Suche

Bischof Wiesemann von Speyer Bischof Wiesemann von Speyer 

D: „Niederbronner Schwestern“ äußern sich zu Vorwürfen

Die Provinzoberin der „Niederbronner Schwestern“, Barbara Geißinger, antwortet in einer ausführlichen Stellungnahme auf Vorwürfe gegen ihren Orden.

In einem Kinderheim in Speyer, das die „Niederbronner Schwestern“ leiteten, soll es in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu zahlreichen Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern durch hochrangige Geistliche und Politiker des Bistums Speyer gekommen sein.

Am letzten Donnerstag hatte der Speyrer Bischof Karl-Heinz Wiesemann öffentlich gemacht, dass gegen einen verstorbenen früheren Generalvikar des Bistums unabhängig voneinander Vorwürfe sexuellen Missbrauchs durch drei Betroffene erhoben wurden. In diesem Zusammenhang informierte er auch über die Vorwürfe eines Betroffenen, der als Kind im Kinderheim der „Niederbronner Schwestern“ in Speyer vom Generalvikar missbraucht worden sei.

„Wir gehen fest davon aus, dass der Betroffene schwerwiegende Missbrauchserfahrungen gemacht hat“

Der Betroffene lebte, wie die Schwestern jetzt mitteilen, von 1963-1972 im Kinderheim in der Engelsgasse in Speyer. „Neben dem Vorwurf des 1000fachen Missbrauchs durch den hochrangigen Geistlichen des Bistums Speyer erhebt der Betroffene gegenüber den Schwestern allgemein diverse Vorwürfe, mit denen er auch in einem im Juni 2020 verkündeten Urteil des Sozialgerichts Darmstadt zitiert wird“, erklärt die Provinzoberin. „Auf Basis eines psychologischen und psychiatrischen Gutachtens hat das Sozialgericht den Betroffenen als glaubwürdig eingeschätzt und ihm Leistungen zugesprochen.“

Das Statement der „Niederbronner Schwestern“ fährt fort: „Wir haben keinen Anlass, die Bewertung der Glaubwürdigkeit des Betroffenen durch das Gericht in Frage zu stellen. Ebenso gehen wir fest davon aus, dass der Betroffene schwerwiegende Missbrauchserfahrungen gemacht hat. Auch das Bistum Speyer stellt nicht in Frage, dass der Betroffene über Jahre hindurch leidvollste Erfahrungen durch sexuellen Missbrauch durch den von ihm benannten hochrangigen Geistlichen erfahren hat.“

Einige Schilderungen - etwa über Sexparties - nicht nachvollziehbar

Einige von ihm im Gerichtsverfahren vorgetragenen Details seien für den Orden heute „allerdings nicht nachvollziehbar, weil uns dazu keine Belege vorliegen und diese weder durch eine Befragung von Schwestern noch durch die Staatsanwaltschaft bestätigt werden konnten“. Dazu zählten zum Beispiel Berichte über Sexparties unter Beteiligung von Priestern, Honoratioren und Politikern, Gruppenvergewaltigungen und die behauptete Prostitution der Kinder durch Schwestern sowie das Auffinden eines mutmßlich ermordeten Heimkindes und dessen anschließendes Verschwinden.

„Die Staatsanwaltschaft hätte sicherlich bei einem Todesfall, der mit Mord, der schwersten Straftat, die das deutsche Strafrecht kennt, in Zusammenhang stehen könnte, sofortige Ermittlungen eingeleitet“, so die Provinzoberin. „Bei der Suche nach klärendem Material für Vorfälle vor über 50 Jahren sind uns heute Grenzen gesetzt, insbesondere weil die Akten des Kinderheims sich nicht bei uns befinden. Wir gehen davon aus, dass, wenn überhaupt, allenfalls die Diözese Speyer noch über Akten aus dieser Zeit verfügen kann“.

Provinzoberin ist zu einem Gespräch mit dem Betroffenen bereit

Weiter heißt es in dem Statement: „Es ist für uns nicht fassbar, dass die vorgeworfenen grausamsten Handlungen und ihre Folgen weder von den Schwestern, von Mitarbeitern des Kinderheims noch vom Lehrkörper in den Schulen, die die Kinder besuchten, bemerkt und zur Sprache gebracht worden sein sollen. Auch der Schule oder dem Jugendamt hätten die Missbrauchsfälle und erst recht das Fehlen eines Kindes auffallen müssen.“

Der Orden habe in den letzten Jahren nach Hinweisen auf eine Beteiligung von Schwestern im Kinderheim gesucht, doch gebe es dafür jenseits der Angaben des Betroffenen keine Anhaltspunkte. Die Provinzoberin erklärt sich zu einem persönlichen Gespräch mit dem Betroffenen bereit. „Über das Geschehene hinaus sind wir fest entschlossen, die Missbrauchsfälle nach Kräften aufzuklären und prüfen zu lassen, inwiefern es Versäumnisse seit dem Bekanntwerden erster Vorwürfe im Jahr 2011 bezüglich der Klärung und Aufarbeitung gibt.“ Dazu soll bald eine unabhängige Aufarbeitungskommission eingerichtet werden.

„Wir müssen uns mit dieser Vergangenheit auseinandersetzen. Es gibt nichts zu beschönigen“

Wörtlich schreibt Schwester Barbara Geißinger: „Wir müssen uns mit dieser Vergangenheit auseinandersetzen. Es gibt nichts zu beschönigen.“ Leider seien die Verantwortlichen bereits verstorben und könnten nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. „Wir müssen uns vorbehaltslos mit dieser Vergangenheit auseinandersetzen.“

(pm – sk)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

18. Dezember 2020, 09:10