Suche

Franziskus sieht den deutschen Synodalen Weg kritisch, organisiert aber einen vergleichbaren Prozess auf Weltebene Franziskus sieht den deutschen Synodalen Weg kritisch, organisiert aber einen vergleichbaren Prozess auf Weltebene  (ANSA)

D: „Synodalität steht gerade mal am Anfang“

Der Synodale Weg hat sich große Reformen erhofft – doch an vielen Stellen ist das Reformprojekt der katholischen Kirche in Deutschland nicht so weit gekommen wie erhofft.

Der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Söding, sieht den Prozess der Synodalität jedoch erst am Anfang. Das gelte auch für das Miteinander mit Rom, sagte der Theologe dem Kölner Domradio in einem Interview.

Interview

Der Synodale Weg wurde im März mit der fünften Synodalversammlung in Frankfurt erst mal beendet. Die Dokumente sind alle verfasst und abgestimmt. Ist das Thema jetzt abgehakt?

„Synodalität steht gerade mal am Anfang. Wir haben eine erste Phase abgeschlossen. Wir haben Zeichen gesetzt. Wir wissen, wohin der Weg geht. Aber wir müssen die Nachhaltigkeit noch organisieren. Wir sind gut aufgestellt, aber die Umsetzung muss noch kommen.“

„Zuversichtlich, dass wir das Rom gegenüber vermitteln können“

Die Dokumente sind unterzeichnet. Da geht es zum Beispiel um den Segen für homosexuelle Paare oder die Beteiligung des Gottesvolkes an der Bischofswahl. In Paderborn und Osnabrück aber merkt man, dass das gar nicht so einfach umzusetzen ist, weil vom Vatikan bei jeder Reformidee ein Einspruch kommt. Waren die ganzen Ausarbeitungen damit für die Katz?

„Wir gehen die Sache sehr seriös an. Das heißt, wir orientieren uns genau an den Beschlüssen des Synodalen Weges. Ihre zwei Beispiele möchte ich gerne aufgreifen: Zur Beteiligung des Kirchenvolkes an der Bestellung von Bischöfen haben wir gesagt, dass es eine Musterordnung braucht, die die Konkordate penibel einhält und dann im Gespräch mit allen Beteiligten auslotet, wie stark die Beteiligung des Kirchenvolkes gesteigert werden kann. Die Antwort haben wir noch nicht fix. Um sie zu sichern, brauchen wir eine gewisse Zeit. Es wird aber nicht zu lange dauern.

Bei den Segensfeiern ist es ähnlich. Beschlossen ist, dass man sich über Formen verständigt, in denen diese Segensfeiern gestaltet werden können. Nicht das Ob, sondern das Wie steht auf der Tagesordnung. Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir das auch Rom gegenüber vermitteln können.“

„Ich bin sicher, dass man Bedenken ausräumen kann“

Also, es geht nicht um ein Ja oder Nein, sondern um die Ausgestaltung, was dann von Rom keinen Widerspruch findet?

„Ich bin sicher, dass man, wenn man konkret wird, auch Bedenken, die geäußert worden sind und die wir von römischer Seite her wahrnehmen, ausräumen kann. Ich nehme als Beispiel den Synodalen Rat. Da ist gesagt und geschrieben worden, es scheine so zu sein, als ob der Bischof eine Art ‚Frühstücksdirektor‘ seiner Diözese wird. Das ist meine Formulierung. Oder dass der Synodale Rat auf Bundesebene eine Art Oberbehörde über die Bischofskonferenz werde.

Da können wir sagen: Es scheint vielleicht so, aber es ist nicht so und wird auch nicht so sein. Allerdings muss eine Grundentscheidung getroffen werden. Wir müssen schauen, dass wir aus diesem rein monarchischen Bischofsverständnis herauskommen und in ein partizipatives, in ein synodales Verständnis von Kirche hineinkommen.“

Wie kann diese Synodalität organisiert werden?

