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D: Freiburger Missbrauchsstudie sorgt für Erschütterung

Die Ergebnisse der Missbrauchsstudie in Freiburg haben weit über die Diözese hinaus für Betroffenheit gesorgt. Besonderes Gewicht erhalten die Vorwürfe, weil der ehemalige Erzbischof Freiburgs, Robert Zollitsch, von 2008 bis 2014 auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz war.

Die Betroffeneninitiative Eckiger Tisch bescheinigte Erzbischof Zollitsch (2003-2014) in einer ersten Reaktion, er habe mit „hoher krimineller Energie ... über Jahrzehnte Verbrechen seiner Priester an hunderten von Kindern und Jugendlichen vertuscht und vor der Justiz verborgen gehalten“.

Er habe zwar als erster deutscher Bischof im Februar 2010 Betroffene um Vergebung gebeten, doch wisse man erst jetzt, dass er selbst der Vertuschung schuldig gewesen sei. Dafür, dass er weltliches wie kirchliches Recht gebeugt habe, werde er allerdings nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden können. „Ein schwarzer Tag für den Rechtsstaat“, so die Initiative, der auch die exemplarische Vorstellung von 24 Fällen in anonymisierter Form nicht weit genug geht. Dabei komme aus „Sicht von Betroffenen ... die konkrete Aufklärung von Verbrechen zu kurz“.

Namen von Tätern und Beschuldigten hätten veröffentlicht werden sollen und konkrete Aufarbeitung müsse auch mithilfe von staatlichen Institutionen weitergehen, so die Forderung des Eckigen Tischs, der auch der Justiz in der Vergangenheit ein „nachlässiges und nachsichtiges Verhalten“ vorwirft. Betroffene müssten nicht nur informiert, sondern auch angemessen entschädigt werden, schließt die Mitteilung des Eckigen Tischs.

„Perverses Verhalten und Handeln“

Johannes Norpoth, Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Bischofskonferenz, sprach im Kölner Portal domradio.de von „perversem Verhalten und Handeln“. Es sei alleine um Machterhalt und Systemsicherung gegangen: „Da zählt das vernichtete Leben eines Kindes keinen Cent.“

Lang andauerndes System

Auch Zollitschs Vorgänger im Amt, der mittlerweile verstorbene Erzbischof Oskar Saier (1978-2002), kommt in der Studie nicht gut weg. Bei beiden sei der Schutz der Institution Kirche und der Täter über allem gestanden, sagten die Autoren am Dienstag bei der Vorstellung ihres 600-Seiten-Berichts. Während der Amtszeit Saiers hatte Zollitsch bereits als Personalreferent eine verantwortungsvolle Position inne. Dem aktuellen Erzbischof Stephan Burger wurde kein Fehlverhalten zur Last gelegt. Er hatte sich erschüttert über die Ergebnisse der Untersuchung gezeigt.

Staat sollte bei Aufarbeitung stärker einbezogen werden

Unterdessen sprach sich auch die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, dafür aus, die Rolle des Staates bei der Aufarbeitung sexueller Gewalt zu stärken. Der Bericht mache „erneut und sehr schonungslos deutlich“, dass es zu lange vor allem um den Schutz der Institution Kirche gegangen sei.

Dem stimmt die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs zu. Ihrer Ansicht nach müsse der Staat eine größere Rolle bei der Aufklärung spielen. Kommissionsmitglied Heiner Keupp forderte, Betroffenen den Zugang zu Akten sowie einen Anspruch auf Auskunft und auf Beratungsangebote zu garantieren. 

24 Fälle exemplarisch vorgestellt

Für die Studie hatten unabhängige Fachleute, darunter Juristen und Kriminologen, beispielhaft 24 Fälle von 1945 bis in die Gegenwart untersucht. Sie hatten Zugang zu allen Personalakten der Priester des Erzbistums. Zusätzlich werteten sie Protokolle aus und befragten 180 Zeugen - darunter Betroffene und Beschuldigte.

(pm/kna - cs)

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19. April 2023, 13:44