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D: Vor zehn Jahren wurden die Missbrauchsfälle in der Kirche publik

Zehn Jahre ist es her, dass der Missbrauchsskandal am Berliner Canisius-Kolleg bekannt wurde und weite Kreise zog. Inzwischen ist viel geschehen, etwa an Aufarbeitung und Schutzkonzepten. Dennoch ist die Kirchenkrise im Zug des Missbrauchsskandals noch lange nicht überstanden. Die Katholische Nachrichtenagentur KNA mit einem Überblick.

An einem Januartag im Jahr 2010 machen sich in Berlin drei Männer, alle Mitte 40, auf den Weg in ihre frühere Schule, das katholische Canisius-Kolleg. Sie haben einen Termin mit dem Schulleiter, Pater Klaus Mertes, und wollen mit ihm darüber sprechen, was ihnen vor Jahrzehnten in der Einrichtung angetan wurde, wie sie von zwei Priestern bedrängt und missbraucht wurden. Dass sie an diesem 14. Januar eine Lawine lostreten, ist wohl keinem bewusst.

Mertes versichert den drei Männern, ihren Schilderungen zu glauben. Rund eine Woche später schreibt er einen Brief an ehemalige Schüler der 1970-er und 80-er Jahre und ruft sie auf, sich zu melden, wenn ihnen Ähnliches widerfahren ist. Am 28. Januar berichtet die „Berliner Morgenpost" zuerst über das Schreiben. In den kommenden Wochen melden sich mehr als 100 ehemalige Schüler. Und auch an anderen - nicht nur kirchlichen - Schulen werden Fälle publik.

Schnell wird klar, dass das Ausmaß immens ist. Und dass Kirche und Politik handeln müssen. Die katholische Kirche setzt mit dem Trierer Bischof Stephan Ackermann einen Missbrauchsbeauftragten ein, der auch am von der Bundesregierung einberufenen Runden Tisch sitzt. Matthias Katsch, einer der drei Schüler, die sich zuerst gemeldet hatten, gründet zusammen mit anderen Betroffenen die Initiative „Eckiger Tisch".

Verschärfung der Leitlinien

Seitdem ist viel passiert: Die katholische Kirche verschärfte ihre Leitlinien zur Prävention und zum Umgang mit Missbrauchsfällen mehrmals, ab 2020 sollen sie für alle Bistümer einheitlich und bindend werden. Betroffene können zudem eine Anerkennungszahlung beantragen. Die Bischöfe gaben eine Studie zum Missbrauch in der Kirche in Auftrag, deren Ergebnisse nicht zuletzt den Reformprozess Synodaler Weg mit einleiteten. Inzwischen gibt es in beiden Kirchen Anlaufstellen und Missbrauchsbeauftragte.

Auch die Politik beließ es nicht bei den Empfehlungen des Runden Tisches: Auf die schnell eingesetzte erste Missbrauchsbeauftragte, die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD), folgte 2011 Johannes-Wilhelm Rörig. In diesem Jahr wurde das Amt entfristet. Rörig hat es noch immer inne, inzwischen berät ihn ein Betroffenenrat. Zudem gibt es eine unabhängige Aufarbeitungskommission, bei der sich bereits rund 1.700 Opfer aus allen gesellschaftlichen Bereichen gemeldet haben. Ein 2019 eingesetzter Nationaler Rat mit Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft soll noch stärker darauf achten, dass Beschlüsse und Vorgaben umgesetzt werden.

Mehr Rechte vor Gericht

Opfer von sexuellem Missbrauch haben inzwischen auch mehr Rechte vor Gericht. So brauchen sie bei einem Prozess nicht mehrfach auszusagen. Zudem wurden die zivilrechtlichen und vor wenigen Wochen auch die strafrechtlichen Verjährungsfristen bei Missbrauch verlängert. 2019 wurde zudem das Opferentschädigungsgesetz reformiert, so dass jetzt auch Betroffene von sexueller Gewalt leichter Hilfe und Unterstützung bekommen können. Gegen Kinderpornografie im Internet verschärfte die Bundesregierung ebenfalls die Gesetze. Seit ein paar Jahren ist auch der Verkauf oder Handel mit Nacktbildern von Kindern und Jugendlichen sowie der Besitz sogenannter Posing-Fotos strafbar.

Trotz aller Maßnahmen bleibt die Zahl der gemeldeten Missbrauchsfälle erschreckend hoch. Rund 14.600 gemeldete Fälle gab die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2018 an. Rörig will deshalb 2020 eine große Aufklärungskampagne im Stil der Anti-Aids-Kampagne aus den 1980er-Jahren starten und mehr Menschen für das Thema sensibilisieren.

Auch für die Kirchen bleibt die Bekämpfung von Missbrauch weiter ganz oben auf der Prioritätenliste. Neben den einheitlichen Leitlinien für alle Bistümer sollen 2020 die Eckpunkte zur Aufarbeitung von Missbrauch umgesetzt werden, auf die Rörig und Ackermann sich verständigt hatten. Uneins sind die Bischöfe noch darüber, in welcher Höhe Entschädigungen gezahlt und wie diese finanziert werden sollen.

(kna – gs)

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06. Januar 2020, 11:42