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Die Schweizer Missionarin Schwester Lorena Jenal setzt sich in Papua Neuguinea gegen Hexenverfolgung ein Die Schweizer Missionarin Schwester Lorena Jenal setzt sich in Papua Neuguinea gegen Hexenverfolgung ein 

Papua Neuguinea: Schweizer Ordensfrau im Einsatz gegen „Hexen“-Verfolgung

Mitnichten nur im Mittelalter - auch in der heutigen Zeit gibt es Hexenverfolgungen und sogar Verbrennungen, zum Beispiel in Papua Neuguinea. Dagegen setzen sich katholische Ordensschwestern ein. Wir haben mit einer von ihnen, der Schweizerin Lorena Jenal, gesprochen.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Schwester Lorena Jenal stammt aus dem Schweizerischen Bündnerland, im Südosten der Eidgenossenschaft. 1973 ist sie dem Orden der Baldegger-Schwestern beigetreten, einer franziskanischen Gemeinschaft, die in Missionsgebieten wie Tansania, Äthiopien und Papua Neuguinea tätig ist.

Zum Nachhören - was Sr. Lorena Jenal in Papua Neuguinea gegen Hexenwahn unternimmt

Schwester Lorena ist seit 1979 im Hochland von Papua Neuguinea als Missionarin aktiv. Papua Neuguinea liegt im südwestlichen Pazifik. Das Land weist eine außerordentlich große kulturelle und biologische Vielfalt auf und ist bekannt für seine Strände und Korallenriffe. In der Diözese Mendi hatte Schwester Lorena Jenal zunächst in der Familienpastoral gearbeitet. Später unterrichtete sie als Lehrerin an Schulen und dann, von 2013 bis 2016, führte sie für die Bischofskonferenz von Papua Neuguinea das Apostolat für Gastfamilien, kümmerte sich also um die Seelsorge für Pflegekinder.

Die größte Ungerechtigkeit

„Als ich wieder für die Diözese tätig wurde, hat mich der Bischof gebeten, die Bereiche Gerechtigkeit und Frieden abzudecken. Es ging um das Thema der Hexen. Das sollte ich angehen, und so habe ich mich da voll in diesem Bereich eingearbeitet, weil dies im Moment die größte und tragischste Ungerechtigkeit hier ist.“

Schwester Lorena (links) wird von der Lokalbevölkerung respektiert und geachtet
Schwester Lorena (links) wird von der Lokalbevölkerung respektiert und geachtet

Papua Neuguinea zählt zusammen mit weiteren 31 Ländern auf der Welt zu jenen Nationen, in denen es noch Verfolgungen angeblicher "Hexen" gibt. Und zwar auf eine Art und Weise, wie man es sich für das europäische Mittelalter vorstellt. Vor allem junge Frauen würden verfolgt; es werde ihnen vorgeworfen, „irgendwelche magischen Rituale und Kulkte“ ausgeführt zu haben. Wie Schwester Lorena berichtet, würden die der Hexerei bezichtigten Frauen in Papua Neuguinea gefoltert und sogar bei lebendigem Leibe verbrannt.

„Seit 2016 bin ich voll und ganz damit beschäftigt - mit der Beendigung des Hexenwahns! Das ist furchtbar.. Ich konnte bisher 90 Frauen das Leben retten. Viele von ihnen konnte ich wieder zurück in ihre Gemeinschaft und Familien integrieren. Selbstverständlich begleite ich sie bis zum heutigen Tag weiter.“

Einige Frauen kann sie nicht retten

Mit ihrem Wirken will Schwester Lorena als christliche Missionarin für das Leben eines jeden Menschen und für Gerechtigkeit einstehen. Sie freut sich darüber, dass sie vielen Frauen helfen konnte:   

„Einigen von mir geretteten Frauen geht es wieder sehr gut, und sie haben auch ihre Eigenständigkeit und ihr Ansehen wiedererlangt. Sie haben auch in der Kirche ihr Ansehen gewonnen, und sind heute sehr hilfsbereite Menschen geworden.“

„Das Opfer kann immer noch nicht laufen. Das sind die Folgen einer grausamen Folterung, die sie durchmachen musste.“

Die meisten der befreiten Frauen unterstützen Schwester Lorena jetzt bei ihrer Arbeit, um weitere verfolgte Frauen zu retten. Doch nicht immer kann Schwester Lorena die grausamen Praktiken abwenden: Bilder und Videos von Verbrennungen beweisen, dass es immer noch Fälle von Hexenwahn in Papua Neuguinea gibt:

„Zehn Frauen, die ich retten wollte, wurden getötet. Gerade vor einem Monat ist die bisher letzte Frau gestorben, die ich retten wollte. Im Moment betreue ich einen ganz schlimmen Fall im Provinzialspital in Mendi. Das Opfer kann immer noch nicht laufen. Das sind die Folgen einer grausamen Folterung, die sie durchmachen musste, es handelt sich um sexuelle Folterung. Sie muss jetzt von einem Gynäkologen operiert werden.“

