst.

Beim Februar-Gipfel im Vatikan über Missbrauch in der Kirche sei es notwendig, sich bewusst zu werden, dass es da um Kinder gehe, die zu Opfern geworden seien. Man müsse sich auf die Seite derer stellen, die unter dieser schrecklichen Gewalt gelitten hätten. Und in ähnlicher Perspektive liege auch die Sorge um Venezuela. Dazu drängt Franziskus auf  eine friedliche Lösung, um Blutvergießen zu vermeiden.

Es sei eine sehr intensive Reise nach Panama gewesen, so der Papst, der sich fünfzig Minuten lang mit Journalisten im Flieger unterhielt. Es war die erste fliegende Pressekonferenz mit dem Interimsdirektor des Presseamtes des Heiligen Stuhls, Alessandro Gisotti.

Was sagte der Papst genau über das Thema Missbrauch - unser Video!

Was ihn in Panama beeindruckt hat

Auf die Frage nach den Eindrücken seiner 26. Auslandsreise, die ihn nach Panama führte, erzählte der Papst:

„Als ich am Flughafen den Präsidenten Panamas grüßte, brachten sie mir ein sympathisches, dunkelhäutiges kleines Kind. Und der Präsident sagte zu mir: ,Dieser Junge ist über die Grenze von Kolumbien gekommen, seine Mutter starb, er wurde allein gelassen. Er ist wohl fünf Jahre alt und kommt aus Afrika, aber wir wissen noch nicht aus welchem Land, weil er kein Englisch, Portugiesisch oder Französisch spricht. Er spricht nur die Sprache seines Stammes. Wir haben ihn sozusagen adoptiert.' Das ist das Drama eines Kindes, das solche Dinge durchgemacht hat, weil seine Mutter starb, und eines Polizisten, der ihn den Behörden übergeben hat, damit sich jemand um ihn kümmert...“

„Es ist wichtig, dass es in den Schulen Sexualerziehung gibt"

Gerade in lateinamerikanischen Ländern gibt es viele Fälle von Schwangerschaften bei jungen Mädchen. Dazu sagte der Papst:

„Ich denke, es ist wichtig, dass es in den Schulen Sexualerziehung gibt. Sex ist ein Geschenk Gottes und nichts Monströses. Gott hat den Menschen das Geschenk der Liebe gemacht, und wenn jemand es benutzt, um Geld zu verdienen oder den anderen auszunutzen, dann ist das ein Problem. Wir müssen eine objektive Sexualerziehung haben und die Dinge beim Namen nennen, ohne ideologische Kolonisierung zu betreiben.“ Damit meinte der Papst, dass menschliche Sexualität nicht in banalisierter oder verzerrender Form im Unterricht behandelt werden darf. 

„Denn wenn man Sexualkunde in Schulen bringt, die von ideologischer Kolonisation durchdrungen ist, beschädigt man die Person", warnte Franziskus. „Als Geschenk Gottes braucht Sexualität Erziehung, das soll nicht starr geschehen. Erziehung, das kommt von ,educare', [hervorbringen, wachsen lassen], es geht darum, das Beste am Menschen zum Vorschein zu bringen und ihn auf dem Weg zu begleiten.“

Es sei für die Erziehungsverantwortlichen jedoch nicht einfach, das zu organisieren, das sei ihm bewusst, so der Papst. „Ich habe alle möglichen Dinge gesehen; es gibt Dinge, die reifen lassen, und andere, die Schaden anrichten. Ich sage das, ohne auf die politischen Probleme Panamas einzugehen: Wir brauchen eine Sexualerziehung für Kinder. Im Idealfall sollte sie zu Hause beginnen, bei den Eltern. Das ist nicht immer möglich, weil es unterschiedliche familiäre Situationen gibt oder weil sie nicht wissen, wie man es macht. Die Schule gleicht dies aus und muss es auch tun, sonst bleibt eine Lücke, die von jeder Ideologie gefüllt werden kann.“

Optionaler Zölibat ist keine Option

Auch auf das Thema Zölibat ging der Papst ein, da es in vielen lateinamerikanischen Ländern ein Problem ist, genügend Priester in abgelegenen Regionen zu finden. Konkret auf die Frage, ob verheiratete Priester wie in den Ostkirchen denkbar wären, antwortete der Papst:

„Persönlich denke ich, dass der Zölibat ein Geschenk für die Kirche ist, und ich bin nicht damit einverstanden, den optionalen Zölibat zu erlauben. Nein, das tue ich nicht. Das wäre nur in wenigen, sehr entlegenen Orten möglich, ich denke an die Pazifik-Inseln; aber es ist doch etwas, worüber man nachdenken sollte, wenn es pastorale Bedürfnisse gibt. Der Seelsorger muss an die Gläubigen denken."

