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Deutschlands Bundeskanzler Oalf Scholz (Mitte) war Gastgeber des „Compact with Africa" Gipfels am Montag in Berlin Deutschlands Bundeskanzler Oalf Scholz (Mitte) war Gastgeber des „Compact with Africa" Gipfels am Montag in Berlin 

Misereor sieht Compact Africa Gipfel in Berlin kritisch

Am Montag haben sich mehrere afrikanische Staats- und Regierungschefs in Berlin zu einer Konferenz getroffen, die während des deutschen G20 Vorsitzes vor sechs Jahren gestartet worden ist: Die Initative „Compact with Africa". Das Vorgehen und die bisherigen Ergebnise sieht Carsten Bockemühl, Experte für Afrikapolitik beim katholischen Hilfswerk Misereor Deutschland, im Interview mit Radio Vatikan skeptisch.

Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Radio Vatikan: Worum geht es bei diesem Compact Treffen?

Carsten Bockemühl, Misereor-Experte für Afrikapolitik: „Compact with Africa" ist eine politische und wirtschaftliche Initiative der Bundesregierung, die 2017 im Rahmen der deutschen Präsidentschaft der G20 erstmals aufgelegt wurde. Das grundlegende Ziel dieser Initiative ist, die wirtschaftlichen und die finanzpolitischen Rahmenbedingungen in ausgewählten afrikanischen Ländern zu liberalisieren, mehr private Auslandsinvestitionen anzulocken. Im Prinzip dafür zu sorgen, dass große Unternehmen des globalen Nordens wesentlich aktiver werden auf dem afrikanischen Kontinent, beispielsweise im Energiesektor, in der Infrastruktur, im Bergbau, im digitalen Bereich und auf diese Art und Weise - zumindest auf dem Papier - für wirtschaftliches Wachstum sorgen und Arbeitsplätze schaffen.

Hier im Audio: Carsten Bockemühl, Misereor-Experte für Afrikapolitik zum „Compact with Africa" Gipfel in Berlin (Interview von Radio Vatikan)

Was können Sie schon sagen zu den Ergebnissen?

Bockemühl: Mir fällt es ein bisschen schwer, herauszufinden, was die konkreten Ergebnisse sind. Oftmals ist es bei solch großen Politikgipfeln ja so, dass es keine konkreten Ergebnisse gibt, die der Öffentlichkeit präsentiert werden. Im Allgemeinen kann man sagen, dass diese Compact with Africa" Initiative relativ intransparent ist. Dementsprechend überrascht es nicht groß, dass zu den konkreten Ergebnissen momentan nicht viel zu sehen ist.

„Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Afrika sind im Prinzip eine Einbahnstraße“

Der Bundeskanzler, Olaf Scholz, hat angekündigt, dass die Bundesregierung noch mal vier Milliarden Euro extra für die Energiewende auf dem afrikanischen Kontinent zur Verfügung stellen möchte. Das zeigt so ungefähr, wohin die Richtung geht: Es geht um die Energieversorgung Deutschlands in vielerlei Hinsicht, was uns bei Misereor sehr besorgt: Nämlich dass Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Afrika im Prinzip eine Einbahnstraße sind und es mal wieder nur um die Extraktion und den Export von Energie und Rohstoffen geht.

Herr Scholz hat explizit afrikanische Länder dazu aufgefordert, mehr grünen Wasserstoff zu produzieren, damit dieser grüne Wasserstoff von Deutschland abgenommen werden kann. Das hat wenig mit wirtschaftlicher Transformation zu tun, sondern führt eigentlich nur das fort, was schon seit Jahrzehnten auf dem afrikanischen Kontinent passiert: Nämlich die Extraktion und die Produktion von Rohstoffen und dann der Export dieser Rohstoffe in den globalen Norden.

„Es muss um gerechte, um ehrliche Partnerschaften gehen“

Viel wichtiger wäre es, afrikanische Länder auch dabei zu unterstützen, diese Energie nicht nur nicht nur zu extrahieren, sondern damit verbunden, lokale Arbeitsplätze zu schaffen, lokale Wertschöpfung zu gewährleisten. Inwiefern das geplant ist, ist momentan sehr schwer abzusehen.

Was kritisieren Sie noch an diesem Treffen?

Bockemühl: Bei Misereor arbeiten wir mit sehr vielen Partnerorganisationen und zivilgesellschaftlichen Akteuren und Akteurinnen auf dem ganzen afrikanischen Kontinent zusammen, die regelmäßig betroffen sind - im negativen Sinne - von ausländischen Direktinvestitionen. Der afrikanische Kontinent ist natürlich Ziel westlichen Kapitals. Oftmals gehen dieses Kapital und diese Investitionen in den Bergbau und in die Extraktion fossiler Rohstoffe und damit einher gehen leider sehr, sehr, sehr oft menschenrechtliche Probleme, große Umweltschäden, Vertreibungen lokaler Gemeinden und andere Probleme.

„Einher gehen leider sehr, sehr, sehr oft menschenrechtliche Probleme, große Umweltschäden, Vertreibungen lokaler Gemeinden und andere Probleme“

Wenn man sich darum bemüht, mehr Privatinvestitionen in gerade diesen Sektoren - Energie, auch fossile Energie, Bergbau, Infrastruktur - zu mobilisieren, da ist es dann sehr wichtig, dass diese Investitionen auch gebunden sind an unternehmerische Sorgfaltspflichten, an die gängigen internationalen Standards zu Menschenrecht und Umweltschutz, an die Rechte Indigener, weil die in der Regel am wenigsten Gewinn und Profit und Wohlstand mitbekommen von diesen großen Investitionsprojekten.

Transformation vor Ort fördern

Wie sollte aus der Sicht von Misereor die Zusammenarbeit unter anderem mit Deutschland und den weiteren Teilnehmern dieses G20 Compact Treffens idealerweise aussehen?

Bockemühl: Das Wichtige für uns ist, dass das deutsche Wirtschaftsengagement und generell das Engagement innerhalb des Compacts mit afrikanischen Staaten keine Einbahnstraße ist. Es darf nicht nur darum gehen, Energie und metallische Rohstoffe zu extrahieren und dann in den globalen Norden zu bringen. Wirtschaftliche Partnerschaft muss auf der Idee der Transformation vor Ort beruhen. Es muss um gerechte, um ehrliche Partnerschaften gehen, bei denen die Schaffung von Arbeitsplätzen und von lokalen Wertschöpfungsketten, von Industrialisierung in afrikanischen Ländern, im Vordergrund steht. Das ist das Allerwichtigste, um die weiterhin bestehende Armut in vielen afrikanischen Ländern zu bekämpfen und dafür zu sorgen, dass wirtschaftliche Partnerschaft gerecht und fair und nachhaltig wirkt.

(vatican news - sst)

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21. November 2023, 16:52