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Der Leib des Herrn Der Leib des Herrn 

Unser Sonntag: Die Abschiedsreden

Gott müht sich um uns, meint Sr. Anna Mirijam Kaschner, aber es liegt auch an uns, die Beziehung zu Jesus zu pflegen - beispielsweise durch den Empfang der Eucharistie.

Sr. Anna Mirijam Kaschner, Cps

5. Sonntag der Osterzeit


Joh 15,1-8

Vor einigen Wochen habe ich meinen 94jährigen Beichtvater besucht. Ich kenne ihn seit vielen Jahren und er war es, der mich 1991 in die katholische Kirche aufgenommen und gefirmt hat. Es geht ihm schon seit einiger Zeit nicht mehr gut, das Herz wird schwächer und er bereitet sich auf das Sterben, auf die Begegnung mit Gott vor.

Zum Nachhören

Ich wollte ihn noch einmal sehen und mich von ihm verabschieden. Es waren schöne Stunden, die wir miteinander verbracht haben, ich habe gebeichtet – und wir haben viel gesprochen. Zugleich lag aber auch eine gewisse Schwere, ja auch eine Feierlichkeit über dieser Begegnung, denn es war uns beiden klar, dass es das letzte Mal war, dass wir uns von Angesicht zu Angesicht sehen.

Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium im Video

Abschied im Angesicht des Todes

Was aber sagt man einander in so einer Situation? Nun, man sagt einander, was wirklich wichtig ist, das, was der andere unbedingt wissen soll. Z.b. dass man einander sehr schätzt, dass man dankbar ist für das Gemeinsam erlebte. Aber auch, was von dem, was wir erlebt haben, bleiben soll. Was den Tod des anderen überleben soll und weitergehen möge.
So ähnlich mag es vielleicht Jesus auch mit seinen Jüngern ergangen sein. Der Text des heutigen Evangeliums stammt aus den sogenannten „Abschiedsreden Jesu“. Nach dem letzten Abendmahl, kurz vor seiner Verhaftung spricht Jesus in vier langen Kapiteln zu den Jüngern.

Die letzte Gelegenheit

Es ist die letzte Gelegenheit, die er hat, um sich von ihnen als Gemeinschaft zu verabschieden und ihnen noch einmal das mitzugeben, was sie für die Zeit nach seinem Tod brauchen, was sie nicht vergessen dürfen und weitergeben sollen. Der Abschied steht bevor, und auch hier liegt eine gewisse Feierlichkeit und Schwere über dem Text.
Und wie so oft in seiner Verkündigung braucht Jesus auch hier ein Bild. „Ich bin der wahre Weinstock, mein Vater ist der Winzer, ihr seid die Reben.“

Der Weinstock...

Stellen wir uns zunächst einmal dieses Bild vor Augen. Ein Weinstock hat viele Zweige und Triebe, an denen der Winzer zur Zeit der Ernte viele reife Trauben er-wartet. Wie bei allen Pflanzen kann die Frucht nur gedeihen, wenn sie über Zweige und Stamm mit der Wurzel verbunden ist. Jesus vergleicht uns mit Reben, also mit diesen Trieben am Weinstock. Er selbst ist die Wurzel und der Stamm, der die einzelnen Reben zusammenhält und mit Nahrung versorgt, sie am Leben erhält.

...will gepflegt werden

Der Winzer kümmert sich um die Weinstöcke. Die Arbeit im Weinberg ist hart. Das wussten die Menschen zur Zeit Jesu. Aber auch heute muss man nicht unbedingt aus einem Weinanbaugebiet oder gar aus einer Winzerfamilie stammen, um sich eine Vorstellung von dem machen zu können, wovon Jesus spricht. Ständig ist der Winzer dabei, die Rebstöcke zu pflegen. Er achtet darauf, dass die Reben genug Sonne bekommen. Er prüft, welche Reben gut wachsen. Die dürren schneidet er weg, damit sie denen, die gut gedeihen nicht unnötig Kraft wegnehmen. So geht es tagein, tagaus und der Lohn der Mühen wird eine reiche Ernte und ein edler Tropfen sein.

„Gott hat uns das Leben geschenkt, damit wir etwas daraus machen.“

So müht sich Gott auch um uns. Er will, dass unser Leben Frucht bringt. Gott hat uns das Leben geschenkt, damit wir etwas daraus machen. Jeder hat besondere Talente, die er zur Entfaltung bringen kann. Gott sorgt dafür, dass jeder den Freiraum zu dieser Entfaltung hat. Er sorgt dafür, dass jede Traube genug Licht bekommt, um reifen zu können.
Diese Frucht, also die Weintrauben, werden an der Rebe wachsen. Damit sie das aber können, müssen die Reben mit dem Lebenssaft des Weinstocks versorgt werden. So wie ein Embryo im Schoss seiner Mutter über die Nabelschnur mit der Mutter verbunden ist und dadurch ernährt wird, so ist es mit den Reben und dem Weinstock. Es braucht diese Nabelschnur, diese enge Verbindung zur Nahrungsquelle, dem Weinstock, zu Jesus.

