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Pater Eberhard v. Gemmingen, früherer Leiter der deutschen Redaktion von Radio Vatikan Pater Eberhard v. Gemmingen, früherer Leiter der deutschen Redaktion von Radio Vatikan 

Unser Sonntag: Jesu Versuchung in der Wüste

In der Fastenzeit begleitet uns bei Unser Sonntag der ehemalige Leiter der deutschen Abteilung von Radio Vatikan, Pater Eberhard von Gemmingen. Der Jesuit führt uns die Versuchungen vor Augen, so wie sie uns heute treffen können: Konsum, Show, Macht.

P. Eberhard Gemmingen SJ

1. Fastensonntag

Jesu Versuchung in der Wüste


Liebe Hörerinnen und Hörer,
Was will uns der Evangelist Matthäus mit diesem Evangelium sagen? Wohlgemerkt: Er will ja keine Biographie Jesu schreiben, sondern uns Szenen aus dem Leben Jesu zeigen, durch die wir Jesus kennen lernen. Matthäus will uns sagen: Jesus wurde versucht, er wurde zu gottwidrigem Handeln versucht. Aber Jesus ließ sich nicht verführen. Wir dürfen uns den Teufel nicht so vorstellen, wie ihn Maler durch Jahrhunderte gemalt haben. Das, was man Teufel nennt, sind diabolische Gedanken eines widergöttlichen personalen Geistes, die Gottes Gedanken widersprechen. Jesu wehrt sie ab. Besiegt die diabolischen Gedanken und tut den Willen des Vaters. Jesus wehrt die Versuchungen ab, die mit Hunger, Ehrsucht und Machtgelüsten kommen. Jesus gibt zu verstehen: Die Stillung des Hungers ist nicht das Wichtigste, Ehre von den Menschen ist gefährlich und teuflisch und die Versuchung, Macht auszuüben, ist diabolisch.

„Matthäus will zeigen, dass der Gehorsam gegen Gott – den Vater – wichtiger ist als das Stillen des Hungers.“

Hier zum Nachhören

Sich in Szene setzen...

Es folgt die zweite diabolische Versuchung. Es ist die Versuchung zur Show. Jesus soll seine Bedeutung vor dem Volk zeigen durch den Sprung vom Tempel. Der Diabolos begründet: Die Engel werden dich tragen, es wird dir nichts passieren. Wir müssen uns ja erinnern. Jesus will und soll ja das Reich Gottes verkünden, zeigen, dass er vom Vater gesandt ist. Das geht leichter, er wird leichter Erfolg haben, wenn man dem Volk eine Show bietet. Er muss sich in Szene setzen, die Blicke auf sich richten. Er muss erreichen, dass man von ihm spricht, dass man ihm nachläuft, dass er überzeugt, dass er es besser kann als andere, die sich als Messias ausgeben. Jesus durchschaut den Trick. Seine Antwort an die diabolische Versuchung: Du sollst den Herrn deinen Gott nicht versuchen.
Machen wir bei dieser Gelegenheit einen Sprung in unsere Zeit und in unsere Kirche. Durch die modernen Medien besteht eine besondere Gefahr, das Reich Gottes, die Sache Jesu durch eine Show aufzuwerten. Das Image spielt eine große Rolle. Der heutige Mensch will und kann sich in besonderer Weise zeigen, der Welt zeigen, sich darstellen. Auch für die Kirche besteht die Gefahr einer oberflächlichen Show, um die Aufmerksamkeit auf sich zu richten. Die Konkurrenz ist ja groß. Alle Firmen und alle Parteien wollen Aufmerksamkeit, wollen Beachtung, wollen Erfolg. Da ist die Kirche auch in besonderer Gefahr, dabei mitzumachen. Man muss zwar zugeben, dass etwa zur Zeit des Barock die katholische Kirche auch sehr viel Show gezeigt hat. Denken wir nur an den Bau von St. Peter in Rom und den Petersplatz. Ist das nicht Show? Nachdenkliche Christen werden immer wieder die Stirne gerunzelt haben. Nachdenklich werden sich gefragt haben.

„Matthäus will zeigen, dass der Gehorsam gegen Gott – den Vater – wichtiger ist als das Stillen des Hungers.“

Was hat das mit dem Mann am Kreuz zu tun, der die Welt erlöst hat? Aber damals ging es vermutlich doch etwas mehr als heute um die Ehre Gottes und nicht so sehr um den Erfolg. Heute denkt die Welt sehr in Konkurrenz und daher ist die Gefahr der Show besonders groß. Wir Heutigen sind in der Gefahr, die Kirche zu fördern durch gutes, menschennahes Image. Der Mann am Kreuz aber gibt kein gutes Image ab. Also wenn wir merken, dass wir zur eitlen Show verführt werden, dann können wir auch an Jesus denken. Er wurde versucht, das Volk zu gewinnen durch den Sprung vom Tempel. Er hat widerstanden. Du sollst den Herrn, deinen Gott nicht versuchen.