Die Kritiker sagen, den von Rom untersagten Synodalen Rat führen Sie nicht ein, aber die Vorstufe des Synodalen Ausschusses. Gibt man dem Kind damit nicht einfach einen anderen Namen und macht trotzdem genau so weiter?

„Die Synodale Ausschuss hat drei Aufgaben. Die erste Aufgabe ist die Evaluation der Beschlüsse des Synodalen Weges: Wie läuft die Umsetzung? Zweitens muss er mit den vielen Themen sorgsam umgehen, die als Problemthemen identifiziert worden sind, aber noch nicht in der zurückliegenden Zeit bearbeitet werden konnten. Drittens gilt es in der Tat darum, sich darüber zu verständigen, was eigentlich Synodalität heute und morgen heißt. Was heißt es in Deutschland, in Europa, in der Welt? Wie kann diese Synodalität organisiert werden?
Da gibt es gewisse Benchmarks, die gesetzt worden sind – zum Beispiel, dass gemeinsames Beraten und gemeinsames Entscheiden zusammengehören. Aber wie dies vermittelt wird, muss erst ausgearbeitet werden. Und das wird auch überzeugend ausgearbeitet werden.“

Wie weit sind denn die Vorbereitungen für den Synodalen Ausschuss im Moment?

„Die Menschen, die in diesem Synodalen Ausschuss mitarbeiten wollen und werden, sind bestimmt. Wir haben eine sehr große Auswahl unter sehr engagierten Menschen aus der katholischen Kirche gehabt, die sich dieser Arbeit, die nicht nur vergnügungssteuerpflichtig sein wird, stellen wollen. Das zeigt für mich noch einmal, wie viel Kompetenz im Raum der katholischen Kirche unterwegs ist. Die Diözesanbischöfe werden alle Mitglied sein, auch 27 vom ZdK gewählte Mitglieder - und dann noch einmal 20 weitere.

Wir wissen jetzt, wann die erste Sitzung sein wird. Wir wissen, wie diese Arbeit organisiert werden muss. Aber bei allen Vorbereitungen, die selbstverständlich jetzt schon laufen, müssen wir auch Respekt vor diesem Synodalen Ausschuss selbst haben. Er gibt sich selber seine Agenda. Die muss vorbereitet sein. Aber die Entscheidung wird im November getroffen werden.“

„Nicht unser Konkurrenzprojekt“

Parallel läuft auch der weltweite synodale Prozess. Da waren Sie selber beim kontinentalen Treffen in Prag dabei. Im Moment ist die Vorbereitung für das erste Treffen in Rom im Herbst. Wie blicken Sie darauf? Was erwarten Sie davon? Man könnte ja fies sagen, das sei Ihr Konkurrenzprojekt.

„Nein, das ist nicht unser Konkurrenzprojekt! Für mich ist es ein deutliches Zeichen, dass die katholische Kirche anerkennt, dass sie in einer schlechten Verfassung ist. Diese schlechte Verfassung mache ich am Missbrauchs-Syndrom fest. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Dahinter steckt ein tiefer liegendes Problem, nämlich wie die sehr stark betonten Rechte des Papstes einerseits und der Bischöfe andererseits in ein konstruktives Verhältnis zu den viel weniger ausgeprägten Rechten aller Gläubigen gesetzt werden.

Jetzt, mitten im 21. Jahrhundert, sind wir so weit, dass die Gläubigen sich organisieren wollen und können. Diese hergebrachte Unterscheidung zwischen der lehrenden und der lernenden Kirche wird in vielerlei Hinsicht differenziert. Das ist eine Riesenchance für die katholische Kirche. Ich sehe alle Kontinente als Orte, an denen im Moment gezeigt wird: So wie jetzt, geht es nicht weiter. Wir brauchen neue Formen, katholische Kirche zu sein.“

Was erwarten Sie denn konkret für Veränderungen?