„Wer in mir bleibt und wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht“

Und genau darauf legt Jesu so viel Wert und bläut es den Jüngern am Abend vor seiner Gefangennahme nochmal ein: „Wer in mir bleibt und wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht!“. Das Wort „bleiben“ kommt im heutigen Evangelium gleich neun mal vor. Darum geht es Jesus: Wir sollen mit ihm in einer tiefen innigen Verbindung bleiben. Nur so kann er uns nähren und stärken. Wir sollen – so sagt Jesus – unsere Kraft aus ihm ziehen.

Getauft auf Jesu Tod

Bleibt in mir, sagt Jesus. Aber man fragt unwillkürlich: Um irgendwo bleiben zu können, muss ich ja erst einmal dort sein. Wie kommen wir denn überhaupt in Jesus hinein, um dann auch in ihm bleiben zu können? Nun, genau das ist in unserer Taufe geschehen. Wir sind getauft auf Jesu Tod, sagen wir. Das Untergetaucht-Werden, wie es in der Urkirche der Fall war, und wie es in einigen Gemeinden heute auch wieder praktiziert wird, macht dieses Sterben und Auferstehen mit Jesus deutlich. In der Taufe wurden wir in Jesus hineingetaucht. Und sind seitdem in ihm.

Die Beziehung zu Jesus

Unser ganzes Leben hindurch sollen wir aber in ihm bleiben. Und hier meldet sich bereits die nächste Frage: Wie geht das denn? Wie kann ich denn in Jesus bleiben? Wie kann ich denn diese Beziehung, die in der Taufe ihren Anfang genommen hat, stärken und vertiefen?
Nun da geht es in der Beziehung zu Jesus sicher nicht anders zu als in einer Beziehung zu einem guten Freund oder einer guten Freundin.Eine Freundschaft oder Partnerschaft zwischen Menschen kann nur gelingen, wenn jeder der beiden  immer wieder dem anderen zeigt, dass er ihm etwas bedeutet, in Worten und Gesten, indem man sich Zeit füreinander nimmt. Meine Beziehung mit Christus ist im Grunde genommen nichts anderes als eine Freundschaft, eine Liebesbeziehung. Um diese Beziehung mit ihm aufrecht zu halten, muss ich mir Zeit nehmen für ihn. Jeder muss selbst entscheiden, wieviel Zeit das im Einzelnen ist, wichtig ist, dass es täglich wenigstens einige Minuten sind in denen ich versuche, im Gebet bei Jesus zu sein.

Jesus immer besser kennenlernen

In Jesus bleiben, heißt also ihn wie einen Freund, wie einen Partner behandeln. Es heißt aber auch, ihn immer besser und tiefer kennenzulernen. Und dazu gibt es keinen besseren Weg, als das Lesen in der Bibel. Hier können wir Jesus im Wort selbst begegnen, hier spricht er zu uns – denn die Bibel, so glauben wir, ist ja nicht ein Buch voller Geschichten über Jesus, sondern hier spricht Gott zu uns. Es ist Gottes Wort an uns, an Sie und an mich.

Der Herr bleibt in uns

Jesus spricht aber nicht nur davon, dass wir in ihm bleiben sollen, sondern auch dass er in uns bleiben will. „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht“. Jesus will also in uns wohnen, bei uns zuhause sein. Hier ist die Feier der Eucharistie für mich der Ort, an dem Jesus immer wieder zu mir kommt, ja, in der Kommunion sogar in mich hineinkommt. Kein Mensch kommt mir jemals so nahe, wie Jesus in der Eucharistie, wenn ich ihn empfange. Aus der Kraft dieser innigen Beziehung sollen wir dann Frucht bringen, so wie die Rebe die Trauben hervorbringt. Dieses Frucht-bringen ist dann eigentlich keine extra Anstrengung der Rebe, sondern es passiert ganz von selbst. Es ist die Kraft des Weinstocks, die durch die Rebe in die Früchte fließt.

Freude bringen

Wenn ich mit Jesus verbunden bin, wenn er in mir bleibt und ich in ihm bleibe, dann wird mein Leben fruchtbar. So werden wir zu Menschen, die der Welt Freude bringen, die - wie es in einem Gebet heißt - lieben, wo man hasst, die verzeihen, wo man beleidigt, die Hoffnung wecken, wo Verzweiflung quält und ein Licht anzünden, wo Finsternis regiert.

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

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27. April 2024, 09:03