Nach dem Sinn des Lebens wird zu wenig gefragt

Und schließlich die Versuchung zur Macht. Die diabolische Stimme führte Jesus im Geist auf einen hohen Berg und zeigt ihm von dort alle Reiche der Erde mit ihrer Pracht. Und die Stimme flüsterte ihm ein: Dies alles werde ich dir geben, wenn du vor mir niederkniest und mich anbetest. Jesus wird versucht, den Diabolos anzubeten. Nicht Gott anzubeten, sondern den Widergott. Es ist die Umkehrung der Welt und ihrer Werte.
Gehen wir einmal in unsere Welt: Was setzen sehr viele Menschen in Europa an die Spitze ihrer Werte: Erstens finanzielle Sicherheit und damit Geld, genügend Freizeit und Möglichkeit zu Reisen, sich zu entspannen und etwas für die Gesundheit zu tun. Gleichzeitig sind wir für gesundes und gutes Essen, daher brauchen wir dann auch Fitness. Man will nach dem neusten Schrei gekleidet und frisiert sein. Das Aussehen und Ansehen spielt eine nicht unwichtige Rolle. Und für eine ganze Reihe von Menschen ist das Zuschauen beim Fußball der Gottesdienst. Endspiele sind Hochämter. Diese Menschen sind ja nicht böse, aber nach dem Sinn des Lebens wird vergleichsweise selten gefragt. Kinder und ältere Menschen werden oft als hinderlich empfunden.

Stille und Ruhe, um auf Gott zu hören

Ich möchte hier nicht wehklagen. Aber seien wir selbst aufmerksam. Wichtiger scheint mir noch, dass Jesus wirklich um den rechten Weg ringen musste, um die rechte Orientierung am Willen des Vaters. Dazu ist er vermutlich oft früh morgens zum Beten auf einen Berg oder Hügel gestiegen. Auch der heutige Mensch braucht Alleinsein, Stille, innere Ruhe. Die Stimme Gottes kann man nur hören, wenn es still ist, wenn man schweigt und ruhig ist.
Der jüdische Psychologe Erich Fromm hilft mit folgender Überlegung: „Wir müssen, um die Stimme unseres Gewissens zu hören, auf uns selbst hören können, und gerade das bereitet den meisten Menschen in unserer Kultur Schwierigkeiten. Wir hören auf jeden, wer es auch sein mag, nur nicht auf uns selbst. Auf sich zu hören, ist schwierig, weil diese Kunst noch eine andere Gabe voraussetzt, die beim heutigen Menschen selten geworden ist: mit sich allein sein zu können. Der Gedanke, uns selber ins Gesicht sehen zu müssen, scheint uns einen Schrecken einzujagen. Damit versäumen wir die Gelegenheit, auf uns selbst zu hören, und lernen unser Gewissen auch weiterhin nicht zu kennen. Zu ergänzen wäre, dass wir ohne ein Mindestmaß an persönlicher Besinnung auch nicht lernen, die Stimme Gottes zu vernehmen, die uns im Gewissen sagt: „Tue das Gute, meide das Böse.“

Jesus war auch ganz Mensch

Und noch einmal zurück zu Jesus: Ich vermute, dass Jesus am Abend vor seiner Kreuzigung, am Ölberg auch mit Versuchungen gerungen hat. Hat er vielleicht gekämpft mit dem Gedanken, im Dunkeln der Nacht zu fliehen. War der Gedanke vielleicht: Ich muss noch weiter versuchen, das Reich Gottes zu verkünden? Vielleicht versteht mich mein Volk doch noch. War er bitter enttäuscht, dass seine Jünger ihn verraten haben und dann eingeschlafen sind? War er verzweifelt, dass er versagt hat? Er fleht ja: nimm diesen Kelch von mir, aber nicht mein Wille geschehe, sondern der deine.
Mir scheint: Wir vergessen seltsamerweise oft, dass Jesus auch ganzer Mensch war. Weil wir gelehrt wurden, dass er Gott und Mensch ist, gehen wir immer davon aus, dass er ja zwar körperlich leiden konnte, aber geistig souverän war, alles vorauswusste, alles voraussah, alles in der Hand hatte. Nein: Es heißt ausdrücklich, dass er weinte, als er auf Jerusalem zukam, weil er enttäuscht war, dass die heilige Stadt des Volkes Israel sich dem Reich Gottes nicht zugewandt hatte. Jesus war erschüttert. Er musste ja mit großer Hoffnung angefangen haben.

„Als moderne Christen müssen wir vor allem und als erstes Christus besser kennen lernen.“

Als moderne Christen müssen wir vor allem und als erstes Christus besser kennen lernen. Ich fürchte, wir kennen ihn zu wenig. Wir kennen die Gebote und Sünden. Aber wir kennen unseren Herrn zu wenig, dem wir ja folgen wollen. Und schließlich zum Schluss noch ein wunderbarer Satz von Roger Schütz, dem Gründer von Taizé: „In jedem Menschen findet sich eine Schicht der Einsamkeit, die keine menschliche Verbundenheit auszufüllen vermag, auch nicht die stärkste Liebe zwischen zwei Menschen. Und doch bist du nie allein. Lass dich ausloten bis in dein innerstes Sein, und du wirst sehen, dass jeder Mensch dafür geschaffen ist, bewohnt zu sein. Dort in der Tiefe des Seins, wo keiner keinem gleicht, dort erwartet dich Christus.“
(vatican news - ck)

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29. Februar 2020, 09:44