„Für mich gehören Form und Inhalt immer zusammen. Das hat sich bislang auch auf jedem Kontinent gezeigt. Ich meine aber, dass es durchaus lohnend ist, die Frage zu fokussieren, wie man eigentlich als katholische Kirche zusammenkommt, wie man in Gemeinsamkeiten des Beratens und Entscheidens oder des Hinhörens, des Urteilens, aber auch des Handelns und der Verantwortung hineinkommt. Ich glaube nicht, dass es da ein Weltmodell für die ganze katholische Kirche gibt. Aber ich glaube, dass sehr viel mehr an Partizipation möglich ist, als gegenwärtig vorgesehen ist.

„Australien, Lateinamerika und Deutschland als synodale Lernorte“

Wie blicken Sie denn auf die synodalen Bestrebungen in anderen Ländern? Was sehen Sie da im Vergleich zu Deutschland?

„Es gibt eine weltweit ganz starke Bewegung, einen sehr intensiven Austausch. Ich sehe vor allen Dingen drei Orte, an denen synodale Erfahrungen nicht nur konzipiert, sondern auch gesammelt worden sind. Die Orte sind Australien, Deutschland und Lateinamerika.

In Australien hat man versucht, mit den vorgefertigten Formen des Kirchenrechts zu agieren. Man hat gesehen, dass man nur zu guten Prozessen gekommen ist, weil die Formen stark ausgeweitet und verändert worden sind. Es gibt in Lateinamerika eine viel längere Tradition, vor allen Dingen auch in der Organisation einer kontinentalen Kirche. Davon sind wir in Europa noch Stück weit entfernt. Wir können noch enorm viel von Lateinamerika lernen. In Deutschland haben wir diese spezielle, auf Organisation, auch auf Theologie beruhende Form eines Miteinanders – eines diskursiven, aber auch spirituellen Miteinanders von Bischöfen und anderen Gläubigen, das formal wie inhaltlich ein ganz besonders Profil zeigt. Einige finden das zwar nicht ganz so gut, aber sehr viele finden es auch ausgezeichnet.“

Nicht so gut findet dies der Vatikan, oder?

„Das kann man so nicht sagen. Es gibt ein viel größeres Feld. Es ist unglaublich wichtig, dass man wieder stärker miteinander spricht, dass man wechselseitig aufeinander hört, dass man nicht nur Briefe schreibt.“

„Ich vertraue auf den Prozess“

Der Konflikt scheint größtenteils mit Deutschland zu bestehen. Ist das ein Mentalitätsproblem? Sind das zwei unterschiedliche Mentalitäten, die da aufeinanderprallen?

„Ich will nicht spekulieren, dass Deutschland aufgrund seiner Geschichte immer im besonderen Fokus steht. Im Moment besteht die Chance, dass man in der katholischen Kirche die unterschiedlichen Erfahrungen sammelt, die zu unterschiedlichen Erwartungen führen.

Die Entscheidung, dass man nicht schon im Oktober 2023 fertig sein will, sondern sich noch ein weiteres Jahr gönnt, zeigt in meinen Augen, wie groß die Baustelle ist, auf die sich die katholische Kirche jetzt begibt. Aber Gott sei Dank begibt sie sich darauf. Ich vertraue auf den Prozess und ich glaube, dass wir am Ende mit einer synodaleren Struktur der katholischen Kirche aus diesem Prozess herauskommen.“

Sie stehen auch selber in Kontakt mit Rom. Hören Sie Aussagen, dass das in Deutschland nicht doch vielleicht Sinn macht?

„Sobald man in Rom in Gesprächen auf die Ebene der theologischen Argumentation kommt, sobald man von Angesicht zu Angesicht redet, sobald man auch über die spirituellen Erfahrungen, die ja sehr kontrovers sind, redet, sobald man die Innenperspektive mit der Außenperspektive verschaltet, bewegt sich etwas. Ich sage nicht, dass dann der Triumphmarsch in Rom angespielt wird. Nein, wir in Deutschland müssen auch sehr stark lernen. Wir haben das immer gesagt. Wir machen das auch. Wir lernen von den Prozessen, die in anderen Ländern stattfinden. Wir sind ein Teil der katholischen Kirche, aber wir wollen eben auch unsere Stimme erheben.“

(domradio – sk)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

26. Mai 2023, 16:40