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Markus Stefan Bugnyár Markus Stefan Bugnyár 

Unser Sonntag: Wo zwei oder drei...

In diesem Kommentar zum Evangelium erläutert Markus Stefan Bugnyár, warum man nicht alles gleich an die große Glocke hängen sollte und den ernsten Kontext der Aussage Jesu "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind..."

Markus Stefan Bugnyár

Mt 16,21-27 23. Sonntag im Jahreskreis A

War uns das eigentlich auch in Erinnerung, dass dieses oftmals gehörte Zitat, „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“, einen sehr, sehr ernsten Kontext hat?

Hier zum Nachhören

Das Evangelium spricht darüber, was zu tun ist innerhalb der christlichen Gemeinde, wenn ein Bruder - und natürlich auch eine Schwester - sich gegen das Leben der Gemeinde vergeht und versündigt. Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht.

Das entscheidende Stichwort lautet: „Bruder“

Das also ist der erste Schritt, den wir tun sollen: Mit jemandem das persönliche und private, das klärende Gespräch suchen, in der Hoffnung, dass mein Gegenüber, mein Glaubenspartner zur Einsicht kommt. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. Das entscheidende Stichwort lautet: „Bruder“. Ein brüderliches, ein geschwisterliches Verhalten, das man bei Differenzen innerhalb der Gemeinde an den Tag legen soll.

Zweifelhafter Ruhm durch harsche Kirchenkritik

Hier schon der erste Fingerzeig, nicht alles an die große Glocke zu hängen, nicht sofort an die Öffentlichkeit zu gehen, nicht sofort die Medien zu involvieren, sondern - und das dürfen wir uns alle gleichermaßen, auf jeder Ebene des Volkes Gottes bis in die Hierarchie ins Stammbuch schreiben - , dass wir immer und zuerst das persönliche und klärende Gespräch suchen sollen und nicht die Öffentlichkeit jener fünf Minuten Berühmtheit willen, die uns durch harsche Kritik an der Kirche ein klein wenig Ruhm in der Welt für unser kleinkariertes Ego einbringt.

Jesus auf dem Fundament des Alten Testamentes

Funktioniert das nicht, so sagt uns Jesus, wie es weitergehen soll. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Zeugen mit dir, damit die ganze Sache durch ihre Aussage entschieden wird. Jesus bleibt auch hier entschieden auf dem biblischen Fundament des Alten Testamentes, das regelt, wie in einem Gerichtsverfahren die Aussage eines Anklägers Verbindlichkeit erfährt.

Unabhängige Zeugen

Nicht dadurch, dass er selbst etwas behauptet, was alle anderen Menschen unkommentiert unhinterfragt für bare Münze nehmen müssen, sondern erst, wenn unabhängige Zeugen hinzukommen, einer oder zwei am allerbesten. Erst dann können jene, die zu Gericht sitzen, sich selbst ihre Meinung, ihr Urteil bilden, um ein Urteil zu sprechen.

Gerüchte und Behauptungen

Das mutet sehr modern an und versteht jeder Kraft logischen Nachdenkens, dennoch bleibt die Frage: Wer hält sich daran? Reicht es uns nicht oft genug, irgendwo ein Gerücht aufzuschnappen und es ungeprüft sich anzueignen, um es im nächsten Schritt tatsächlich für bare Münze zu nehmen? Erleben wir es nicht allzu oft, dass unsere Mitmenschen in eine Schublade gesteckt werden aufgrund eines diffusen Gerüchts, einer Behauptung, nur weil es irgendjemand in der Öffentlichkeit ausgesprochen hat?

Es gilt – nach Jesu Wort – den Behauptungen, den Anschuldigungen immer auf den Grund zu gehen und Zeugen hinzuzuziehen, die auch Grundlegendes zu sagen haben.

Der Dreischritt: Gespräch, Zeugen, Gemeinde

Funktioniert auch das nicht – wir haben hier einen Dreischritt vor uns: Zuerst das persönliche Gespräch, dann die zwei Zeugen hinzuzuziehen – funktioniert auch das nicht, dann muss es vor die gesamte Gemeinde gebracht werden. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei dieser Bruder, diese Schwester, die gesündigt hat, für alle in der Gemeinde wie „ein Heide und ein Zöllner“.

Nun, Heiden und Zöllnern gehören nicht zur Gemeinde. Sie waren Ausgeschlossene kraft ihres Berufes, dank ihrer Lebensentscheidung. Sie kollaborierten mit den anderen, der Besatzungsmacht, den Römern, oder waren Teil eines anderen Glaubenssystems, das mit den eigenen Überzeugungen nichts gemein hatte.

Heiden und Zöllner sind ausgeschlosen

Als Heide und Zöllner zu gelten, bedeutet, aus der Gemeinde ausgeschlossen zu sein, fast schon ausgestoßen. Niemand redet mit dir, alle verachten dich und meiden den Kontakt. Das ist in der damaligen Zeit lebensrelevant, wichtig in sozialen Beziehungen, in Netzwerken zu stehen; das ist auch uns Heutigen einsichtig. Der Kontakt mit den Anderen erst ist es, der uns unsere Stellung innerhalb der menschlichen Gesellschaft zugesteht. „Gehöre ich nicht dazu? Bin ich ausgestoßen? Stehe ich am Rand?“ dann bedeutet das nicht nur eine soziale Ächtung, sondern tatsächlich auch bereits den gesellschaftlichen Tod.