Der Zölibat, sagte der Papst, „wird unter Theologen diskutiert, aber es gibt keine Entscheidung von meiner Seite. Meine Entscheidung ist: Kein optionaler Zölibat vor dem Diakonat. Das ist meine persönliche Einstellung, aber ich werde diesbezüglich nichts tun, das ist klar. Bin ich in dieser Hinsicht ein verschlossener Typ? Vielleicht, aber ich fühle mich nicht danach, mich mit dieser Entscheidung vor Gott zu stellen.“ 

„Ich habe darüber nicht nachgedacht, und ich habe nicht genug dafür gebetet“

Bei der Amazonas-Bischofssynode im kommenden Oktober im Vatikan wird auch die Frage der zölibatären Lebensform für Priester zur Sprache kommen. Im Amazonasgebiet herrscht drückender Priestermangel. Franziskus nahm konkret Bezug auf Vorschläge des früheren deutschen Bischofs Fritz Lobinger in Aliwal, Südafrika. Dieser hatte, wie der Papst resümierte, in einem Buch angeregt, in Ausnahmefällen bewährte ältere Männer zu Priestern zu weihen und sie dabei mit nur einem von drei Aufträgen („munus“) auszustatten, nämlich dem Auftrag zur Heiligung.

„Das ist die These; das Buch ist interessant und kann vielleicht helfen, wie wir auf dieses Problem reagieren sollen“, sagte der Papst. „Ich denke, das Thema muss in diesem Sinn geöffnet werden für Orte, wo es ein pastorales Problem wegen des Mangels an Priestern gibt. Ich sage nicht, dass man das so tun muss, ich habe darüber nicht nachgedacht, und ich habe nicht genug dafür gebetet. Aber die Theologen diskutieren darüber, sie müssen das studieren.“

Über den Zölibat habe er einmal mit einem Offizial aus dem Staatssekretariat gesprochen, der als Bischof in einem kommunistischen Land gearbeitet hatte, fuhr der Papst fort. „Als er sah, wie diese Revolution in den 50er Jahren immer stärker wurde, weihten die Bischöfe heimlich Bauern, gute und fromme Männer, zu Priestern. Nach dem Ende des Kommunismus, also dreißig Jahre später, war die Gefahr gebannt. Und er erzählte mir von der Freude, die er hatte, als er in einer Konzelebration sah, wie diese Bauern mit ihren Bauernhänden die Messgewänder anzogen, um mit den Bischöfen zu konzelebrieren. In der Geschichte der Kirche sind auch solche Dinge geschehen...“

„Um Drama der Abtreibung zu verstehen, muss man im Beichtstuhl sein“

Dann ging der Papst auf das Thema Abtreibung ein, das beim Kreuzweg in Panama vorgekommen war. Eine der Meditationen sprach von dem „Bauch der Mütter, aus denen man unschuldiges Leben herausreißt". Der Leib dieser Frauen sei „ein Grab, das zum Himmel schreit".

Was der Papst genau über das Thema Abtreibung sagte

„Die Botschaft der Barmherzigkeit gilt für alle", auch für Schwangere im Konflikt, hob der Papst hervor. Selbst nach einer Abtreibung gebe es Barmherzigkeit, wenngleich „eine schwierige Barmherzigkeit, denn das Problem ist nicht, Vergebung zu gewähren, sondern eine Frau zu begleiten, der bewusst geworden ist, dass sie abgetrieben hat. Das sind schreckliche Dramen." Um das zu verstehen, müsse der Priester „im Beichtstuhl sein, dort musst du Trost spenden". Deshalb habe er allen Priestern die Möglichkeit gegeben, die Abtreibung in der Beichte zu vergeben.

Frauen, die ihre Schwangerschaft abgebrochen hätten, helfe es, ihrem ungeborenes Kind zu „begegnen", sagte der Papst. „Wenn sie weinen und diese Angst haben, dann rate ich ihnen oft: Dein Kind ist im Himmel, sprich mit ihm, sing ihm das Schlaflied, das du ihm nicht hast singen können! Und dort findet sich ein Weg der Versöhnung zwischen der Mutter und ihrem Kind. Mit Gott ist die Versöhnung schon da - Gott vergibt immer. Aber auch sie, die Mutter, muss verarbeiten, wsa vorgefallen ist. Um das Drama der Abtreibung zu verstehen, muss man im Beichtstuhl sein. Schrecklich..."

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

Photogallery

Eindrücke von der Fliegenden Pressekonferenz
28. Januar 2019, 13:32