Zusammen mit den Bischöfen von Papua Neuguinea setzt sich Schwester Lorena für die Rechte der Frauen ein
Zusammen mit den Bischöfen von Papua Neuguinea setzt sich Schwester Lorena für die Rechte der Frauen ein

Falls dies nicht geschehe, werde das Opfer lebenslänglich darunter leiden, fügt Schwester Lorena an. Dass es im Jahr 2021 in einigen Weltgegenden immer noch Verfolgungen angeblicher Hexen gibt, kann sie nur schwer nachvollziehen. Die Menschheit bringe Flugkörper auf den Mars - und trotzdem gebe es Menschen, die weiterhin an „Schwarze Magie“ glaubten, bringt die Ordensfrau diese Kontradiktion auf den Punkt.  

Von der Steinzeit in die Moderne katapultiert

Die Schweizer Ordensfrau vermutet, dass der Sprung in die Moderne die Menschen in Papua Neuguinea überfordert und teils auch negativ beeinflusst.  

„In den vergangenen 40 Jahren haben die Menschen in Papua Neuguinea einen Sprung gemacht, als ob man 900 Jahre der Entwicklungsgeschichte in vier Sekunden gemacht hätte. Niemand kann von einem Tag auf den anderen von der Steinzeit in das modernste technische Zeitalter wechseln...!“

Da bleibe vieles auf der Strecke, und das gelte für viele Kulturen auf der Welt. Und dann käme noch ein zweites Problem hinzu, so Schwester Lorena:

„Ich denke an die ganze Welle von Pornografie und vor allem harter Pornografie mit grausamen sexuellen Folterungen. Das gehört nicht in die Kultur des Zusammenlebens mit der Frau hinein.“

Stammesführer zollen der Ordensfrau Respekt

„Denn das ist ein Wahn, der in den Wahnsinn führt.“

Da spiele es eine Rolle, dass sie als Ordensfrau tätig sei. Sie werde auch dank ihrem Habit von den Stammesführern und „Kriegern“ respektiert.

„In unserem Pastoralplan und bei der Bischofskonferenz erarbeiten wir nach Ostern eines jeden Jahres, wie es weiter gehen soll. Bei der Eröffnung unseres Hauses der Hoffnung am 14. Februar, hatten wir gleich drei Bischöfe bei uns, die auch ganz tatkräftig von der Seite der Kirche gegen diesen Hexenwahn sich einsetzen. Denn das ist ein Wahn, der in den Wahnsinn führt.“

Die Kirche ist sehr aktiv in Papua Neuguinea
Die Kirche ist sehr aktiv in Papua Neuguinea

Glauben an das Gute nicht verloren

Auch angesichts der grausamen Morde, die sie mitbekommen hat und die sie zu verhindern sucht, hat Schwester Loredana ihren Glauben an das Gute im Menschen nicht verloren.

„Alle Menschen haben einen guten Kern, auch wenn sie Folterer und Täter sind. Auch die Polizisten, die mich in diesen Tagen wieder gewalttätig empfangen haben, sind in ihrem Herzen gut... Ich möchte mit meiner Aufgabe gerade auch an der Seite der Frauen sein, die Leiden durchmachten. Auf diese Weise hoffe ich, dass sie wieder Heilung spüren. Und soweit das möglich ist, möchte ich, dass das Gute in jedem Menschen immer wieder von neuem hervorkommt.“

Hexenverfolgung in Europa

In der Schweiz wurde 1734 in Europa als letztem Staat eine Frau wegen angeblicher Hexerei getötet. Was die Rolle der Kirche im europäischen Mittelalter betrifft, haben heutige Historiker aufgezeigt, dass die Institution nicht allein für die Verfolgungen verantwortlich war, wenngleich sie auch theologische Grundlagen lieferte, auf deren Grundlage diese teils gerechtfertigt wurden.

Papst Johannes Paul II. bat im Schuldbekenntnis im Heiligen Jahr 2000 Gott unter anderem um Vergebung für die, die „im Dienst an der Wahrheit” Methoden „der Intoleranz” zuließen. Er bekannte, dass christliche Gläubige „Gegensätze und Spaltungen” geschaffen, „einander verurteilt und bekämpft” hätten.

Aufarbeitung und Einsatz der Kirche

In Deutschland hat sich das Bistum Eichstätt zuletzt der Aufarbeitung des Themas Hexenverfolgung gewidmet. Das Internationale Katholische Hilfswerk Missio Aachen rief für den 10. August 2020 erstmals den Internationalen Tag gegen Hexenwahn aus. International sind heute auch in Westafrika Ordensfrauen gegen den Hexenwahn engagiert.

(vatican news - mg)

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09. März 2021, 08:54