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Fußballkapitäne werden keine One-Love-Armbinden tragen, verkünden die europäischen Fußballverbände in einer gemeinsamen Erklärung Fußballkapitäne werden keine One-Love-Armbinden tragen, verkünden die europäischen Fußballverbände in einer gemeinsamen Erklärung  

Bischof Oster: Fußball-WM in Katar differenziert betrachten

Die Fußball-WM in Katar spaltet: für die einen ist es ein Sportspektakel, das erstmals in einem muslimischen Land stattfindet, für die anderen ein No-Go, da die Menschenrechte in dem arabischen Land mit Füßen getreten werden. Der deutsche Sportbischof Stefan Oster sieht die WM-Debatte differenzierter, wie er im Gespräch mit Radio Vatikan sagt.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Das Eröffnungsspiel am Sonntag zwischen Katar und Ecuador war eine Premiere in vielerlei Hinsicht. Sportlich ist es so, dass erstmals das Gastland sein erstes Spiel verloren hat und politisch, weil noch vor dem Schlusspfiff das Stadion fast leer war und viele Polemiken mit sich brachte. Der für den Sport beauftragte Bischof der Bischofskonferenz (DBK), Stefan Oster, hatte aber nicht Zeit, sich direkt damit auseinanderzusetzen:

„Ganz ehrlich gesagt: Ich war gar nicht so wirklich beteiligt, weil ich in den letzten Tagen so viel unterwegs war und so viel beschäftigt war mit anderen Themen. Wir waren ja als Bischofskonferenz in Rom und haben unmittelbar danach dann gleich die Sitzung des Ständigen Rats gehabt, sodass ich das wirklich nur am Rande mitbekommen habe.“

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Er habe mitbekommen, dass das Eröffnungsspiel der Gastgeber Katar verloren hat - und dass offensichtlich viele Menschen aus dem Stadion gegangen seien, noch bevor das Spiel aus war. „Darüber macht sich jetzt die Welt Gedanken und ansonsten bin ich gespannt, wie sich die Deutschen schlagen“, fügt Bischof Oster an. Allerdings merke er auch, dass durch die ganzen Umstände, in denen die WM stattfinde, sein persönlichen Interesse „doch deutlich zurückgeschraubt“ sei.

DFB-Trainer Hansi Flick im Spiel gegen Japan
DFB-Trainer Hansi Flick im Spiel gegen Japan

Sechs europäische Teams wollten als Zeichen für Toleranz die One-Love-Binde bei der WM tragen. Sie haben sich aus Angst vor Sanktionen dagegen entschieden, auch die deutsche Nationalmannschaft. Dazu Bischof Oster:

„Wenn die Binde ein Zeichen dafür ist, dass das eine gesellschaftliche Gleichbehandlung von Menschen aufgrund ihrer Würde und ihrer persönlichen Entscheidung sein soll, oder im Sinne von Selbstbestimmung, wie jeder Mensch lebt und in welchen Beziehungen er wie lebt, dann ist es natürlich sinnvoll, dass es in dieser Weise eine Selbstbestimmung gibt.

Wenn wir als Katholiken draufschauen und dann auch mit den Augen des Gläubigen und uns fragen, was unser Glaube, was unsere Offenbarung ist, dann differenzieren wir natürlich auch.“

Und dann müsse man das Thema One-Love „zumindest differenziert“ behandeln, „weil wir sagen, dass wir natürlich mit dem Sakrament der Ehe die Beziehung von Mann und Frau in einer Ehe anders sehen als andere Beziehungen“, präzisiert Bischof Oster: „Da gibt es von uns dann auch einen Unterschied.“

Aber wenn es um die gesellschaftliche Debatte gehe, „auch noch mal aus religiöser Sicht“, dass jeder Mensch die gleiche Würde hat und von Gott unbedingt geliebt ist, dann sei dies ebenfalls eine wichtige Debatte, die damit angestoßen werde.

„Das hat natürlich einen schlechten Beigeschmack“

Zu den anderen kritischen Themen, wie es zu dieser WM gekommen ist, bzw. auch wie die Stadien gebaut wurden und den Fragen der Menschenrechte, sagt der Passauer Bischof:

„Da ist aus meiner Sicht die entscheidende Bestimmung vor zwölf Jahren gefallen, als die Fifa die WM nach Katar vergeben hat. Es gibt ja nicht wenige Hinweise dafür, ganz offensichtlich, dass es auch nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, oder dass es eine gekaufte WM ist, weil Katar ja international noch nie als Fußballnation in Erscheinung getreten ist und die Infrastruktur ja überhaupt noch nicht vorhanden war.“

Auf einmal habe man die WM an eines der reichsten Länder der Welt vergeben. „Das hat natürlich einen schlechten Beigeschmack“, so Bischof Oster weiter. Und trotzdem, wenn man jetzt dann fragt, soll man heute denen, die sich das ansehen, ein schlechtes Gewissen einreden - oder soll man denen, die da Fußball spielen, ein schlechtes Gewissen machen -, dann habe er seine Probleme damit, „weil es auch um die Freude an Sport insgesamt geht. Dass sich nachher die Entwicklungen als so schwierig oder katastrophal herausgestellt haben, vor allem für diese Migranten, die dort als Arbeiter in dieser Weise eingekauft, unterdrückt und manche sagen, versklavt wurden, das sind natürlich katastrophale Bedingungen, die dann vorherrschen“.

Das Ganze sei differenziert zu betrachten, je nach der Frage, die man dazu stelle, so Bischof Oster.

