Suche

Franziskus bei einer Begegnung mit italienischen Bischöfen Franziskus bei einer Begegnung mit italienischen Bischöfen  (Vatican Media)

Theologin: Synodaler Prozess birgt Chancen für Kirche

Papst Franziskus erweitert mit der Weltsynode die traditionellen Wesensmerkmale der Kirche. Das hat die in Dresden lehrende österreichische Theologin Prof. Andrea Riedl jetzt bei einem Vortrag in Salzburg unterstrichen.

Darin legte Riedl die vielfältigen Chancen dar, die der aktuelle Synodale Prozess für Theologie und Kirche mit sich bringt. Sie referierte auf Einladung der Salzburger PRO ORIENTE-Sektion zum Thema „Schlaglichter auf die Synodalität der Kirche“.

Mit dem weltweiten synodalen Prozess sei auf Initiative von Papst Franziskus den vier traditionellen „notae ecclesiae“ (Wesensmerkmale der Kirche) - Einheit, Heiligkeit, Apostolizität und Katholizität - gewissermaßen eine fünfte nota hinzugefügt worden: das ekklesiologische Leitprinzip der Synodalität, so Riedl.

„Werdeziele und einzulösende Ideale“

Historisch gesehen seien die Wesensmerkmale der Kirche immer schon dann Kritiken ausgesetzt gewesen, wenn sie als reale Kennzeichen der wahren Kirche und damit als Ist-Zustand verstanden werden sollten. „Denn dass die Kirche nicht eins ist, zeigt die christlich-konfessionelle Landschaft von nicht miteinander in Gemeinschaft stehenden Kirchen; dass sie nicht heilig ist, dafür muss man nicht einmal die zahlreichen Beispiele der Kirchengeschichte bemühen, sondern dafür reicht ein Blick auf die derzeitigen Missbrauchsskandale in der Kirche“, so Riedl.

Wenn man die Wesensmerkmale der Kirche hingegen als „Werdeziele und einzulösende Ideale“ versteht, so Riedl unter Zitierung des deutschen Theologen Heinrich Döring, könne gerade die Ökumene als wichtige Triebfeder dafür dienen, „dass nicht nur die Einheit der Kirche, sondern auch alle anderen Wesensmerkmale nach Kräften einzulösen sind“. Es sei eine schöne Aufgabe der Kirchengeschichte als theologische Disziplin, sich dieser Realität der Kirche und der Frage zu widmen, ob und wie sie ihrem eigenen Anspruch im Lauf der Geschichte gerecht geworden ist.

Drei Prinzipien 

Drei Prinzipien sind dabei laut Prof. Riedl besonders zu beachten. Erstens sei wohl davon auszugehen, dass die Vergangenheit zwar vollkommen anders, aber ähnlich komplex gewesen sein mag wie die Gegenwart. Zweitens sei Geschichte mehr als nur ein lineares Begründungsschema der heutigen Wirklichkeit. Dies werde insbesondere darin deutlich, „dass es üblich war und auch heute ist, eine reiche kirchliche Tradition für durchaus unterschiedliche Gegebenheiten zu bemühen“, so Riedl: „Dass die Kirche eine noch viel intensiver zu erforschende synodale Tradition hat, steht außer Frage. Allerdings gab es - um ein Beispiel zu nennen - im 11. Jahrhundert zur Zeit der so genannten Gregorianischen Reform ebenfalls eine reiche Tradition gewissermaßen des Gegenteils, indem die Zurückdrängung übermäßigen Einflusses von Laien in und auf die Kirche breitenwirksam propagiert wurde.“

Bemerkenswert sei drittens auch die kirchengeschichtliche Erkenntnis, dass die Vierzahl der traditionellen „notae ecclesiae“ gelegentlich je nach Erfordernis von Zeit und Theologie ergänzt wurde: Die bereits erwähnte Gregorianische Reform habe etwa die „libertas ecclesiae“ - die Freiheit der Kirche von weltlichem Einfluss verkündet und gefördert. Martin Luther habe die vier „notae“ kritisiert und mit einer Ekklesiologie der Reformation überschrieben, auf die wiederum Robert Bellarmin einige Jahrzehnte später mit seinen insgesamt 15 gegenreformatorisch ausgerichteten „notae“ reagierte. Riedl: „So konnten die ,notae‘ der Kirche auch zu Abgrenzungsmerkmalen und Grenzziehungen werden. Sie mussten nicht unbedingt eine feststehende Größe darstellen, sondern waren (und sind) gebunden an das jeweilige Kirchen- und Glaubensverständnis.“

Andrea Riedl ist seit 2020 Fachbereichsleiterin für Kirchengeschichte an der Technischen Universität Dresden. Ihre Forschungsarbeiten wurden u.a. mit dem renommierten Franz J. Vogel-Preis für Kirchengeschichte (2018) und dem Preis der Gesellschaft zum Studium des Christlichen Ostens (2017) ausgezeichnet. Sie ist Beraterin der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz und gehört dem Vorstand von PRO ORIENTE an.

(poi – pr)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

19. Juni 2023, 13:59