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Der Heilige Valentin, Patron der Liebenden Der Heilige Valentin, Patron der Liebenden  (© Vatican News)

Unser Sonntag: Hilf mir, Herr

Pfarrer Jan Lehmann nimmt besonders den Valentinstag in den Blick und zeigt auf, dass es in den vergangenen Monaten sehr viel Gutes unter uns gegeben hat: Menschen, die füreinander da waren und anderen geholfen haben - voller Mitgefühl. Auch Jesus zeigt Mitleid im Sonntagsevangelium - aber nicht nur.

Jan Lehmann, Jugendpfarrer und Spiritual im Bistum Trier

Mk 1,40-45

Heut ist Karnevalssonntag und Valentinstag. Vermutlich werden viele Liebespaare an diesem 14. Februar ohne frische Blumensträuße auskommen müssen, denn die Blumengeschäfte in Deutschland sind wegen des Lockdowns geschlossen.
In Italien gibt es neben dem Blumenschenken noch eine andere Tradition für Verliebte. In italienischen Parks und an Öffentlichen Plätzen werden panchina degli innamorati aufgestellt: also Bänke für Verliebte.

Unser Sonntag - hier zum Nachhören

Es sind Sitzbänke, die besonders gestaltet sind und Verliebte einladen Platz zunehmen. Manche dieser Bänke sind wie Herzen geformt, an anderen schweben Luftballons und eine Bank in Turin ist ziemlich berühmt geworden, denn auf ihr sitzen zwei Straßenlaternen eng umschlungen.
Die Bänke der Verliebten geben der Liebe zwischen Menschen einen festen Platz und machen sie für andere sichtbar. Gerade in einer Zeit, in der eine Schreckensnachricht nach der anderen durch unsere Köpfe rast, erinnern diese Bänke an Zärtlichkeit, an Einfühlsamkeit und an Zusammengehörigkeit.

Wenn ich an die zurückliegenden Monate denke, dann fallen mir einige Situationen ein, an denen Menschen anderen Menschen gezeigt haben, dass sie aufeinander aufpassen und zusammengehören. Es gab Nachbarschaftshilfen, die für ältere Menschen Einkaufsdienste übernommen haben. Oder Aktionen, die Familien und Schulkinder beim Homeschooling unterstützen. Dazu gehören z.B. die kostenlose Kopierdienste von Jugendeinrichtungen die tausende von Seiten an Schulaufgaben und Übungsblättern ausgedruckt haben, damit Schülerinnen und Schüler zu Hause überhaupt lernen konnten. Es gab viele Kindergartenkinder, die stundenlang für ältere Menschen in Seniorenheimen gemalt und gebastelt haben. Wenn ich in meiner Wohnstadt an solchen Einrichtungen vorbeigehe sehe ich diese Bilder, die von den Bewohnerinnen und Bewohnern in die Fenster gehängt wurden.

Hoffnungsvolles und Fragwürdiges in den letzten Monaten

Doch zu diesem Valentinstag gehört auch, dass einige Bänke für Verliebte in diesem Jahr leer bleiben werden. Durch Kontaktbeschränkungen oder Ausgangssperren werden Liebespaare diese Orte nicht besuchen können. Manche Bank wird noch einige Zeit warten müssen, bis sich dort wieder Menschen in den Arm nehmen oder einen Kuss geben.
Zu unserer Realität gehören daher die vielen Mitmenschen, die es zurzeit schwer haben und durch die Herausforderungen des Alltags überfordert sind:
Familien z.B., die mit Homeoffice und Homeschooling bis ans Limit herausgefordert sind. Leitungen von Seniorenheimen, die den Spagat zwischen Hygienevorschriften und Besuchsregeln tagtäglich leisten müssen. Oder Menschen, die unter Vereinsamung leiden und ihren Lebenswillen verlieren. Manche werden nach dieser Pandemie wieder in einem bekannten Lebensrhythmus zurückfinden, andere werden auf Dauer von dieser Zeit gezeichnet sein.
Wenn ich auf die letzten Monate zurückschaue, dann entdecke ich Hoffnungsvolles und Fragwürdiges.

