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Isabelle Allmendinger ist Ordensfrau und Ärztin in einem Krankenhaus Isabelle Allmendinger ist Ordensfrau und Ärztin in einem Krankenhaus 

Isabelle Allmendinger: Die Ordensfrau mit dem Stethoskop

Ordensfrau und Ärztin – es ist eine Balance, die Schwester Isabelle Allmendinger täglich finden muss. Seit 2019 ist sie bei den Salvatorianerinnen, doch dass sie ihren Glauben in Gemeinschaft leben wolle, war ihr schon viel früher klar. Wie sie ihren Weg gefunden hat und immer weiter findet, erzählt sie im Interview mit Vatican News.

Franziska Gömmel – Vatikanstadt

Dass es in ihrem Leben „Mehr“ geben muss merkt Isabelle Allmendinger mit 21 Jahren. Sie ist gerade mitten im Medizinstudium und besucht mit einer Freundin Taizé. Seit acht Jahren kommt sie immer wieder hierher, weil sie merkt, dass die Zeit in Taizé sie verändert. In einem Gesprächskreis kommt die Frage auf: „Was ist das Wichtigste im Leben?"

„Und da haben die meisten jungen Erwachsenen gesagt: Gute Freundschaften, gute Beziehungen, Geld, ein guter Beruf. Und für mich war in diesem Moment plötzlich klar: Gott soll den ersten Platz in meinem Leben haben. Einerseits habe ich gespürt: Es stimmt – und andererseits war ich auch überfordert davon. Was heißt das denn jetzt?“

Die Brüder in Taizé ermutigen Allmendinger, „an dieser Frage dranzubleiben“, aber sich davon nicht überfordern zu lassen. Also studiert sie weiter, geht ihrem Alltag nach. Doch die Frage nach ihrer Berufung lässt sie nicht los. Während ihres Auslandssemesters in Basel lebt sie dann zum ersten Mal mit einer Ordensgemeinschaft, mit den Jesuiten. Dort erlebt sie Exerzitien und lernt das Ordensleben und die Spiritualität der Gemeinschaft kennen.

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„Ja, ich habe viel erreicht. Aber da muss noch mehr sein“

Nach dem Studium nimmt sie eine Stelle als Assistenzärztin in einem deutschen Krankenhaus an und stellt fest: „Ja, ich habe ganz viel erreicht. Aber diese Berufungsfrage, diese Frage nach der Lebensform, die ist noch nicht geklärt... und irgendwie – da muss doch mehr sein.“

Sie entscheidet sich, der Suche nach diesem „Mehr“ Raum zu geben: Ende 2017 kündigt Isabelle Allmendinger ihre Stelle im Krankenhaus und geht für mehr als ein Jahr zur „Zukunftswerkstatt“ der Jesuiten in Frankfurt am Main, einem Projekt des Jesuitenordens, das jungen Menschen Auszeiten und Exerzitien anbietet, in denen sie ihre Berufung finden können. Neben ihrer Berufung möchte Allmendinger hier auch Ordensfrauen und ihre Gemeinschaften kennenlernen. Bislang – in Taizé und bei den Jesuiten – hatte sie es immer mit Männerorden zu tun.

Unter den Schwestern, denen sie in der Zukunftswerkstatt begegnet, ist die Salvatorianerin Melanie Wolfers. „Ich habe diese Frau erlebt und habe gedacht: Wow, wenn so eine Frau, die so stark ist und so eine Ausstrahlung hat, in einem Orden Platz hat, dann muss ich mir die Gemeinschaft mal anschauen.“

„Ich werde es nicht herausfinden, wenn ich immer nur zu Besuch hingehe“

Also fährt Allmendinger immer wieder zu den Salvatorianerinnen nach Wien und bemerkt: „Melanie Wolfers ist nicht die einzige lebensfrohe Salvatorianerin, sondern das sind Frauen, die so sehr im Leben stehen und zugleich einfach auch eine Spiritualität leben, die mich sehr anspricht. Und so habe ich mich entschieden: Ich werde es nicht rausfinden, wenn ich dort jetzt immer nur zu Besuch hingehe.“

Also beginnt sie 2019, mit Anfang 30, ihre Ordensausbildung mit dem Postulat. Allmendinger will herausfinden, „ob diese Gemeinschaft mit dem zusammenpasst, wie ich meinen Glauben leben möchte“. Relativ schnell bemerkt sie, „dass ich da reinpasse, dass das stimmig ist und dass ich das Gefühl habe: bei den Salvatorianerinnen kann ich ich selber bleiben und gleichzeitig darin wachsen“. Dabei schätzt sie besonders die Eigenständigkeit und die Freiheiten, die ihr das Leben bei den Salvatorianerinnen bietet, ebenso die Herzlichkeit, mit der die Schwestern einander begegnen.

