Suche

Die Macht der Geographie Die Macht der Geographie 

Buchtipp: Die Macht der Geographie

Große Staaten, große Einflüsse, kleine Nationen, kleine Bedeutung? Mitnichten, wenn man an die Bedeutung des „Kleinsten Staates der Welt“ denkt. Der Journalist Tim Marshall versucht in seinem jetzt auf Deutsch erschienenen Buch die Weltpolitik anhand von zehn Karten zu erklären.

In zehn Kapiteln zeigt Tim Marshall, wie die Geographie die Weltpolitik beeinflusst und beeinflusst hat. In „Die Macht der Geographie“ zeigt er auf, dass Weltpolitik auch Geopolitik bedeutet. Regierungen und Machthaber unterliegen den Zwängen der Geographie. Die Schöpfung ist doch mächtiger als manch ein Politiker denken würde, lässt sich aus der Lektüre des im dtv-Verlag erschienenen Buches sagen. Klar, Geschichte und Ideen spielten und spielen bei den Menschen und ihren Handlungen immer eine große Rolle, doch Marshall zeigt auf eindrückliche und klare Weise auf, dass man die Geographie nicht außeracht lassen sollte.

Die Buchrezension von Mario Galgano zum Nachhören

Tim Marshall ist ein gefeierter Autor und ehemaliger Auslandskorrespondent für führende britische Medien wie BBC und Sky News. Er schrieb 2015 einen Bestseller mit dem Titel „Prisoners of Geography“ (Gefangene der Geografie), der in seinem Umfang weitreichend war. Indem er einen alten Grundsatz aufgriff, nämlich dass die Geografie ein entscheidender Faktor bei der Gestaltung der Weltpolitik und des Schicksals der Nationen ist, hat sich nun Marshall mit der Geopolitik Russlands, Chinas, der USA, Europas, des Nahen Ostens, Afrikas, Indiens und Pakistans, Japans und Koreas, Lateinamerikas und der Arktis auseinandergesetzt.

Der Einfluss der Geografie auf die militärische Strategie und die großen nationalen Strategien, die die Geopolitik im modernen Kontext geformt und verzerrt haben, wurde von Strategen wie Mahan, Clausewitz, Corbett, Mackinder und Spkyman und anderen ausführlich erforscht. Der Reiz von Marshalls Buch besteht darin, die verschiedenen Stränge zu einem fesselnden Buch für eine jüngere Generation zusammenzufassen, die mit den Wechselfällen des Kolonialismus, dem 20. Jahrhundert und den beiden großen Kriegen, die unsägliches Elend über die unglücklichen Millionen direkt Betroffener brachten, vielleicht nicht vertraut ist.

Erweiterung des Vorgängerbandes

Der aktuelle Band ist eine Erweiterung des Vorgängerbandes und behandelt neun Länder und einen Bereich. Der Schwerpunkt dieses Bandes liegt auf Australien, Iran, Saudi-Arabien, Großbritannien, Griechenland, der Türkei, der Sahelzone, Äthiopien und Spanien, während der Weltraum das letzte Kapitel ist, das besonders anregend ist.

Marshall bietet in jedem Kapitel einen guten Überblick, in dem er regionale Geschichte, Politik und Kultur sowie zeitgenössische Ereignisse fließend miteinander verwebt. Dazwischen finden sich einige prägnante Beobachtungen des Autors, die den erfahrenen Journalisten widerspiegeln. In Bezug auf Australien stellt der Autor beispielsweise fest, dass es erst vor 35 Millionen Jahren zu einer Insel wurde, und kommt auf das gegenwärtige Dilemma zu sprechen, in dem sich Canberra im Zusammenhang mit dem Gegenschlag Pekings wegen Covid und anderen Themen befindet. Marshall fügt in seiner Schlussfolgerung hinzu: „Die Beziehungen (zu China) zu managen, wird schwierig sein: Wenn man es falsch anpackt, riskiert man, Teil eines indopazifischen Kalten Krieges zu werden, wenn man zu schwach ist, riskiert man, eine Basis der Volksbefreiungsarmee in seinem Hinterhof zuzulassen. Die Covid-19-Krise hat bestehende Trends verstärkt und beschleunigt.“

Nach einer Einführung in die Komplexität Saudi-Arabiens und seine jüngste Entwicklung als Nation meint Marshall augenzwinkernd, dass, wenn der junge Kronprinz MBS nicht in der Lage ist, Saudi-Arabien erfolgreich von einer ölabhängigen Wirtschaft wegzuführen und die Welt sich in Richtung Solarenergie bewegt, „wir uns einer Zeit nähern, in der die Amerikaner auf keinen Fall für die Verteidigung der saudi-arabischen Solarpaneele kämpfen werden“.