„Nichts an uns bringt unseren Gott auf Abstand zu uns“

Mit dem heutigen Evangelium geht es mir ähnlich! Einerseits steckt da so viel Hoffnungsvolles drin und auf der anderen Seite lässt es mich fragend zurück:
Großartig finde ich das Zugehen Jesu auf den Aussätzigen. Ohne erkennbare Abscheu oder Zögern streckt Jesus ihm die Hand entgegen und baut so eine Beziehung zu ihm auf. Wir haben einen Gott, der ohne Scheu und Zögern auf uns zu kommt und uns die Hand reicht. Nichts an uns bringt unseren Gott auf Abstand zu uns. Er macht sich immer wieder auf, um bei uns zu sein und mit uns zu leben. Gott will uns berühren, er reicht uns immer wieder aufs Neue seine Hand; und er lässt sich berühren. Im Evangelium wird gesagt, dass Jesus Mitleid mit dem Mann hatte. Das heißt Jesus steht im Kontakt zu seiner Umwelt und zu den Menschen denen er begegnet. Er reagiert auf das, was er erlebt und stellt sich darauf ein.

Jesus empfindet tiefe Zuneigung

Das im Originaltext verwendete griechische Wort für Mitleid ist verwandt mit den deutschen Worten Eingeweide bzw. Herz und Zuneigung.
Die Lebenssituation des Aussätzigen trifft Jesus also bis ins Mark. Sein Herz ist davon berührt und er empfindet eine tiefe Zuneigung zu dem Mann und seiner Biographie. Der Evangelist Markus stellt öffentlich seine Erfahrung dar, dass Gott und Menschen zusammengehören und der Schöpfer der Welt auf seine Schöpfung achtgibt.

Eigentlich hätte hier Markus einen super Schlusspunkt setzen können. So wäre in unserem Gedächtnis ein zugewandter und mitfühlender Jesus geblieben. Doch Markus schont uns nicht. Er beschreibt uns, wie sich Jesus nach der Heilung des Aussätzigen verhält. Jesus verbietet dem Mann irgendetwas davon zu erzählen. Jesus möchte offensichtlich nicht, dass er von der Begegnung mit ihm erzählt. Jesus will nicht, dass die Heilung mit ihm in Verbindung gebracht wird und verhängt ein Schweigegebot. Dies wird nicht das Einzige bleiben. Insgesamt sieben Mal verbietet Jesus im Markusevangelium Geheilten, Menschen, die sich zu ihm bekennen oder auch ausgetriebenen Dämonen, von ihm zu erzählen.

Aber: Jesus befiehlt mit seiner ganzen Autorität dem Mann, nichts zu erzählen

Ihm ist es mit dem Schweigegebot sehr ernst und daher schärft Jesus dem Aussätzigen ein, den Mund zu halten. Der Evangelist Markus verwendet wieder eine starke Formulierung, um die Handlung Jesu deutlich zu machen: Das hier verwendete griechische Wort bedeutet ins Deutsche übersetzt auch „jemanden hart anfahren / streng befehlen“. Jesus befiehlt mit seiner ganzen Autorität dem Mann, nichts zu erzählen. Diese Reaktion ist das genaue Gegenteil davon, was wir kurz vorher gehört haben, als Jesus voller Mitgefühl auf den Mann zugeht. Jetzt soll er warten, bis er von der Begegnung mit Jesus erzählen darf. Er soll sich zurücknehmen, sich kontrollieren und niemanden in das einweihen, was er selbst erlebt hat.

„Hilf mir, Herr, ich alleine schaffe es nicht“

Mich beschäftigen die Parallelen, die sich aus dem Evangelium zu unserem Alltag auftun! Einerseits gibt es Hoffnungsvolles: Dieser zupackende Gott und die Solidarität unter uns Menschen. Anderseits entstehen Fragen, warum Jesus so zurückhaltend bleibt und Mitmenschen den Anschluss ans Leben verlieren werden. Unsere Wirklichkeit ist gegensätzlich und wie im Evangelium, müssen wir unsere Antworten darauf finden. Wie beim Aussätzigen wartet der mitfühlende und mitleidende Jesus auch auf uns. Gott lässt sich von uns finden und ansprechen. Der Aussätzige sucht Hilfe, weil er mit seiner Situation alleine nicht zurechtkommt. Wir wissen nicht wie viele Anläufe dieser Mensch schon genommen hat, um diese Hilfe zu finden. Doch er macht sich wieder auf, bringt alle Kraft zusammen, überwindet die Scham und spricht laut aus: Hilf mir, Herr, ich alleine schaffe es nicht!