Nach dem Postulat entscheidet sich Isabelle Allmendinger, beim Orden zu bleiben. Für zwei Jahre wird sie Novizin und lebt mit zwei, später einer anderen Novizin und vier weiteren Schwestern der Salvatorianerinnen zusammen. Im ersten Jahr zieht sie sich zurück, betet und reflektiert, beschäftigt sich mit Entscheidungsfindung und durchläuft die großen Exerzitien.

Große Exerzitien „waren ein Riesengeschenk“

„Die großen Exerzitien waren ein Riesengeschenk: so nah am Leben Jesu noch mal die eigene Berufung zu prüfen und sich rufen zu lassen in diese Nachfolge. Und das eben für mich dann spürbar immer konkreter: als Salvatorianerin. Ich erinnere mich (ich habe erst vor kurzem mein Tagebuch wieder gelesen) dass ich gerade in der letzten Woche der Exerzitien, wo es eben um die Auferstehung und die Sendung geht, ganz stark gespürt habe: Ich möchte Botin der Auferstehung sein, als Salvatorianerin. Das war für mich am Ende der Exerzitien eine ganz starke Erfahrung.“

Nach dem Noviziat legt Sr. Isabelle ihr erstes Gelübde ab – das bindet sie für zwei Jahre an den Orden, danach kann sie es verlängern. Das ist jetzt ein Jahr her. Mittlerweile hat sie angefangen, wieder als Ärztin zu arbeiten.

Viele Salvatorianerinnen arbeiten in weltlichen Berufen, beispielsweise – wie Sr. Isabelle – im Gesundheitsbereich oder in der Bildung. Die jüngeren Salvatorianerinnen in Österreich tragen auch kein Ordenskleid, sondern lediglich eine Kette, auf der das Ordenskürzel „SDS“ steht. Diese relativ moderne Form des Ordenslebens erkennen nicht alle Menschen als solches an.

Schwester und Ärztin zugleich – ein ständiger Balanceakt

Sr. Isabelle selbst nimmt es als Herausforderung wahr, Ärztin und Ordensfrau gleichzeitig zu sein: „Ich spüre als Ärztin trotzdem immer wieder, dass ich geistlich unterwegs bin und dass ich als Ordensfrau unterwegs bin – denn natürlich, rein äußerlich, sieht man es mir nicht an. […] Das heißt, es geht um eine Haltung, die ich einübe. Eine Rückbesinnung, immer wieder: Wie möchte ich mit Menschen umgehen? Wie gehe ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen um? Und wie kann meine Gottesbeziehung immer wieder auch so mitten im Alltag Raum finden? Und das gelingt mal mehr, mal weniger. […] Es gibt Momente, die ich inzwischen auch bewusster mit Gott verbinde. Zum Beispiel, wenn ich Menschen abhöre, wenn ich die Lunge oder den Bauch abhöre. Da bin ich ja sehr im Hören, und da gelingt es mir meistens, dass ich mich in diesen Momenten, wo ich Menschen abhöre, auch daran erinnere, aus welcher Haltung heraus des Hörens ich leben möchte.“

Was ihr dabei hilft, diese Haltung zu finden und zu bewahren, sind „stille Wochenenden“: „So habe ich einfach auch für mich etabliert, dass ich mir mindestens alle vier bis sechs Wochen Zeit nehme für das Wochenende, wo ich wirklich auch wegfahre und ganz in der Stille bin und wieder mehr ins Beten und Reflektieren komme, weil es immer eine Quelle ist, aus der ich lebe.“

Gemeinsam beten, frühstücken und beisammensein

Wenn sie nicht gerade auf einem solchen stillen Wochenende ist, lebt Sr. Isabelle in Wien mit vier Salvatorianerinnen zusammen. Insgesamt gibt es in der österreichischen Hauptstadt 37 Schwestern des Ordens, doch aus praktischen Gründen sind sie in Kommunitäten aus fünf bis sieben Ordensfrauen aufgeteilt. Die Wohngemeinschaften beten und frühstücken zusammen und treffen sich jede Woche zum Gemeinschaftsabend. Die anderen Schwestern, die in Wien leben, treffen sich auch regelmäßig, zum Beispiel bei Gottesdiensten. Festtage wie Weihnachten oder Ostern feiern sie ebenfalls gemeinsam.

