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Der Papst im Oktober letzten Jahres am Rand der Jugendsynode Der Papst im Oktober letzten Jahres am Rand der Jugendsynode 

Christus vivit: „Ermutigendes Papier mit fehlenden Themen“

„Er hat sehr gut zugehört und die verschiedenen Stimmen erkennbar gemacht.“ Das ist der Eindruck von Regina Laudage-Kleeberg, Leiterin der Abteilung Jugend im Bistum Essen, über das Papstschreiben „Christus vivit“. Dennoch fehlen aus ihrer Sicht wichtige Themen.

Franziskus hat das Apostolische Schreiben am Dienstag veröffentlicht. Es fasst die Ergebnisse der Bischofssynode zum Thema Jugend zusammen, die letzten Herbst im Vatikan stattgefunden hat.

Dem Papst gelinge es mit dem Text, jungen Leuten Mut zu machen, urteilt Laudage-Kleeberg im Gespräch mit dem Kölner Domradio. „Die jungen Menschen haben 77 Seiten vor sich, da müssen sie sich erst mal ein bisschen durchkämpfen. Er hat eine zentrale Sache gemacht, die ich besonders wichtig finde: Er hat diese ganz große Verschiedenheit im Jugendbereich sichtbar gemacht: Es gibt nicht die Jugend, sondern ganz viele, sehr unterschiedliche junge Menschen. Das ist sichtbar in dem Papier. Er hat sehr gut zugehört und die ganz verschiedenen Stimmen in seinem Schreiben erkennbar gemacht.“

„Das stellt er hin und dann passiert nichts...“

Franziskus geht in seinem Text auch auf die Themen Liebe und Partnerschaft ein. Homosexualität aber wird nahezu gänzlich ausgeklammert. Dazu Laudage-Kleeberg: „Auf jeden Fall halte ich das für ein großes Versäumnis. An einer Stelle sagt er, junge Menschen entfernen sich in vielen Stellen von der Kirche, vor allen Dingen aufgrund ihrer Sexualmoral. Das befremdet sie. Sie fordern eine Klärung in Bezug auf verschiedene Themen in diesem Bereich, Identität von Mann und Frau – was ist der Unterschied? Aber eben auch Homosexualität. Das stellt er hin und dann passiert nichts. Dann kommt das nächste Thema.“

Zum Nachhören

„Ich habe mir an den Kopf geschlagen“

Schwierigkeiten hat die Essenerin auch mit einem Ratschlag von Franziskus im Bereich sexueller Missbrauch. Da schreibt der Papst, Jugendliche sollten einen Priester ansprechen, wenn sie den Eindruck hätten, dass er zu Übergriffen neigt. „Ich habe mir an den Kopf geschlagen! Sie müssen sich das mal bildlich vorstellen. Das ist nicht ja so, wie wenn ich jemanden sehe, der gerade eine Banane klaut… Wenn ich wahrnehmen würde, dass jemand zu Übergriffen, zu sexualisierter Gewalt neigt, dann soll ich ihn bitte daran erinnern, dass er eine Verpflichtung gegenüber Gott und der Kirche hat? Das kann mir keiner erzählen, dass das jemand macht!“

Der Papst meine es bestimmt gut, glaubt Laudage-Kleeberg. „Aber das ist jenseits aller Realität. Die Person, die sowas feststellt, hat in der Regel entweder selbst eine Betroffenheit oder ist zutiefst betroffen, weil jemand, den sie kennt, möglicherweise übergriffig geworden ist. Dann soll ich hingehen und sagen: Entschuldigen Sie bitte, Sie kommen Ihrer Verpflichtung gegenüber Gott und der Kirche nicht nach? Das ist völlig unrealistisch.“

„In seiner Geisteshaltung geht das über den Glauben“

Doch die Leiterin der Abteilung Jugend im Bistum Essen glaubt, dass dieser Punkt etwas mit Franziskus‘ „Glaubens- und Wertehaltung“ zu tun hat. „In seiner Geisteshaltung geht das über den Glauben. Er wird an einer Stelle später nämlich ganz göttlich und sagt: Gott und Jesus Christus werden uns die Erneuerung in der Kirche schenken. Was nicht passiert ist das, was wir hier in Deutschland fordern - die realistischen und konkreten Veränderungen von Handlungen durch Verantwortliche in der Kirche. Es wird um die Hilfe Gottes gebeten. Deshalb wundere ich mich auch nicht, dass er sagt, andere auf Verpflichtungen gegenüber Gott und Kirche anzusprechen.“

Das Format ist für vatikanische Verhältnisse schon sehr jung

Aber Laudage-Kleeberg hat nicht nur Kritikpunkte. Ihr überwiegender Eindruck von „Christus vivit“ ist positiv. „Ich weiß nicht, ob Sie in ihrer Jugendzeit so 77-seitige vatikanische Papiere gelesen haben. Ich finde, das Format ist für vatikanische Verhältnisse schon sehr jung, angenehm und frisch, aber für die tatsächliche Zielgruppe meines Erachtens völlig fehl am Platz. Dennoch, wenn man sich durchschlägt, dann ist da ganz viel Tolles drin. Wir haben das als Postkartensprüche aufgezogen, manche junge Leute sammeln ja Postkartensprüche. Da sind ganz viele, sehr schöne, ermutigende Sachen drin, beispielsweise „Das Herz eines jungen Menschen ist heiliger Boden“. Die Erwachsenen sollen also bitte die Schuhe ausziehen…“

„Eine ganz große Bestätigung und Ermutigung für das, was wir tun“

Es steckten „sehr viel Ermutigung und viel Zusage“ in dem Papier, „ganz viel Starkes“, „eine große Einladung zum Glauben“. Man müsse es allerdings übersetzen, „und zwar sehr ordentlich“. Das sei von nun an die Aufgabe derer, die etwas mit Jugendarbeit zu tun haben.

„Für uns bringt das sehr viel, weil es bestätigt in dem, was wir tun. Der Papst hat gesagt, es gibt zwei zentrale Handlungslinien für Jugendpastoral: zum einen die Suche nach Gott, zum anderen die Begleitung bei jungen Menschen, sich zu entwickeln und die eigene Identität zu klären. Genau das tun wir. Insofern ist das eine ganz große Bestätigung und Ermutigung für das, was wir tun.“

(domradio köln/vatican news – sk)
 

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05. April 2019, 09:54