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Beim Requiem für Kardinal Karl Lehmann in Mainz Beim Requiem für Kardinal Karl Lehmann in Mainz 

„Zu sehr im Diesseits verkrallt“: Kardinal Lehmanns Erkenntnis über die Kirche

Christen und Kirche in Deutschland haben in den vergangenen Jahrzehnten den Mittelpunkt des christlichen Glaubens vernachlässigt. Das bekannte Kardinal Karl Lehmann in seinem Geistlichen Testament, das beim Requiem in Mainz am Mittwoch auszugsweise verlesen wurde.

„Wir haben uns alle, gerade in der Zeit nach 1945, tief in die Welt und das Diesseits vergraben und verkrallt, auch in der Kirche", zitierte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf beim Requiem aus dem von Lehmann hinterlassenen Vermächtnis. „Dies gilt auch für mich", hatte Lehmann darin unterstrichen, und er bitte Gott und die Menschen um Vergebung.

Kohlgraf zeigte sich in seiner Predigt auch beeindruckt von der Reaktion vieler Menschen auf den Tod von Lehmann. Wie nur wenige andere habe der Kardinal die wissenschaftliche Theologie, den priesterlichen und bischöflichen Dienst sowie die Zuwendung zu den Menschen in der Seelsorge verbunden. Das hätten die Menschen intensiv gespürt. 

„Wir haben uns alle, gerade in der Zeit nach 1945, tief in die Welt und das Diesseits vergraben und verkrallt, auch in der Kirche. Dies gilt auch für mich.“

Lehmann habe darauf gedrungen, dass Theologie und Glauben mit den anderen Wissenschaften und der Welt im Gespräch bleiben müssten, damit sie nicht sektiererisch würden, betonte sein Nachfolger als Mainzer Bischof. „Ein eigenes festes Glaubensfundament braucht die Offenheit, die geistige Weite", charakterisierte Kohlgraf die Haltung Lehmanns. Für diese Haltung habe der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) auch Kritik und Gegenwind einstecken müssen, etwa in der Frage der Schwangerenkonfliktberatung und der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Eucharistie. „Er hat sich dem päpstlichen Lehramt gefügt und persönliche Niederlagen eingesteckt, ohne zu verbittern", sagte Kohlgraf. 

Zugleich bekannte der Kardinal in seinem Geistlichen Testament, er habe in seinem Leben immer mehr unter dem Bewusstsein gelitten, wie abgrundtief zwiespältig das irdische Leben und die menschliche Macht sein könnten. „Unsere Erde und weithin unser Leben sind in vielem wunderbar, schön und faszinierend, aber sie sind auch abgrundtief zwiespältig, zerstörerisch und schrecklich", schrieb der Kardinal: „Das brutale Denken und rücksichtsloses Machtstreben gehören für mich zu den schärfsten Ausdrucksformen des Unglaubens und der Sünde." 

„Es ging mir immer um die Einheit im Glauben in der Vielfalt unseres Lebens, ohne Scheuklappen und Uniformismus“

Tausende Menschen hatten vor dem Requiem den Trauerzug von Kardinal Lehmann begleitet. Mehr als 350 Mitwirkende, darunter sieben Kardinäle sowie 200 Bischöfe und Priester gaben dem verstorbenen Mainzer Bischof das letzte Geleit von der Augustinerkirche zu seiner Grablege im Dom.

Im Geistlichen Testament hat Lehmann auch Rückschau auf über 20 Jahre Vorsitzfunktion in der Bischofskonferenz gehalten. „Es ging mir immer um die Einheit im Glauben in der Vielfalt unseres Lebens, ohne Scheuklappen und Uniformismus." Theologie und Kirche „haben mein Leben in Atem gehalten, ich würde wieder so wählen". Er danke „Gott für alle Gaben, besonders die Menschen, die er mir geschenkt hat, besonders auch meine Eltern, Lehrer und meine Heimat".

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21. März 2018, 18:20