Sünde quasi moderner Lifestyle 

Diese Redewendung kennen wir auch in unserer Sprache und Zeit. Man lebt und ist dennoch nicht existent für die anderen. In einer Zeit, in der die Exkommunikation durch die Kirche für viele Zeitgenossen beinahe ein Kompliment formuliert, ist derlei natürlich schwer einschätzbar.
In einer Zeit, in der Sünde als solche kaum mehr thematisiert wird im öffentlichen Reden der Kirche, in einer Zeit, in der das, was wir für Sünde halten, die Welt um uns herum im Grunde genommen als den modernen Lifestyle versteht. In einer solchen Zeit muten diese biblischen Texte schon sehr veraltet und antiquiert an.

Evangelium als Handlungsanleitung

Und dennoch: Lesen wir sie, nehmen wir sie ernst, sehen wir, welche Gedanken und Strukturen dahinter stecken, dann sind sie auch heute noch in einer Zeit, die sich vollkommen aus sozialen Netzwerken definiert, eine brauch- und belastbare Handlungsanleitung für unser zwischenmenschliches Gestalten und Leben.

Sucht den persönlichen Kontakt; klärt Meinungsverschiedenheiten zuerst und immer untereinander.
…und wenn das nicht gelingt, dann zieht Zeugen hinzu.

Hier stellt sich gegen Ende aber eine entscheidende Frage: Was berechtigt jemanden überhaupt, über andere zu Gericht zu sitzen? Vielleicht hat ja der Beschuldigte Recht und nicht der Ankläger. Vielleicht weigert sich der Beschuldigte ja zu Recht, die Sichtweise seines Anklägers zu übernehmen, weil sie tatsächlich nicht zutrifft. Auch das lässt sich klären durch die Zeugenschaft der anderen, die per definitionem unabhängig und neutral sein müssen.

Binde- und Lösegewalt ging an einen Einzelnen: Petrus

Wir haben dieses Wort der Heiligen Schrift, „Was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein. Was wir auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.“, zwei Kapitel zuvor im selben Evangelium desselben Matthäus Petrus zugesprochen gehört und nicht über der Gemeinde.

An erster Stelle wurde diese Binde- und Lösegewalt einem Einzelnen zugesprochen, dem Petrus und allen seinen Nachfolgern, den heutigen Päpsten in einer langen Reihe der Tradition und Sukzession und dasselbe, dieselben Vollmachten werden hier einer Gemeinde zugesprochen.

Der Fingerzeig Jesu ist eindeutig; in unserer Zeit nochmals mehr. Niemand existiert für sich alleine betrachtet als Monade. Wir alle gemeinsam hineingestellt in eine große Gemeinschaft von Glaubensgeschwistern, aber auch in eine lange Abfolge derer, die vor uns gelebt und geglaubt haben, deren Zeugnis und deren Weitergabe der Heiligen Schrift wir selber heute unseren Glauben verdanken.

Die Altvorderen hören

Wir können nicht, weil wir als Menschen immer vorläufig sind und einen eingeschränkten Blickwinkel haben, der sich durch unsere Herkunft, Tradition und Erziehung ergeben mag, / wir können nicht als Einzelne uns die Freiheit nehmen, über andere zu urteilen.

Wir tun immer gut daran, das Zeugnis der Altvorderen zu hören. Wir tun immer gut daran, einen Blick in die überlieferten Texte zu werfen, zu denen sich viele Menschen vor uns bereits - weitaus begabter, intelligenter und heiliger als jeder Einzelne von uns - schon Gedanken gemacht hat.

Tradition beachten

Wir tun immer gut daran, das Gesamt der Tradition im Blick zu behalten, um wirklich belastbare Entscheidungen zu treffen, die im Hier und Heute einzelne Personen betreffen, im Gesamt aber, der Kirche, Auswirkungen haben auch auf die nachfolgenden Generationen.

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ So endet das heutige Evangelium. Oftmals meint unsere Zeit, dass wir es sind wenn wir zusammenkommen zum Gottesdienst – und dass es zwei oder drei sind, ist in manchen Gegenden ja durchaus auch schon der Normalfall – dass wir es sind, die durch unser Zusammenkommen und unser Feiern im Grunde genommen die Gegenwart Jesu erzeugen, fast schon herbeizwingen, weil er nicht anders könne, als sich zu uns dazuzugesellen, sobald zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind.

Wo zwei oder drei... - es ist immer Christus, der ruft

Das stimmt so nicht, denn die zwei oder drei, die sich in Jesu Namen versammeln, zum gemeinsamen Beten, Singen und Eucharistie feiern - diese zwei oder drei kommen ja nicht zusammen, weil sie von selber auf diese Idee gekommen wären.

Sie finden den Weg zueinander, weil sie bereits davor auf den Namen Jesu Christi getauft worden sind. Er ist es, der uns zusammenruft, zusammenführt zu einer Gemeinschaft.

Er ist unsere Motivation und unser Movens.

Er ist es, der am Anfang und am Ende steht von allem dessen, was wir tun.

Und dennoch müssen wir zugeben, dass wir das sehr oft aus dem Blick verlieren, dass wir eher regelmäßig als selten über andere urteilen und zu Gericht sitzen, ohne auf diese Handlungsanweisung Jesu im heutigen Evangelium zu achten.

(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)

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09. September 2023, 09:07