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Prof. Dr. Dr. Ralph Weimann Prof. Dr. Dr. Ralph Weimann 

Unser Sonntag: Der Blick auf Gott

Prof. Weimann geht davon aus, dass es Menschen gibt, die zur Kirche kommen, um einen schönen Rahmen zu finden. Das Wesentliche für das Christsein aber sind Umkehr und der Blick auf Gott.

 

Prof. Dr. Dr. Ralph Weimann

Joh 14,15-21

Sechster Sonntag in der Osterzeit (A)

Liebe Brüder und Schwestern,

in dieser österlichen Zeit, in der der Jubelruf des Hallelujas, also der Lobpreis auf den Herrn, die Kirchen erfüllt, weisen die biblischen Lesungen auf jene Aspekte hin, die notwendig sind, damit die Osterfreude im Leben der Gläubigen gegenwärtig bleibt. Was nämlich nützt das feierliche Osterhalleluja, wenn es sich lediglich um eine leere Tradition handelt, die aber ohne einen Bezug zum eigenen Leben bleibt?

Hier zum Nachhören

Diese Problematik ist heute weit verbreitet. Menschen kommen zur Kirche – wenn sie noch kommen – um einen schönen Rahmen zu finden, weil es früher auch so war, oder sie fühlen sich von etwas angesprochen und wollen sich in der auf sie hin zugeschnittenen Feier „wiederfinden.“ Was aber ist wesentlich und worauf kommt es an, wenn der Glaube nicht eine leere Tradition sein soll? Was verleiht dem Glauben Lebendigkeit? Darauf gibt der Herr im heutigen Evangelium Antwort, die jedoch grundlegend anders ausfällt, als man es vermutlich erwarten würde.

Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium im Video


Umkehr und der Blick auf Gott

Der Herr Jesus Christus wendet sich im Evangelium an seine Jünger, also an alle, die bereit sind, ihm zu folgen. Er weist darauf hin, worauf es ankommt, um in der Gemeinschaft mit Gott zu bleiben. Bevor wir darauf näher eingehen können, muss etwas Grundlegendes in Erinnerung gerufen werden, womit sich vor allem der moderne Mensch schwertut.
Nach christlichem Verständnis steht am Anfang nicht der Mensch, mit seinen Vorlieben, Wünschen, Ideen, Veranlagungen, usw. Nach christlichem Verständnis steht am Anfang das göttliche Wort (vgl. Joh 1,1). Alles ist durch dieses Wort geschaffen und alles kommt von diesem Wort. Nur dieses Wort führt zum ewigen Leben, weil nur Gott Worte ewigen Lebens hat; dieses Wort ist Gott.

„Umkehr als Grundbedingung für das Christsein besteht darin, dass der Christ jenem Weg folgt, der Jesus Christus ist und den er geoffenbart hat“

Die innere Logik des Gesagten wird deutlich mit einem Blick auf die menschliche Existenz. Sie ist begrenzt und endlich, der Tod kommt unaufhaltsam auf uns zu. Nur durch Gott kann der Mensch zum ewigen Leben gelangen. Daher besteht die erste Voraussetzung für das Christsein darin, umzukehren (vgl. Mk 1,15), zuerst auf Gott zu blicken. Auf diese Weise erhält das ganze Leben von Gott her eine neue Richtung. Auch aus diesem Grund wurde das Christentum zu Beginn als „Weg“ bezeichnet, der darin besteht, Christus nachzufolgen. Umkehr als Grundbedingung für das Christsein besteht darin, dass der Christ jenem Weg folgt, der Jesus Christus ist und den er geoffenbart hat (vgl. Apg 9,2).

"Getaufte Heiden" 

Wer nicht bereit ist, diese neue Sichtweise anzunehmen, mag zwar formell Christ geworden sein, aber im Herzen bleibt er ein Heide. Er lebt wie ein Heide, wenn auch als „getaufter Heide.“ Diese Problematik ist heute aktueller denn je. Wie viele getaufte Heiden gibt es in der Kirche? Schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte Joseph Ratzinger auf diese Gefahr hingewiesen, als er einen Aufsatz über die Neuen Heiden in der Kirche veröffentlichte.
Auch wenn sie in unserer Zeit besonders deutlich zu Tage tritt, ist diese Problematik als solche nicht neu. Schon der Apostel Paulus hatte darauf hingewiesen, dass es nicht in erster Linie um das äußere Dazugehören zur Kirche geht, sondern um die „Beschneidung“ des Herzens durch den Geist Gottes (vgl. Röm 2,29). Das aber bedeutet die Annahme eines Lebensstils, der dieser neuen Wirklichkeit entspricht. In diesem Sinn kann niemand sagen er sei Christ, wenn er nicht christlich lebt. Und genau darüber spricht der Herr im heutigen Evangelium.

Glaube an Gott – Treue zu seinen Geboten

Er wendet sich an seine Jünger und sagt zu ihnen: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll“ (Joh 14,15-16). Dieser Satz hat einen reichen Bedeutungsgehalt, zu dem hier nur einige kurze Hinweise gegeben werden können.
Eine wahrhaftige Beziehung, sollte von Liebe getragen. Liebe wiederum ist keine Liebe im christlichen Sinn, wenn sie nicht in der Wahrheit gründet. Wahrheit und Liebe bedingen einander, das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Der Apostel Paulus hat dies wie folgt ausgedrückt: „Wir wollen, von der Liebe geleitet, die Wahrheit bezeugen und in allem auf ihn hin wachsen. Er, Christus, ist das Haupt“ (Eph 5,15). Auch wenn dies theoretisch klingen mag, so ist es doch weit mehr als bloße Theorie, denn es geht um die Beziehung zum lebendigen Gott.

