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Thomas Leoncini im Radiostudio von Vatican News Thomas Leoncini im Radiostudio von Vatican News 

„Niemand versteht Jugendliche besser als Papst Franziskus“

Erwachsene sollten sich fragen, in welcher Welt sie Jugendliche leben lassen, und warum niemand etwas tut, sie zu verstehen - bisher hat das nur Papst Franziskus getan. Das sagt der Autor des Interviewbuches „Gott ist jung“, Thomas Leoncini.

Gudrun Sailer und Alessandro Gisotti - Vatikanstadt

„Gott ist jung" entstand aus sechs Begegnungen zwischen Papst Franziskus und dem 33 Jahre alten italienischen Journalisten und Schriftsteller. Thomas Leoncini hatte davor bereits ein Interviewbuch mit dem 2017 verstorbenen polnischen Denker Zygmunt Bauman vorgelegt (auf Deutsch erschienen unter dem Titel „Die Entwurzelten: Was uns bewegt im 21. Jahrhundert“).

 

Thomas Leoncini: „Papst Franziskus hatte dieses Buch gelesen, daher kam es zu einer Privataudienz, die 15 Minuten dauern sollte. Sie wurde aber viel länger, weil sich etwas Gemeinsames entwickelte, die Idee nämlich, eine Art Rezept des Papstes aufzuschreiben; ein Rezept, das jungen Menschen helfen kann, Hoffnung zu haben in dieser Gesellschaft, die sie immer mehr verwirft.“

Hier zum Hören:

Vatican News: Beim Lesen des Buches fällt auf, dass sich der Papst den Fragen nicht entzieht, die das Leben junger Menschen ganz konkret betreffen. Da geht es um die Besessenheit für ästhetische Chirurgie, um soziale Medien, um die Ängste im Leben junger Menschen. Warum ein so breiter Ansatz?

Thomas Leoncini: „Vor einigen Tagen sagte Papst Franziskus, es falle ihm auf, wie oft er Jugendliche treffe, die zwar ganz begeistert sind von dieser Begegnung, die ihm aber nicht die Hand geben. Stattdessen machen sie ein Selfie. Es ist ja so, dass junge Menschen in einer Gesellschaft aufgewachsen sind, die sie entwurzelt, in der sie sich nutzlos und überflüssig fühlen, und die sie ausnutzt, weil sie die Märkte beeinflussen können. Sobald das ausgereizt ist, lässt die Gesellschaft die Jugendlichen im Stich. Daher glauben die jungen Leute, die einzige Chance für sie liege darin, sich so weit wie möglich anzupassen an ästhetische Vorgaben. Das ist der Punkt! Deshalb haben junge Menschen de facto keine Verantwortung. Die Erwachsenen sollten sich fragen, in welcher Welt sie die Jugendlichen leben lassen, und warum niemand etwas tut, um die Probleme der Jugendlichen wirklich zu verstehen. Denn bisher hat das nur Papst Franziskus getan. Er ist der berühmteste Mensch der Welt, der sich mit den Jugendlichen auf eine Stufe gestellt hat. Von nirgendwo sonst sehe ich da eine Hoffnung ausgehen, und das ist ein ernstes und drängendes Problem.“

„Da gibt es einen Menschen, der euch wirklich versteht, und das ist der Papst.“

Vatican News: In dem Buch lesen wir die Worte von Franziskus. Was können Sie uns über das Unausgesprochene sagen, die Gesten, die Atmosphäre, die Sie in diesen sechs Begegnungen erlebt haben?

Thomas Leoncini: „Ich greife ein Detail heraus: Er schenkte mir Wasser ein und sagte mir ich solle viel trinken. Das fand ich außergewöhnlich, diese Geste der Zuneigung, der Fürsorge, der Hoffnung. Das ist eine Geste der Hoffnung! Das ist auch ein grundlegendes Buch für mich, weil die Leute mir sagen: es gibt Hoffnung. Das ist auch Ziel des Buches, Ziel des Papstes, zu sagen: Da gibt es einen Menschen, der euch wirklich versteht, und das ist der Papst. Und das hängt nicht ab von euren religiösen Überzeugungen: ob du Atheist bist, ob du der einen oder der anderen Religion angehörst – hier schaut einer auf den Menschen.“

Vatican News: Im Oktober findet die Bischofssynode über die Jugend statt. Franziskus will ausdrücklich, dass man nicht so sehr über Jugendliche spricht als vielmehr ihnen zuhört.

„Sprecht es aus, denn er versteht euch und verurteilt euch nicht“

Thomas Leoncini: „Ich habe ja die Vorsynode der Jugendlichen im März besucht, das war schön. Der Papst war dabei. Viele junge Leute haben dort erkannt, dass sie einen echten Gesprächspartner vor sich haben, der nicht einfach dasitzt und zuhört, sondern der wirklich ein Gesprächspartner ist. Der Papst ist ein Gesprächspartner. Deshalb sage ich den Jugendlichen, die im Oktober auf der Synode sein werden: Sagt offen, was eure Schwierigkeiten sind, sagt es, denn wenn ihr es nicht jetzt tut mit Papst Franziskus, weiß ich nicht, wie viele andere Gelegenheiten es geben wird - insbesondere für die Millennials (die Generation, die zur Jahrtausendwende ins Arbeitsleben eingetreten ist, Anm.), die alleingelassen sind in der Leere, in der totalen Illusion. Tut es, sprecht es aus, denn er versteht euch und verurteilt euch nicht. Und das ist eine große Sache.“

„Gott ist jung” von Papst Franziskus und Thomas Leoncini ist auf Deutsch im Verlag Herder erschienen.

(Vatican News – gs)

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01. Juni 2018, 17:06