Die erste Fußball-WM in einem muslimischen Land

Es ist das erste Mal, dass eine Fußball-WM in einem muslimischen Land stattfindet, das heißt, auch eine religiöse Dimension ist zu beachten. Die Fifa ihrerseits möchte die religiösen Themen aus dem Turnier heraushalten. Dennoch: etliche Spieler machen ein Kreuzzeichen, wenn sie auf dem Spielfeld sind oder heben ihre Arme in die Höhe, wenn sie ein Tor schießen. Sind das nicht Zeichen von Spiritualität im Sport? Dazu Bischof Oster:

„Na ja, ich weiß jetzt nicht, ob wenn ein Spieler sich bekreuzigt, dies schon Spiritualität ist. Natürlich ist es so: je gläubiger ein Mensch ist, desto mehr wird sein ganzes Leben davon erfasst. Und da sehen wir beim Fußball auch Menschen, die ihr ganzes Leben davon erfassen lassen und damit auch den Bereich oder die Leute, die das gar nichts angeht. Also das ist ja eine Sache jedes Einzelnen.“

Im Allgemeinen könne man sagen, dass Fußball „vielleicht für viele Menschen“ auch so was wie eine Ersatzreligion geworden sei. „Da kann man ja viele Parallelen finden“, so der deutsche Sportbischof: „Man feiert gewissermaßen einen bestimmten Tag in der Woche, an dem man ins Stadion geht und dann seinen Helden huldigt und Lieder singt, die einen auch emotional begeistern, anrühren. Man erlebt das Drama von Sieg und Niederlage. Es werden auf dem Platz gewissermaßen Heilsgeschichten oder Unheilsgeschichten erzählt und man lässt sich da hineinnehmen. Da kann man schon viele religiöse Bezüge finden, die das vergleichbar machen und die vielleicht für manchen dann Fußball zu einer Pseudoreligion machen, was natürlich aus unserer Sicht dann wieder schwierig ist.“

Aber in einer säkularen Gesellschaft sei es so. Mit Katar habe man jetzt ein muslimisches Land und dass dort die Fragen gestellt würden, wie Leben und Glauben zusammengehören „oder eben auch nicht“, sowie dass das in die Diskussion komme, das sei eigentlich noch mal verständlicher, weil sich im Christentum und im sogenannten Abendland oder im Westen dies auch im Laufe der Geschichte herausgestellt oder herauskristallisiert habe…

„…dass es gewissermaßen eine Eigenständigkeit von Welt und weltlichen Bezügen und von Politik gibt, die nicht automatisch schon immer, schon von vom Glauben oder von der Kirche vereinnahmt ist“, so Bischof Oster.

Die Kommerzialisierung des Sports

Das sei aber auch eine lange Entwicklung innerhalb der religiösen Geschichte des Westens gewesen, und die habe so aus seiner Sicht in den muslimischen Ländern nicht in derselben Weise stattgefunden. Deswegen sei das dort noch stärker verknüpft, oder noch schwieriger, die Dimensionen auseinanderzuhalten. „Und vielleicht gibt es deswegen auch von den muslimischen Machthabern in Katar diese Probleme mit der One-Love-Binde“, findet Bischof Oster.

Dass es Profisport gibt, sei nicht einfach an sich schlecht, führt der Sportbischof weiter aus. Was das Ganze schlecht oder korrumpierbar mache, sei die dramatische Kommerzialisierung, die immer mehr und unter das Diktat des Geldes gestellt wird.“ Das mache den Sport am Ende sogar kaputt. „Wenn der Mammon diktiert, alles diktiert, dann verleidet es einem auch die Freude am Sport“, so das Fazit des Bischofs.

Er hoffe, dass die WM in Katar eine Lernerfahrung für alle, die in diesem Land sind, sein werde:

„Ich glaube, dass es schon nicht so einfach ist, wenn wir, Leute aus dem Westen, dort hinfahren und uns als kulturell überlegen fühlen und dann auch so geben. Also ich glaube schon, dass es auch dazu gehört, die Kultur und auch den Glauben des Landes zu respektieren.“

Manuel Neuer im Spiel gegen Japan
Manuel Neuer im Spiel gegen Japan

Das bedeute aber nicht, dass man nicht auf Probleme hinweisen dürfe, fügt er an. Er sei selber nie in Katar gewesen und kenne die die konkreten Zustände vor Ort nur vom Hörensagen oder das, was die Medien jetzt berichten:

„Ich würde eigentlich lieber gerne, wenn ich, bevor ich darüber urteile, dort hinfahren, die Menschen dort kennenlernen und dann mir nach und nach ein Urteil bilden. Jetzt bin ich darauf angewiesen, dass ich über die Medien auch schon wieder gefilterte Wahrnehmungen von mir gebe. Aber das würde ich mir wünschen: Den gegenseitigen Respekt vor der Kultur der anderen, die Freude daran, eine andere Kultur kennenzulernen und dann auch, dass die Begeisterung am Fußball deutlich werden kann, dass die Menschen sich trotz allem vertragen, auch wenn ihre Mannschaften verlieren: dass das Ganze ein friedliches Fußballfest wird.“

Sein Tipp für das Finale der WM: „Frankreich scheint aus meiner Sicht jetzt rein von den Spielern und von der Mannschaft her die besten Chancen zu haben. Das haben sie am Dienstag auf dem Spielfeld auch gezeigt. Sie sind ja Titelverteidiger. Ich wünsche natürlich, dass unser deutsches Team auch weit kommt - und vielleicht sogar Weltmeister wird.“

(vatican news)

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23. November 2022, 09:56