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Nach eigener Aussage ein Alt-68er: Kardinal Schönborn Nach eigener Aussage ein Alt-68er: Kardinal Schönborn 

„Österreich als Vermittler im Ukraine-Krieg“

Kardinal Christoph Schönborn hat dafür geworben, Österreichs Neutralität als Chance zu sehen, um im Ukrainekrieg als Vermittler aufzutreten.

Es gelte, die Neutralität „positiv zu nützen“ und sich als „Plattform und Ort für Friedensverhandlungen“ anzubieten, sagte der Wiener Erzbischof am Palmsonntag in der ORF-Pressestunde. Gelungen sei dies schon öfters in der Geschichte, zuletzt 2015 bei den Syrien-Gesprächen zwischen dem damaligen US-Außenminister John Kerry und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow - auch wenn dieser Versuch damals letztendlich scheiterte.

Zu Friedensverhandlungen müsse Russland von den Großmächten herausgefordert werden, so der Kardinal weiter. Anzustrebendes Ziel sei dabei ein „gerechter Friede“, der sich im Respekt des Rechtes des angegriffenen Landes äußere. Dazu gelte es, geschehenes Unrecht wiedergutzumachen und Kriegsverbrechen auch beim Namen zu nennen. Als einen besonderen „Skandal“ nannte Kardinal dabei die Verschleppung tausender ukrainischer Kinder nach Russland.

Zerstörtes ukrainisches Flugzeug in Hostomel am Samstag
Zerstörtes ukrainisches Flugzeug in Hostomel am Samstag

„Keine moralische Neutralität“

Österreichs Neutralität dürfe jedoch nicht missverstanden werden als „moralische Neutralität“, warnte der Kardinal. Er sei froh, dass Österreich im Ukrainekrieg „klar Position bezogen“ habe und Recht und Unrecht beim Namen nenne. Es handle sich um einen mutwillig von Russland ausgelösten, „durch nichts zu rechtfertigenden aggressiven Angriffskrieg“ gegen ein „freies, souveränes Land“.

Als „fundamentalen Unterschied“ zu anderen Angriffskriegen wie etwa denjenigen der USA auf den Irak sah der Wiener Erzbischof, dass der damalige US-Präsident George Bush offen kritisiert werden konnte, während man in Russland dafür Kritik oder Benennung des Krieges als Überfall im Gefängnis lande.

Schönborn berichtete auch von seinem kürzlichen Gespräch mit dem Moskauer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt in Wien, der wegen seiner Kriegs-Kritik schon im März 2022 Russland verlassen musste. Ein Drittel der Juden Russlands hätten es ihm mittlerweile nachgetan – „weil sie sich bedroht fühlen“, so der Kardinal.

Pinchas Goldschmidt im Oktober letzten Jahres mit dem Papst
Pinchas Goldschmidt im Oktober letzten Jahres mit dem Papst

Gegen „Ideologie des heiligen Russlands“

Große Sorge äußerte der Wiener Erzbischof in diesem Zusammenhang über die Rolle und Position der russisch-orthodoxen Kirche. Das Gespräch mit der russisch-orthodoxen Kirche sei „tasächlich sehr schwierig“. Dessen Führer, Patriarch Kyrill, vertrete eine schon öfters geäußerte „Ideologie des heiligen Russlands“, mit Moskau als „neues Rom“ - nur „jetzt mit der verschärften Version, dass der Westen der Satan ist“.

Von der Moskauer Kirche habe es schon vor dem Krieg Versuche gegeben, eine „kirchliche Allianz gegenüber Entwicklungen im bösen Westen“ zu schließen, wobei auch er selbst und die kirchliche Stiftung „Pro Oriente“ angefragt worden seien, berichtete Schönborn. Die russische Seite habe dabei unter anderem auf bestimmten Veränderungen im Familienbild oder im Bereich der Homosexualität abgezielt. Schönborn gab an, er habe den damaligen Außenamtschef und jetzigen Patriarchen Kyrill und Metropolit Hilarion gewarnt, dass es sich hier um eine „Sackgasse“ handle und Schwarz-Weiß-Denken der falsche Weg sei.

Patriarch Kyrill von Moskau
Patriarch Kyrill von Moskau

Sorge um „Verlust der Mitte“

Angefragt auf seine Position zur niederösterreichischen Landespolitik erklärte der Kardinal, er beobachte den „Verlust der Mitte“ nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen europäischen Ländern mit Sorge. „Beide staatstragenden Parteien haben in Österreich eine Krise“, konstatierte Schönborn und sagte: „In Krisenzeiten sind Radikalisierungen und Populismen immer eine Gefahr“.

Er hoffe, „dass trotzdem etwa jetzt in Niederösterreich die Mitte stark genug bleibt, dass wir nicht in radikale Positionen abrutschen, die letztlich den Menschen unseres Landes nicht guttun“.

Unterstützung für Klimademonstanten

Verständnis und Unterstützung äußerte Schönborn dennoch für jugendliche Klimademonstranten. Er selbst könne deren „Wut“ gut nachempfinden und teile auch ihre Sorgen. „Ich bin ein Alt-68er und habe selbst an Studentendemonstrationen teilgenommen“, bekannte der Kardinal. Damals sei es ebenfalls um lebensbedrohende Themen, wie etwa die atomare Rüstung und die Stationierung von Atomwaffen in Europa gegangen. „Das hat uns junge Menschen extrem besorgt. Deshalb sind wir auf die Straßen gegangen.“ Auch die jungen Klimaaktivisten sähen sich als Betroffene der drohenden Veränderungen der Zukunft. Es sei für ihn offensichtlich, „dass der Klimawandel mit unserem Verhalten etwas zu tun hat“, sagte Schönborn.

Eine Grenze der Proteste sah der Kardinal dort erreicht, wo Gewalt ins Spiel komme. „Schon als Jungrevoluzzer war das meine Position: Gewalt lehne ich ab.“ Zu seiner Jugendzeit seien damals Schüsse gefallen und die Terrorgruppe Baader-Meinhoff habe Menschen umgebracht. Das habe für ihn das Ende der Proteste bedeutet, so der Wiener Erzbischof.

In Rom haben Klima-Aktivisten von "Last Generation" am Samstag schwarze Farbe in einen Brunnen vor der Spanischen Treppe gekippt
In Rom haben Klima-Aktivisten von "Last Generation" am Samstag schwarze Farbe in einen Brunnen vor der Spanischen Treppe gekippt

Hinsichtlich der sozialen Frage mahnte Schönborn, „dass die Verlierer dieser Krise nicht aus dem Blick geraten dürfen“. Die Kirche äußere sich über ihre Caritas, „die Enormes leistet“ und auf die „Druckpunkte“ hinweise. So geben es ein „Auseinanderdriften zwischen Reich und Arm“ und die Caritas liefere der Politik auch Vorschläge, um dem entgegenzuwirken. Besonders gefordert sah der Kardinal hier die Sozialpartnerschaft, die „nicht schwächeln“ dürfe, damit die Sorgen der Bevölkerung ausreichend wahrgenommen würden.

(kap – sk)
 

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02. April 2023, 14:30