Suche

Kardinal Kurt Koch Kardinal Kurt Koch 

Kardinal Koch: Kyrill wollte „strategische Allianz“ mit Rom

Kurienkardinal Kurt Koch hält eine Papst-Reise in die Ukraine derzeit für unwahrscheinlich: „Von einer Zugreise nach Kiew raten die Ärzte ab.“ In einem Interview kritisiert er den Synodalen Weg in Deutschland und erklärt, warum er früher über das Frauenpriestertum anders dachte als heute.

„Patriarch Kyrill ist der Überzeugung, es sei die besondere Sendung Russlands, die christlichen Werte gegenüber dem dekadenten Westen zu schützen“, berichtet der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch in einem Interview mit der „NZZ am Sonntag“ (25. September). 

Kyrill habe ihm bei einem Moskau-Besuch „eine strategische Allianz ­zwischen Moskau und Rom zur Verteidigung dieser Werte“ vorgeschlagen. Dies habe er abgelehnt. „Ich kannte Kyrills Vorstellungen. Trotzdem hätte ich nicht damit gerechnet, dass er so weit geht und diesen Angriffskrieg legitimiert. Dies hat mich sehr überrascht.“

„Ich kannte Kyrills Vorstellungen. Trotzdem hätte ich nicht damit gerechnet, dass er so weit geht und diesen Angriffskrieg legitimiert.“

Der Moskauer Patriarch sei „an sich eine nette Persönlichkeit“, berichtet der vatikanische Ökumene-Verantwortliche. „Er legte beispielsweise viel Wert darauf, dass ich an der Feier zu seinem 70. Geburtstag in Moskau teilnehme.“ Allerdings habe Kyrill „bei jeder Begegnung“ die griechisch-katholische Kirche in der Ukraine kritisiert, die mit Rom uniert ist. „Patriarch Kyrill hat ihr vorgeworfen, orthodoxe Gläubige abzuwerben. Ich habe das jeweils zurückgewiesen.“

„Der Papst ist voller Tatendrang“

Nach wie vor gebe es keine „konkrete Rückmeldung“ auf das Angebot des Papstes, nach Moskau zu reisen und Präsident Putin und Patriarch Kyrill zu treffen. Eine Reise nach Kiew hält Kurt Koch für unwahrscheinlich: „Von einer Zugreise nach Kiew raten derzeit die Ärzte ab. Der Papst ist zwar voller Tatendrang, aber sein Knieleiden zwingt ihn immer wieder in den Rollstuhl.“

Kurt Koch begrüßt in dem Interview Waffenlieferungen an die Ukraine: „Ein absoluter Pazifismus, der zuschaut, wie Gewalt angewendet wird, ist nicht christlich. Wenn ungerechte Gewalt geschieht und ich eingreifen kann, muss ich eingreifen. Der Papst hat auf der Rückreise von Kasachstan Waffenlieferungen an Kiew als moralisch vertretbar bezeichnet, wenn es darum geht, Opfer von Aggressionen bei der Selbstverteidigung zu unterstützen.“

Überzeugt, dass die Kirche Zukunft hat

Trotz sinkender Mitgliedszahlen ist der Kurienkardinal überzeugt: „Der Mensch ist unheilbar religiös. Es stellen sich immer wieder dieselben Grundfragen, die Immanuel Kant so formuliert hat: Wer bin ich? Was darf ich hoffen? Wohin gehe ich? Das gilt auch für den modernen Menschen, der sich allerdings weniger verbunden fühlt mit Institutionen und Gemeinschaften.“

Hierfür hätten amerikanische Religionssoziologen den Begriff einer „unbekirchten“ Religiosität gefunden: „Jeder sucht seinen eigenen Weg. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Kirche Zukunft hat. In welcher Sozialform das sein wird, ist noch nicht ganz deutlich geworden“, sagt Kurt Koch.

Kritik am Synodalen Weg

Der Kurienkardinal teilt die Kritik von Papst Franziskus am Synodalen Weg in Deutschland: „Der Papst hat unter anderem kritisiert, dass nicht alle Gläubigen daran beteiligt sind. Denn es sind weitgehend Funktionäre, die jetzt die Diskussionen prägen.“

Er selbst habe verschiedene Debatten des Synodalen Weges via Livestream mitverfolgt und seine Mühe damit: „Wie ist eine sinnvolle, wirklich synodale Diskussion möglich, wenn die Redezeit auf eine Minute begrenzt wird? Es gibt zu wenig Raum, um kontroverse Punkte wirklich zu diskutieren.“

Offene Diskussion über das Frauenpriestertum geführt

Wichtiger als die heißen Eisen wie Frauenpriestertum oder Pflichtzölibat findet Kurt Koch die Fragen, die Papst Franziskus stelle: „Er hat gesagt: Ihr kreist zu stark um strukturelle Fragen. Geht stattdessen den Grundfragen nach: Was ist unsere Botschaft? Und wie können wir sie weitergeben? Darum sollte es gehen.“

Als Theologieprofessor in Luzern hat Kurt Koch offen über die Weihe von Priesterinnen nachgedacht. „In der damaligen Phase wurde die Frage des Frauenpriestertums offen diskutiert. In einer solchen Situation haben Theologen die Aufgabe, Lösungen vorzuschlagen“, sagt Kurt Koch heute dazu. „Wenn aber das kirchliche Lehramt die Frage entschieden hat, so hat dies auch Konsequenzen für einen Theologen und erst recht für einen Kardinal.“

Papst scherzt über seinen Nachfolger „Johannes XXIV.“

Kurt Koch rechnet nicht mit einem baldigen Rücktritt des Papstes: „Ich habe nicht den Eindruck. Es gibt zwar immer wieder Aussagen von ihm, die Spekulationen auslösen. Letzte Woche sagte er mit Blick auf den Weltjugendtag, es werde sicher ein Papst anwesend sein – Franziskus oder ein neuer Papst, zum Beispiel ein Johannes XXIV. Ich werte das eher als humorvolle Aussagen.“

Papst Franziskus verfüge über „einen besonderen Hu­mor“, findet Kurt Koch: „Als Pfarrer Gottfried Locher, der frühere Präsident des Rates der Evangelischen Kirche Schweiz, zu einer Audienz bei ihm war, übersetzte ich zwischen den beiden. Der Papst fragte mich anschließend, wo ich denn so gut Deutsch gelernt hätte.“

Kurt Koch würde wieder Priester werden

Den Entschluss, Priester zu werden, bereut der 72-Jährige nicht: „Mich hat der Pfarrer in meiner Heimatpfarrei in Emmenbrücke stark beeindruckt. Schon früh wurde in mir der Wunsch wach: Das möchte ich auch werden.“ Und ja, er würde diesen Weg wieder gehen.

(kath.ch - cs)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

25. September 2022, 09:03