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Österreich: „Opfer im Mittelpunkt“

Bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Kirche stehen die Opfer im Mittelpunkt. Das betont der Salzburger Erzbischof Franz Lackner in der aktuellen Ausgabe des Salzburger Rupertusblatts.

Die Kirche als Institution sei in ihrer langen Geschichte auch schwer schuldig geworden, so Lackner: „Die Schwere der großen Schuld unserer Zeit, des Missbrauchs, liegt im unsäglichen Leid, das Kinder und Schutzbedürftige erfahren mussten. Ihre Klage müssen wir hören; wir dürfen uns nicht verschließen.“ Bei der Aufarbeitung der Missbrauchstaten stünden die Opfer im Mittelpunkt.

„Wieder und wieder bitten wir um Verzeihung. Ihnen gilt unser tiefstes Mitgefühl. Ehrlichen Herzens wollen wir Wege der Wiedergutmachung beschreiten", so der Erzbischof, der auch Vorsitzender der Bischofskonferenz ist. Die Kirche in Salzburg und Österreich haben sich diesem Weg verpflichtet. Lackner: „Wir nehmen Verantwortung wahr: Seit 2010 sind zahlreiche Maßnahmen getroffen worden, Erlittenes konsequent und transparent aufzuarbeiten und jeder Form solcher Untaten vorzubeugen. Auf dass Missbrauch nie mehr geschehe!“

Aufarbeitung in Salzburg

173 Meldungen ist die Salzburger Diözesankommission seit 2009 nachgegangen, wobei das aber nicht gleichbedeutend mit 173 Missbrauchsfällen ist. Das erläuterte die Ombudsfrau der Erzdiözese, Karin Roth, im Rupertusblatt: „Mein Team und ich sind für die Menschen zuständig, die im Kontext der katholischen Kirche körperlichen, seelischen, sexuellen oder auch geistlichen Missbrauch erlebt haben. Wir nehmen ihre Erlebnisse auf und begleiten sie bei weiteren Schritten.“

Der Zeitpunkt der Meldung habe häufig mit der persönlichen Lebenssituation zu tun, „zum Beispiel, wenn das Kind oder das Enkerl in ein Alter kommt, in dem einem selbst eine Grenzüberschreitung oder ein Missbrauch geschehen ist. Dann hat man plötzlich wieder alles am Schirm. Oder wenn jemand im Krankenhaus liegt und dadurch eine Art Kontrollverlust spürt. Auch so etwas kann Erlebtes wieder aufs Tablett bringen.“ Zentral sei, die Menschen ernst zu nehmen, so Roth. Für ihre Arbeit brauche sie „die Bereitschaft zuzuhören - und einen tiefen Respekt vor dem Schicksal des anderen“. Sie maße sich nicht an, in so einem Gespräch Lösungen aus dem Ärmel zu schütteln. „Aber ich kann da sein und zuhören. Nachfragen, auch wenn es schwierig ist.“

Grundsätzlich hätten alle Mitarbeitenden der Ombudsstelle eine Verschwiegenheitspflicht. Zugleich sei es aber auch ihre Aufgabe, für das Opfer zu handeln, so Roth: „Deshalb dokumentiere ich, was wir besprechen. Das Protokoll gehen wir dann gemeinsam durch. Die Zeilen müssen das Erlebte der Person so gut wie möglich widerspiegeln. Erst wenn es die Freigabe des Opfers gibt, geht das Gesagte den in der Rahmenordnung vorgesehenen Weg an die Opferschutzkommission, die weitere Schritte einleitet.“ Hier gehe es dann zum Beispiel um die Höhe der freiwilligen finanziellen Hilfeleistungen oder die Bezahlung von Therapiestunden.

Salzburg
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Vierstufiges Verfahren

Die kirchliche Rahmenordnung in Österreich sieht ein vierstufiges Verfahren vor: Betroffene wenden sich an eine Ombudsstelle. Dies ist die erste niederschwellig Anlaufstelle. Stufe Zwei ist die Diözesankommission, die die Vorwürfe prüft. Sie holt auch Stellungnahmen der Beschuldigten und der Institutionen ein und schlägt Maßnahmen vor. Dann werden die Fälle an die Unabhängige Opferschutzkommission (Klasnic-Kommission) weitergeleitet, die über Finanzhilfe und Therapie entscheidet. Die Stiftung Opferschutz bindet sich schließlich an die Entscheidung der Opferschutzkommission und setzt diese um.

Wie Roth erläutert, würden sich an die Ombudsstellen auch Menschen wenden, wo bald klar sei, dass der Vorfall nicht in der katholischen Kirche geschehen ist, oder es um keinen kirchlichen Träger geht. In solchen Fällen vermittle man an die zuständigen Stellen weiter.

Ausdrücklich wies die Leiterin der Salzburger Ombudsstelle darauf hin, dass es sich bei dem kirchlichen Verfahren um keine Konkurrenz zur staatlichen Strafverfolgung handle. „In dem Moment, in dem ein strafrechtliches Vergehen verortet wird, empfehlen wir natürlich eine Anzeige“, so Roth. Nachsatz: „Seit der Zeit, in der ich die Ombudsstelle leite, habe ich kein einziges Mal erlebt, dass etwas unter den Tisch gekehrt worden wäre.“

Ein guter Teil Ihrer Arbeit drehe sich zudem um Prävention, so Roth: „Prävention geht im Grunde uns alle an. Missbrauch fängt ja meist nicht erst bei Vergewaltigung an. Am Anfang kann er geistlich sein oder psychisch, sich entwickeln. Im Alltag ist es wichtig, hinzuschauen - und bei Grenzüberschreitungen in allen Lebensbereichen den Mund aufzumachen.“ Prävention und Aufarbeitung von Missbrauch würden auch keinen Punkt erreichen, an dem man fertig sei. Roth: „Wenn wir gesunde Systeme bauen wollen, braucht es ein gesundes Dranbleiben. Sich auf Erreichtem auszuruhen gehört nicht dazu.“

(kap – sk)
 

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02. Februar 2022, 11:36