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Heiliges Land: „Multireligiöses Erbe Jerusalems erhalten"

Jerusalem darf als jüdische, christliche und muslimische Stadt „niemals zum exklusiven Monopol irgendeiner einzigen Religion werden“: Das haben Vertreter von acht europäischen und nordamerikanischen Bischofskonferenzen zu Abschluss eines internationalen Bischofstreffens im Heiligen Land hervorgehoben, das an diesem Donnerstag zu Ende ging. Aus Deutschland war der Mainzer Weihbischof Udo Bentz mit dabei.

Anne Preckel – Vatikanstadt

Die christliche Präsenz in der Heiligen Stadt drohe strukturell ins Hintertreffen zu geraten, gab der Lateinische Patriarch von Jerusalem gegenüber seinen internationalen Gästen in Jerusalem zu bedenken. Jenseits der politischen Konflikte sollten die Kirchen deutlicher als bisher ihre religiös begründete Vision von Jerusalem in das öffentliche Gespräch einbringen, appellierte Erzbischof Pierbattista Pizzaballa.

Weibischof Bentz, Leiter der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten in der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), erläutert im Gespräch mit Radio Vatikan, was dies bedeutet: „Jerusalem ist wirklich eine einzigartige Stadt mit universaler Bedeutung. Jerusalem ist die Stadt der Juden, der Christen und der Muslime. Und dieses gemeinsame Erbe gilt es zu schützen, damit nicht eine einzige Religion sozusagen das Monopol über die Stadt und die Heiligen Stätten bekommt.“

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Internationaler Status

Davon ausgehend gelte es, die Frage eines internationalen Status der Heiligen Stätten zu stellen, so Bentz – „auch unabhängig von der Frage einer Zwei-Staaten-Lösung und der Frage einer Hauptstadt bei dieser Zwei-Staaten-Lösung“.

Mit Ideen zur Umsetzung einer „Zwei-Staaten-Lösung“ war in der Geschichte des Nahost-Konfliktes immer wieder eine Lösung der palästinensisch-israelischen Spannungen angestrebt worden. Sowohl auf palästinensischer als auch auf israelischer Seite hat die Zustimmung zu diesem Modell in den letzten Jahren aber eher abgenommen. Gründe dafür liegen unter anderem im israelischen Siedlungsbau, ebenso brachten Terrorakte palästinensischer Extremisten bisherige Befürworter von dieser Idee ab.

Ein neuer Ansatz

Von der Frage der Heiligen Stätten und dem multireligiösen Erbe Jerusalems auszugehen, ist laut Weihbischof Bentz im Verhältnis zur bisherigen Suche nach einer (Konflikt-)Lösung „ein neuer Ansatz“. Während des Bischofstreffens habe man in Jerusalem mit religiösen Vertretern über Möglichkeiten nachgedacht, die Heiligen Stätten „herauszulösen von diesen politischen Konstellationen und ihnen einen internationalen Rechtsstatus zu geben, damit sie frei zugänglich sind, damit sie frei von Provokation sind“, formuliert Bentz.

Natürlich gebe es bei der Frage eines internationalen Status noch viele Punkte zu klären, darunter etwa die Frage der Sicherheit und andere Zuständigkeiten, so der Weihbischof. Bei allen unterschiedlichen Positionen und Perspektiven nimmt der katholische Kirchenvertreter jedoch heute im Heiligen Land auch den Willen wahr, hier gemeinsam voranzukommen.

Dialog notwendig

„Die Notwendigkeit, in irgendeiner Form voranzuschreiten, die wird von allen Seiten unterstrichen und wahrgenommen. Unsere Gesprächspartner, das fand ich interessant, waren auch der Meinung: Den Dialog und das Gespräch suchen auf unterschiedlichsten Ebenen, das ist der notwendige Schritt, um konkret zu werden. Natürlich gibt es unterschiedliche Interessen, aber, auf welchem Weg sonst lassen sich hier Fortschritte machen, wenn nicht mittels Dialog?“

Im überaus vielfältigen Jerusalem gehöre ein Dialog der Religionen und der Konfessionen zum guten Ton. Bentz knüpft daran an: „Und da spielt für die Kirchen natürlich auch noch einmal eine Rolle, diese ökumenische Vielfalt, die Internationalität der christlichen Kirchen hier in der Stadt zusammenzuführen. Das gibt auch nochmal eine neue Wucht und eine neue Dynamik, mit der Christen ihre Stimme in diesem Gesprächsprozess deutlich machen können.“

Schwere Lage der Christen

In Gesprächen der Bischöfe mit Wissenschaftlern und Fachleuten wurde deutlich, dass sich die Lebenswirklichkeit der Christen in Jerusalem für viele als schwierig darstellt. Die Delegation machte etwa auf die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher und die fast unmöglich gemachte Familienzusammenführung von Palästinensern aus Jerusalem und dem Westjordanland aufmerksam. Auch sei in Gesprächen vor Ort dargelegt worden, dass Israel durch eine teils offene, teils subtile Ausgrenzungspolitik offenbar die alleinige Kontrolle über die religiöse Prägung der Stadt anstrebe.

„Die palästinensischen Christen leben in einer gesellschaftlich und politisch fragilen Umwelt. Es ereignen sich immer wieder Gewaltausbrüche“, sagte Weihbischof Bentz. „Der jüngste Fall der erschossenen palästinensisch-katholischen Journalistin Shireen Abu Akleh löste große Trauer aus, er provozierte aber auch Ärger und Wut unter den Palästinensern und besonders in der christlichen Gemeinschaft.“ Die Bischöfe statteten der Familie des Gewaltopfers einen Besuch ab, um sie des Mitgefühls der ganzen katholischen Kirche zu versichern. „Solidarität heißt Präsenz zeigen und Leiden wahrnehmen“, so Weihbischof Bentz.

Gottesdienst am Ölberg

Das 22. Internationale Bischofstreffen im Heiligen Land ging an diesem Donnerstag mit einem feierlichen Gottesdienst am Ölberg zuende. An der Veranstaltung, die 2021 wegen der Corona-Pandemie nur als Online-Konsultation durchgeführt wurde und nun wieder vor Ort stattfinden konnte, nahmen Bischöfe und Vertreter aus acht europäischen und nordamerikanischen Bischofskonferenzen teil. Thema des Bischofstreffens, das sich als Verbindung von Pilgerreise, Begegnungen und Konsultation versteht, war die Situation in Jerusalem. 

Hier das ganze Interview im Audio

(vatican news/pm – pr)
 

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26. Mai 2022, 13:48