Das Kapitel über das Vereinigte Königreich kommt zu einem einfühlsamen Schluss, der vielleicht ein wenig ehrgeizig ist, aber auch die Grenzen der Marshall-Formulierung aufzeigt, die die Geografie überbetont. Der Autor stellt fest, dass „die Briten kommen“ ein Satz ist, der „in vielen Teilen der Welt über mehrere Jahrhunderte hinweg, in denen sie ein Imperium aufgebaut haben, geäußert worden sein könnte“, und erklärt, dass „zweieinhalb Jahrhunderte nach dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg die Briten wieder kommen - an so viele Orte wie möglich“. Hier versteht man als Leser aber nicht, wie ernst das gemeint sein soll oder ist das doch eine versteckte ironische Feststellung?

Indem er die Schriften/Ideen Mackinders und deren Missbrauch durchgeht, behauptet Marshall, dass sich „die Realität, dass (das Vereinigte Königreich) eine Insel vor der Küste eines Kontinents ist, nicht geändert hat“, aber seine Einschätzung der Zukunft berücksichtigt nicht die politische Determinante - eine, die während des Zweiten Weltkriegs einen Churchill gewählt hat, und den aktuellen Stand der Dinge in London: Der geografische Determinismus, der auch als Geodeterminismus bezeichnet wird, ist eine überzeugende Methode, um die metahistorische Erzählung zu verstehen, aber es bedarf anderer Strömungen, um die Entwicklung bestimmter Geschichten und das Ausmaß einer möglichen Entsprechung in der nahen Zukunft vollständig zu verstehen oder zu erklären.

Die Bedeutung des Weltraums

Das letzte Kapitel ist dasjenige, in dem Marshall viel Stoff für Debatten liefert. Er weist darauf hin, dass „der Weltraum zu einem politischen Schlachtfeld geworden ist, seit wir die Erdatmosphäre durchstoßen haben und einen Millimeter in die Unendlichkeit vorgedrungen sind“. Ohne einen wirklich einvernehmlichen und ethischen Ansatz bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums zur Verbesserung des Wohlergehens der Menschheit könnte der Weltraum genauso militärisch umkämpft und verschmutzt werden wie die Weltmeere.

Die Erforschung des Weltraums ist nicht mehr das Monopol der Großmächte, und der Eintritt des Privatsektors (man denke hierbei an Elon Musk und Jeff Bezos) hat diesen Bereich verändert. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Weltraum sowohl für Abenteuer als auch für die Ausbeutung von Ressourcen genutzt wird, ist nicht mehr nur reine Science-Fiction, sondern steht unmittelbar bevor. Marshall spricht von der Möglichkeit eines „International Musk Spacetel“ – „ein Milliarden-Sterne-Hotel mit zwanzig Zimmern, in dem die Gäste die Sehenswürdigkeiten bewundern und die feinsten gastronomischen gefriergetrockneten Speisen essen können“ - zu einem astronomischen Preis - 10 Millionen Dollar pro Woche!

Was die Bodenschätze betrifft, so informiert Marshall den Leser, dass „sich über uns ein Asteroid namens 3554 Amun befindet. In ihm befinden sich Nickel, Kobalt, Eisen und andere Metalle mit einem geschätzten Wert von 20 Billionen Dollar, was in etwa dem BIP der USA entspricht“, und dass dies einer von unzähligen weiteren ist.

Marshall fordert die globalen Entscheidungsträger auf, die Spaltung in „wir und sie“ zu überwinden - den „Virus, der uns von Anfang an infiziert hat“ - und schließt mit einer hoffnungsvollen Botschaft: „Die Menschen haben schon immer in den Nachthimmel geblickt und geträumt... der Himmel ist nicht die Grenze.“ Menschliche Gier und Habsucht könnten sich aber noch als Sisyphusarbeit erweisen. Das wollen wir nicht hoffen.

Zum Mitschreiben:

Tim Marshall: Die Macht der Geographie im 21. Jahrhundert. 10 Karten erklären die Politik. Erschienen im dtv-Verlag. Preis: 24 Euro.

Eine Rezension von Mario Galgano.

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

25. September 2021, 13:34