Suche

Eucharistie Eucharistie 

Liturgie-Experte: Aussetzung von Messfeiern unangemessen

Die Eucharistiefeier sollte nicht ausgesetzt werden, um damit Raum für anderweitige Aktionen zu schaffen – so edel deren Absichten auch sein mögen. So bewertet Marius Linnenborn, Leiter des Deutschen Liturgischen Instituts in Trier, die Initiative eines Aschaffenburger Pfarrers, für drei Wochen die Sonntagsmesse nicht zu feiern und dafür Betroffene von Missbrauch zu Wort kommen zu lassen.

Aus dem Münchner Missbrauchsgutachten lesen, mit Betroffenen ins Gespräch kommen, für den Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz Spenden sammeln, gemeinsam schweigen und der Gemeinde die Möglichkeit zum freien Austausch geben: Mit dieser Initiative hat ein Aschaffenburger Priester auf die Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens reagiert. Der Haken an der Sache: über drei Wochen will er auch auf die Feier der Sonntagsmesse verzichten, um stattdessen die Gemeinde in der Solidaritätsaktion zu versammeln. Am vergangenen Sonntag war es das erste Mal so weit.

Hier der Beitrag mit Dr. Marius Linnenborn zum Nachhören

„Die Betroffenheit in der gegenwärtigen Situation kann ich gut verstehen“, sagt uns im Interview Pfarrer Marius Linnenborn, Leiter des Deutschen Liturgischen Instituts in Trier. „Ob allerdings die richtige Antwort darauf ist, den Sonntagsgottesdienst auszusetzen, die Eucharistiefeier auszusetzen, das möchte ich doch sehr infrage stellen. Denn seit der Anfangszeit der Kirche gehört für uns Christen der Gottesdienst, die Feier der Eucharistie, die Feier des Herrnmahles, dazu.“

Eucharistie darf nicht instrumentalisiert werden

Ähnlich verhalten hatte sich der Generalvikar von Würzburg, Jürgen Vorndran, geäußert. Die Solidaritätsaktion sei grundsätzlich unterstützenswert, hatte er vor Journalisten erklärt. Aber es sei nicht richtig, dafür drei Wochen lang keine Sonntagsmesse zu feiern. Man hinterfrage als Diözesanleitung das Vorgehen sehr stark, „denn die Eucharistie sollte ein Raum sein, der frei ist von jeder Instrumentalisierung“. Ungeachtet der Bitte, die Aktion nochmals zu überdenken, fiel jedoch die erste Sonntagsmesse unter medialer Beachtung am vergangenen Sonntag bereits aus.

„Jede Verzweckung eines Gottesdienstes ist nicht angemessen“

Er könne die Worte des Generalvikars gut verstehen und „voll mittragen“, unterstreicht der Liturgie-Experte Linnenborn. „Jede Verzweckung eines Gottesdienstes ist nicht angemessen. Gottesdienst feiern wir um Gottes und um der Menschen willen, zur Ehre Gottes und zum Heil der Menschen. Und eine Verzweckung mit politischen, kirchenpolitischen oder anderen Fragen ist in jeder Hinsicht nicht angebracht. Solche Fragen können Ihren Platz haben, aber am richtigen Ort, in den Fürbitten oder in der Predigt.“

Es sei schließlich kein Problem, einen Gottesdienst mit einem Gesprächsangebot und anderen Möglichkeiten zu verbinden. „Aber für uns als katholische Christen gehört zum Sonntag die Feier der Eucharistie dazu.“ Eigentlich gebe es nur zwei Tage im Kirchenjahr, an denen grundsätzlich auf die Eucharistie verzichtet werde, nämlich den Karfreitag und den Karsamstag, was liturgisch einen enorm hohen Rang einnehme, erinnert Linnenborn.

„Die Märtyrer in der frühen Zeit der Kirche haben dafür ihr Leben gegeben, dass sie an der Eucharistiefeier teilnehmen konnten. Das ist, wovon sie leben, und das ist das, wovon die Kirche lebt und wovon sie auch gerade die Kraft schöpft, mit dieser Situation jetzt umzugehen. Wenn wir uns nun von diesem Lebensquell der Eucharistie abschneiden, dann verlieren wir auch einen Quell, der uns die Kraft gibt, jetzt in dieser Situation richtig und angemessen zu handeln.“

Papst Franziskus bei einer Messfeier in St. Peter
Papst Franziskus bei einer Messfeier in St. Peter

Inszenierung klerikaler Macht?

Eine Instrumentalisierung, wie sie durch einen solchen Verzicht auf die Messefeier ausgedrückt werde, halte er für „unangemessen“, betont Linnenborn. Das gelte auch für die Ankündigung eines anderen Priesters der Diözese, für drei Wochen kein Priestergewand bei der Feier der Messe zu tragen, mit der Begründing, dass dieses der „Inszenierung klerikaler Macht“ diene. Die Aktion der Aussetzung der Sonntagsgottesdienste in der anderen Gemeinde habe ihn auf diese Idee gebracht, schrieb der betreffende Pfarrvikar an die Diözesanleitung.

Doch die Frage, inwieweit eine Liturgie eine Inszenierung klerikaler Macht sei, sei doch vielmehr zuerst die Frage, wie die Leitung der Liturgie konkret erfolge, betont Linnenborn mit Blick auf diese Argumentation. „Wie der Vorsteher seine Aufgabe versteht. Nämlich, ob er sich im Dienst der Gemeinde, für die er den Dienst vollzieht, versteht oder ob er sich doch in gewisser Weise selbst versteht als einer, der sich auf der Altar-Bühne inszeniert. Das ist die erste Frage.“ Für die katholischen Christen gehöre das Priesteramt zur Liturgie dazu, und das sei per se „keine Inszenierung klerikaler Macht“. „Wie man das konkret ausübt – das kann dann schon sein... Aber das ist dann eine Gewissensfrage an jeden selbst, an jeden Priester selbst.“

Liturgie ist nicht ein Angebot unter mehreren

Oft scheine es jedoch in den Gemeinden mittlerweile so, dass die Liturgie verstanden werde als ein ,Angebot' unter mehreren Angeboten, die eine Gemeinde vorhalten müsse oder solle: „Manchmal heißt es sogar ,Für die, die die Messe am Sonntag gerne haben wollen‘, oder sogar ,noch haben wollen‘, schwingt da ein bisschen mit. Das ist schon ein Verständnis, welches der Liturgie und der Eucharistiefeier selbst nicht entspricht.“ Handele es sich bei der Messfeier doch keineswegs um ein „Angebot“: „Sondern sie ist ein Grundvollzug der Kirche, von dem die Kirche lebt.“ Angesichts der Diskussionen in den einzelnen Pfarreien könne der Eindruck entstehen, dass „die Bandbreite sehr groß geworden“ und das Verständnis für das verbindende Element der Eucharistiefeier in der Kirche und den Pfarreien schwinde, meint Linnenborn.

(vatican news - cs)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

04. Februar 2022, 12:26