„Gott ist keine Chiffre, kein abstraktes Gedankengebilde, sondern der Grund unseres Seins.“

Gott ist keine Chiffre, kein abstraktes Gedankengebilde, sondern der Grund unseres Seins. Wer in einer intakten Beziehung zu ihm stehen möchte, der muss sich auch an jene Wahrheit halten, die er geoffenbart hat. Die Liebe ist hingeordnet auf die Wahrheit und in der Treue zur geoffenbarten Wahrheit zeigt sich die Liebe.
Der Herr macht deutlich, dass die Treue zu seinen Geboten der Beweis dafür ist, dass jemand ihn liebt. Umgekehrt heißt das, wer seine Gebote ablehnt oder meint, sie außer Kraft setzen zu können, liebt Gott nicht. Diese Aussage erhält neue Aktualität vor dem Hintergrund vielfältiger Forderungen nach Ablehnung der Gebote, die als „überholt“ und „überwunden“ bezeichnet werden, so als ob man sich nicht mehr nach ihnen zu richten brauche.

„Immer war die Versuchung gegenwärtig, mehr auf den Zeitgeist als auf den Heiligen Geist zu hören“

Derartige Abweichungen hat es zu allen Zeiten gegeben und immer war die Versuchung gegenwärtig, mehr auf den Zeitgeist als auf den Heiligen Geist zu hören. Dies zeigt sich beispielsweise in den Aussagen des Apostels Paulus gegenüber den Galatern, wo es heißt: „Ich bin erstaunt, dass ihr euch so schnell von dem abwendet, der euch durch die Gnade Christi berufen hat, und dass ihr euch einem anderen Evangelium zuwendet. Es gibt kein anderes Evangelium, es gibt nur einige Leute, die euch verwirren und die das Evangelium Christi verfälschen wollen. Was ich gesagt habe, das sage ich noch einmal: Wer euch ein anderes Evangelium verkündet im Widerspruch zu dem, dass ihr angenommen habt - er sei verflucht“ (Gal 1,6-7.9). Gerade in unserer Zeit ist diese Problematik sehr aktuell. Die Treue zu den Geboten Gottes zählt wenig, Gläubige, die daran festhalten, werden in die Nähe des Fundamentalismus gerückt.

Leben nach den Geboten Gottes

Doch, wie das heutige Evangelium bekräftigt, verhält es sich in Wahrheit genau umgekehrt: niemand kann sagen, dass er Gott liebt, wenn er nicht nach seinen Geboten lebt. Der Herr fügt daher noch ein zweites Mal hinzu: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren“ (Joh 14,21). Es gibt also einen untrennbaren Zusammenhang von der Liebe zu Gott und der Treue zu seinen Geboten. So, wie Liebe in jeder intakten Beziehung nur dann funktionieren kann, wenn sie treu ist, so auch im Hinblick auf Gott. Das Gesagte führt zu einer weiteren Konsequenz, von der das Evangelium spricht.

Der Geist der Wahrheit

Der Herr verspricht denen, die ihn lieben – also nach seinen Geboten leben – den „Geist der Wahrheit“ (Joh 14,17). Und er fügt hinzu, dass die Welt ihn „nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt“ (Joh 14,17). Damit ist kein Dualismus gemeint, vielmehr spiegelt sich darin wider, was es bedeutet, Christ zu sein. Der Christ zeichnet sich dadurch aus, dass er in Gemeinschaft mit Gott lebt. Diese Gemeinschaft setzt einen gewissen Lebensstil voraus, ohne den jede Gemeinschaft auf Sand gebaut wäre.
Durch die Gemeinschaft mit Gott – die vom persönlichen Leben nicht zu trennen ist – wird der Christ teilhaftig an Gott. Aus dieser Teilhabe erwächst jene Erkenntnis, die denen, die verloren gehen Torheit ist, „uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft“ (1 Kor 1,18). Der Apostel Paulus beschreibt im ersten Brief an die Korinther jene Kraft Gottes – den Heiligen Geist – die denen zuteilwird, die an Gott teilhaftig werden; dies setzt wiederum die Gemeinschaft mit Gott voraus.

„Anteil an Gott kann jedoch niemand haben, der nicht in Treue an den Geboten Gottes festhält.“

Wenn demnach jemand behaupten würde, die Gebote Gottes seien überholt, man schäme sich dafür, zugleich aber meint, man habe den Heiligen Geist, ist das ein nicht hinnehmbarer Widerspruch zum Evangelium. Im Gegenteil betont das Evangelium, dass der Geist Gottes denen zuteilwird, die Anteil an Gott haben. Anteil an Gott kann jedoch niemand haben, der nicht in Treue an den Geboten Gottes festhält.
Dem Gesagten liegt eine einfache Logik zugrunde: einem wildfremden Menschen offenbart man normalerweise nicht sein Inneres und sollte es auch nicht. Wenn aber eine vertrauliche Beziehung vorhanden ist, dann ist es sehr wohl möglich, auch verborgene Dinge mitzuteilen. Im Hinblick auf Gott verhält es sich sehr ähnlich.
Das Evangelium lädt uns ein, diese Vertrautheit mit Gott zu suchen, vor allem im Gebet, den Sakramenten und in der Anbetung. Sie setzt jedoch voraus, dass wir in Treue an seinen Geboten festhalten, denn wer seine Gebote „hat und sie hält, der ist es, der“ ihn liebt (Joh 14,21).

(radio vatian - redaktion claudia kaminski)

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13. Mai 2023, 11:00