Sr. Isabelle Allmendinger mit ihrer Gemeinschaft (c) Sr. Heidrun Bauer SDS
Sr. Isabelle Allmendinger mit ihrer Gemeinschaft (c) Sr. Heidrun Bauer SDS

Es sind Tage, die viele Menschen mit ihrem Partner oder ihren Kindern verbringen. Darauf verzichtet Sr. Isabelle mit dem Eintritt in den Orden ganz bewusst. Für sie ist das keine Entscheidung gegen eine eigene Familie, sondern eine Entscheidung für etwas anderes. Besonders schätzt sie deshalb Freundschaften, die sie intensiv pflegt. „Und ich glaube, wenn ich diese Beziehungen nicht hätte, könnte ich es wahrscheinlich auch nicht so gut leben.“ Außerdem genießt sie die Freiheiten, die ihr das Ordensleben gibt und die sie mit einer eigenen Familie so nicht hätte: „Dass ich einmal im Monat ein stilles Wochenende machen kann, dass ich Exerzitienkurse planen kann, dass es immer wieder auch spannend werden kann in meinem Ordensleben. Wo werde ich sein? Wo kann ich mich vielleicht weltweit einbringen? Das ist alles viel leichter zu organisieren, weil ich nicht an einen Ort, eine Partnerschaft oder eine Familie gebunden bin.“

Trotzdem sei da manchmal diese Lücke, „die immer wieder auch schmerzt. Aktuell arbeite ich auf der Gynäkologie, wo ich täglich sehe, wie Kinder auf die Welt kommen und wie schön auch Partnerschaft sein kann. Das sind Sternstunden, auch von der Partnerschaft. Wenn ein Kind zur Welt kommt, wo ich durchaus spüre, worauf ich verzichte...“

„Ich spüre eine Stimmigkeit mit dem, was ich gerade erlebe“

Anzweifeln oder gar bereuen tut sie ihre Entscheidung für den Orden deshalb aber nicht. Zwar sei es für sie „immer wieder ein Ringen mit den Gelübden“, in dem sie hinterfrage, ob sie den richtigen Weg gewählt habe.

„Und zugleich spüre ich die Stimmigkeit in dem, was ich gerade erlebe, wo ich ja merke, dass es passt. […] Es macht mich glücklich, mit meinen Mitschwestern in die gleiche Richtung zu schauen, immer wieder im Gebet verbunden zu sein, auch inspiriert zu werden von der Weise, wie sie geistliches Leben leben. Diese Zeiten der Stille zu haben. Und ich merke schon, ich habe unglaublich viel gewonnen durch dieses Ordensleben. Ich merke auch: Es macht mich zutiefst glücklich, Menschen auch geistlich zu begleiten.“

Isabelle Allmendinger bei der Übergabe der Professzeichen nach Ende des Noviziats
Isabelle Allmendinger bei der Übergabe der Professzeichen nach Ende des Noviziats

Geistliche Begleitung als zweites Standbein

Diese Begleitung bietet sie aktuell im Projekt „ImPulsLeben“ der Salvatorianerinnen an und organisiert Pilgerfahrten und Exerzitienwochenenden für junge Erwachsene.

„Das ist mein zweites Standbein als Ärztin, das ich nicht missen möchte. Ich bin eben nicht nur Ärztin, sondern für mich steht über allem das Begleiten. Und da merke ich: Das erfüllt mich zutiefst, Menschen auf ihrem Weg zu begleiten. […] Das war für mich auch ganz klar, als ich mich entschieden hatte, wieder als Ärztin zu arbeiten, […] weil ich auch von dem System wirklich sehr enttäuscht bin – es ist einfach ein Durchschleusen von Patienten, und wenig wirkliche Zuwendung ist möglich. Es war klar, wenn ich als Ärztin wieder arbeite, brauche ich auf jeden Fall andere Standbeine, wo ich Menschen begleiten kann und wo es nicht darum geht, nach Effizienz zu schauen.“

Bis sie die ewigen Gelübde ablegen kann, dauert es noch mindestens vier Jahre. Eine Zeit, in der sie das „Mehr“ in ihrem Leben weiter finden kann – als Ärztin, als Salvatorianerin und als geistliche Begleiterin.

(vatican news)

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27. April 2023, 15:27