Am neuen Grenzposten im Latschin-Korridor, am 9. August Am neuen Grenzposten im Latschin-Korridor, am 9. August  (AFP or licensors)

Berg-Karabach: „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“

Mit großer Sorge blicken Armenier, Menschenrechtler und die UNO auf die anhaltende Blockade von Armeniern in Berg-Karabach durch Aserbaidschan. „Es ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und niemand unternimmt etwas.“

Das sagt der armenische Patriarch von Kilikien, Raphaël Bedros XXI Minassian, in einem Appell. Die Aserbaidschaner hätten in der Waffenstillstandsvereinbarung von 2020 eigentlich versprochen, den sogenannten Latschin-Korridor offen zu halten. „Stattdessen ist der Korridor nun seit einem halben Jahr umzingelt und blockiert.“

Den Menschen in Berg-Karabach, die auf Lieferungen durch den Latschin-Korridor angewiesen sind, gehen allmählich Lebensmittel und Medikamente aus. Benzin gibt es überhaupt nicht mehr, darum ist der Verkehr ganz zum Erliegen gekommen. Ein französischer EU-Abgeordneter spricht von einem lautlosen Völkermord. „Es gibt dort Kinder, alte Menschen, kranke Menschen, hungernde Menschen“, so der Patriarch. „Europa, die USA, Russland, alle großen Weltmächte werden im 21. Jahrhundert Zeugen eines Völkermords, aber sie tun nichts.“ Er fühle sich an den Völkermord an Armeniern zu Beginn des Jahrhunderts im Osmanischen Reich erinnert.

Werden die Armenier in Berg-Karabach ausgehungert?

Latschin ist die einzige Landverbindung zwischen Berg-Karabach und der Republik Armenien; es wird seit dem 12. Dezember letzten Jahres von Aserbaidschan effektiv blockiert. Zunächst sperrten vorgebliche Umweltschützer den Zugang, mittlerweile haben aserbaidschanische Sicherheitskräfte dort einen Kontrollpunkt errichtet. Die Waffenstillstands-Erklärung vom November 2020, die auf Vermittlung Russlands zustande gekommen war, hatte eigentlich den reibungslosen Verkehr von Menschen, Fahrzeugen und Gütern durch den Latschin-Korridor garantiert.

Der Patriarch sieht das Leben von 120.000 Armeniern, darunter 30.000 Kinder, in Berg-Karabach gefährdet. In den letzten Tagen haben sich auch der Weltrat der Kirchen (ÖRK) und die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) zu Wort gemeldet. In einem gemeinsamen Schreiben an die Europäische Union fordern sie Maßnahmen, damit die Blockade unverzüglich aufgehoben wird. Die beiden Einrichtungen sprechen von einem „tragischen Ausmaß“ der „anhaltenden Entbehrung und des Leidens der Zivilbevölkerung“, von einer „erschöpften Bevölkerung, die völlig isoliert ist, ohne Lebensmittel, Medikamente, Strom und Brennstoff“.

 

Kämpfe, Kriege, endloser Konflikt

Seit mehr als 30 Jahren kämpfen Armenien und Aserbaidschan um das Gebiet im Südkaukasus, das hauptsächlich von ethnischen Armeniern bewohnt wird. Um den Besitz des Gebiets haben die beiden Länder zwei Kriege geführt, in denen Tausende von Menschen getötet wurden. Im Jahr 2020 vermittelte Russland ein Waffenstillstandsabkommen, das es Aserbaidschan ermöglichte, einen großen Teil des Staatsgebiets, das Armenien seit Anfang der 1990er Jahre besetzt hatte, zurückzuerobern. Der Waffenstillstand hat jedoch den Frieden nicht gesichert, und es kommt immer wieder zu gewalttätigen Zwischenfällen.

(sir – sk)
 

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14. August 2023, 13:48