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Bätzing vor einer Woche auf dem Stuttgarter Katholikentag mit ostkirchlichen Geistlichen Bätzing vor einer Woche auf dem Stuttgarter Katholikentag mit ostkirchlichen Geistlichen 

D: „Missbrauch zerstört ganze Biografien“

Priester sind Übersetzer, die helfen, dass Gott im Leben der Menschen ankommt. Dies sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing am Samstag bei einer Priesterweihe in Limburg.

„Es ist die geniale Idee Gottes, dass er sich Mittel und Mittler sucht, mit deren Hilfe er in unserem Leben aufscheinen will, wirken will, uns seine helfende und heilende Nähe spüren lassen will“, so Bätzing. In der Kirche nenne man dies die sakramentale Struktur des Glaubens. Gott selbst verbürge sich dafür, dass er im Leben ankommt und wirkt, wenn das Wort der Heiligen Schrift verkündet, in der Katechese die Weite des Glaubens erschlossen und in Gemeinschaft erfahren werde.

Sich an den Fragen und Nöten orientieren, nicht am eigenen Ego

Helferinnen und Helfer für Gott, um das Leben der Menschen zu berühren, seien alle Getauften und Gefirmten. Es gebe aber auch solche wie die zwei Neugeweihten im Bistum Limburg, die im Sakrament der Priesterweihe selber die Gnade Gottes so spürbar und verwandelnd erfahren dürften, dass diese die beiden zu Übersetzern der Gnade Gottes erwählt habe.

Wer diese Grundstruktur des Glaubens einmal begriffen habe, der sei zutiefst beschämt, wenn er entdecke, dass gerade die, die zu Vermittlern der Nähe Gottes berufen sind, genau das Gegenteil bewirken können, wenn sie die Vermittlung blockierten. „Wenn sie ihr Ego in den Mittelpunkt stellen und den Auftrag des Dienens darin ersticken. Wenn sie klerikal mehr um das eigene Standing bemüht sind als an den Fragen und Nöten der Menschen interessiert. Wenn sie gar ihre geistliche Autorität missbrauchen und Menschen, die ihnen unterwegs im Glauben anvertraut sind, zu eigenem Nutzen verzwecken“, sagte der Bischof.

Was Missbrauch durch Priester in seinen verschiedenen Facetten angerichtet habe und anrichten könne, das sei in der Kirche erst in den vergangenen Jahren und durch die zaghaften, mittlerweile lauter werdenden Stimmen der Betroffenen bewusst geworden. Missbrauch zerstöre ganze Biografien. Er lasse den Glauben im Herzen von Menschen ersterben, sodass kaum noch spürbar sei, dass Gott sie liebevoll tragen und fördern wolle.

Ohne persönliche Entschiedenheit ist Christsein nicht möglich

Bischof Georg Bätzing dankte den beiden neuen Priestern für ihre Bereitschaft, sich in einer herausfordernden Zeit in den Dienst zu stellen. „Sie tun es bewusst unter den Vorzeichen von Bescheidenheit, Selbstrelativierung und großem Gottvertrauen“, so Bätzing. Wichtig für den Glauben sei es, eine Antwort auf die Frage gefunden zu haben, wer Jesus für einen persönlich sei und welchen Platz er im eigenen Leben, Denken und Handeln einnehme. Ohne Entschiedenheit gerade in diesen Fragen könne heute und in Zukunft niemand wirklich Christ oder Christin sein.

„Priester sind Übersetzer. Auch, damit der Ernst dieser aufgerufenen Entscheidungssituation bei den Menschen ankommen kann. Wesentlich für unseren Auftrag ist es, dass wir die große Münze der Botschaft vom Reich Gottes in die kleinen Cent-Stücke unseres Lebens übersetzen“, sagte der Bischof.

Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen

Erinnerung an Erhebung der hl. Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin

Einen Tag später, am Sonntag, würdigte Bätzing, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, die hl. Hildegard von Bingen. Sie ist vor genau zehn Jahren durch Papst Benedikt XVI. zur Kirchenlehrerin ernannt worden. Der Limburger Bischof nannte sie „eine Prophetin im Dienst der Kirche“. Sie habe „nicht aufgehört zu wirken und Menschen innerhalb wie außerhalb der Kirche zu inspirieren“.

„Nach wie vor ist sie eine Zeitgenossin – und das bewirkt Gottes guter Geist, für den Zeiten und Räume, Unterschiede in Gedanken, Kulturen, Sprachen und Prägungen kein Hindernis darstellen, Brücken zu schlagen und Verbindungen zu schaffen.“ Seit Pfingsten erweise der Geist Jesu diese einende und verbindende Kraft. Viele Anknüpfungspunkte des Wirkens der Heiligen gebe es bis heute, beispielsweise in Wissenschaft und Forschung, bei der Bewahrung der Schöpfung, im Wort gegenüber den Mächtigen in der Kirche und Politik und als Ansporn für Frauen im Ringen um Anerkennung ihrer Charismen und ebenbürtigen Rolle in Kirche und Gesellschaft.

„Wir dürfen sie nicht einfach vereinnahmen für unsere heutigen Aufgaben und Anliegen“

„Es ist für mich ganz erstaunlich, wie viele Themen, die Hildegard bewegt und vorangetrieben hat, uns heute beschäftigen und in kreative Unruhe versetzen“, so Bischof Bätzing. Hildegard inspiriere, weil sie selber inspiriert, das heißt vom Geist Gottes bewegt, gelebt und gehandelt habe. „Freilich ist sie nicht einfach eine von uns. Der Wandel der Zeiten, der Gedankenwelt sowie der sozialen und kirchlichen Lebensverhältnisse ist doch enorm“, sagte der Bischof. „Wir dürfen sie nicht einfach vereinnahmen für unsere heutigen Aufgaben und Anliegen.“ Sie habe in der Gegenwart Gottes gestanden und sich für das Gleichgewicht zwischen den Menschen, der Schöpfung und Gott eingesetzt.

„Hildegard von Bingen ist eine ganz und gar außergewöhnliche Gestalt. Kaum vergleichbar mit anderen leuchtet diese Frau aus dem Mittelalter zu uns herüber. Dabei war sie keineswegs unerschütterlich. Ihre Stärke lag auch im Mut zur Schwachheit“, so Bischof Bätzing. Sie habe immer wieder von Krankheit und Leiden berichtet, aber genau das mache sie so sympathisch und glaubwürdig, „denn sie vertraute ganz auf Gott und seine Kraft.“

(vatican news – sk)
 

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05. Juni 2022, 11:14