Nicht jede Bitte wird erhört

Ich habe große Hochachtung vor allen Menschen, die den Mut aufbringen sich Hilfe zu suchen. Familien, die eingestehen, dass sie das Familienleben bis an die Grenzen bringt. Schulen, deren technische und menschliche Knowhows wieder nicht für das digitale Unterrichten ausreichen und damit in die Öffentlichkeit gehen. Seniorenheime, die nicht verheimlichen, dass die ergriffenen Schutzmaßnahmen eine Vereinsamung der Bewohnerinnen und Bewohner beschleunigen. Aus unserem eigenen Leben wissen wir, dass nicht jede Bitte erhört wird. Doch von unserem Gott können wir wenigstens Verständnis und Mitgefühl erwarten. Wie beim Aussätzigen können wir ihn bitten, dass er seine ganze Macht aufbringt und sich in unser Leben einmischt, sich einsetzt und uns die Hand reicht.

Vielleicht reicht er uns die Hand durch einen Nachbarn, der einfach nur mal fragt wie es uns geht. Vielleicht ist es die Hand von Sozialorganisationen, die Wissen und Einfluss zusammenbringen, um Schulen und Lehrkräfte bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Vielleicht ist es die Hand einer Pfarrgemeinde, die beim hiesigen Seniorenheim anruft und nachhört, in welcher Form sie unterstützen könnten.

Hilfe kommt manchmal anders als gedacht

Wer die Kraft aufbringt Hilfe zu suchen wird sie hoffentlich auch erhalten und manchmal anders als gedacht. Das sehen wir auch am heutigen Evangelium.
Der Geheilte z.B. verhält sich anders als Jesus es wollte. Er hält sich nicht an das Schweigegebot. Er will sein Erlebnis teilen und erzählt immer wieder von seiner Begegnung mit Jesus, die sein Leben veränderte. Daraufhin werden Menschen auf Jesus aufmerksam und wollen ihn treffen. Vor dem Ansturm kann sich Jesus nicht verstecken, auch wenn er die Städte meidet und sich in der Einsamkeit aufhält, wird er gefunden. Die Entscheidung des Geheilten löst viel Trubel und Aktionismus aus.
Jesus hingegen hätte erwartet, dass sich der Mann an seine Vorgabe hält. Vielleicht wollte er lieber noch weiter im Verborgenem agieren und so die Entwicklungen um seine Person unter Kontrolle halten. Jesus merkt jedoch, dass dies nicht möglich ist. Daher schränkt er bei anderen Gelegenheiten sein Schweigegebot zeitlich ein. Über das Geschehene soll solange Stillschweigen gewahrt werden, so Jesus, bis „der Menschensohn von den Toten auferstanden sei“ (Mk 9,9). Jesus will sein Handeln in einen größeren Zusammenhang stellen und sehen. Er will nicht nur als derjenige bekannt werden, der punktuell hilft. Er will als Sohn Gottes gesehen werden, der mit seiner Botschaft dauerhaft unsere Welt und unser Zusammenleben verändert. Das gelingt ihm in der Erzählung des heutigen Evangeliums jedoch noch nicht.

Zu Wirklichkeit gehört auch, dass nicht alles auf einmal so wird, wie es sich Gott für uns Menschen wünscht. Manches braucht Zeit, ist auf Dauer angelegt oder wird zurückgeworfen. Doch das hindert Gott nicht daran seinen Plan weiterzuverfolgen und voranzubringen.

„Herr Jesus Christus, wir bitten Dich auf die Fürsprache des Heiligen Bischofs Valentin stärke uns in unseren Beziehungen untereinander“

In Italien werden einige der Bänke für Verliebte besetzt sein und andere werden frei bleiben. So ist das halt in dieser Zeit. Doch wir müssen deswegen nicht kapitulieren. Vielleicht können Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, heute einen ihrer Mitmenschen, einen ihrer Liebsten, zu einer ähnlichen Bank für Verliebte einladen; indem sie miteinander telefonieren, Kontakt zu einem Seniorenheim aufbauen oder ein Gebet sprechen. Unsere aktuelle Wirklichkeit ist gegensätzlich, dies werden wir nicht auf einmal ändern können, doch es gibt immer wieder Wege, um füreinander da zu sein.
Schließen möchte ich mit einem Gebet zum Hl. Valentin und wünsche Ihnen damit einen gesegneten Valentinstag:
„Herr Jesus Christus, wir bitten Dich auf die Fürsprache des Heiligen Bischofs Valentin stärke uns in unseren Beziehungen untereinander, schenke ihnen Beständigkeit, Treue und Deinen besonderen Schutz. Amen.“

(radio vatikan - claudia kaminski)

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13. Februar 2021, 09:37