Um Religionsfreiheit ist es weltweit nicht gut bestellt: Rot steht für Verfolgung, Kriminalität und Gewalt gegen Religionsangehörige; Orange für Diskriminierung, Kriminalität und Gewalt gegen Religionsangehörige Um Religionsfreiheit ist es weltweit nicht gut bestellt: Rot steht für Verfolgung, Kriminalität und Gewalt gegen Religionsangehörige; Orange für Diskriminierung, Kriminalität und Gewalt gegen Religionsangehörige  

Dschihadismus und Corona schränken Religionsfreiheit ein

Schwerwiegende Verstöße gegen die Religionsfreiheit werden derzeit vor allem von Dschihadisten in Afrika und unter dem Vorwand von Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus begangen. Das geht aus einem aktuellen Bericht des päpstlichen Hilfswerkes „Kirche in Not“ hervor. Papst Franziskus‘ Wirken stellt das Papier ein positives Zeugnis aus.

Xavier Sartre und Anne Preckel - Vatikanstadt

Mit der Religionsfreiheit ist es in den letzten zwei Jahren bergab gegangen, legt der Bericht dar: Wurde das Grundrecht 2018 noch in jedem fünften Land verletzt, so wird die Religionsfreiheit nun in einem Drittel der Staaten nicht respektiert. So sind in 62 der 196 untersuchten Länder Gläubige Verfolgung oder Diskriminierung ausgesetzt.
Die von „Kirche in Not“ erhobenen Daten zeigen Verfolgung in 26 Ländern und Diskriminierung in 36 weiteren auf. In 30 Ländern wurden Menschen aus Glaubensgründen ermordet. In jedem fünften Land mussten Menschen, die ihre Religionsgemeinschaft verlassen, mit massiven rechtlichen oder sozialen Konsequenzen rechnen. Im Ganzen sind zwei Drittel der Weltbevölkerung davon betroffen. Zu den schwersten Rechtsverletzern zählten einige der bevölkerungsreichsten Staaten der Erde, darunter China, Indien, Pakistan, Bangladesch und Nigeria.

Islamistischer Terror und „Cyber-Kalifat“

Für die Verschlechterung der Religionsfreiheit gibt es drei Hauptursachen, geht aus dem Bericht hervor: Vor allem in der Sahelzone breite sich der islamistische Terrorismus aus, erklärt Benoît de Blanpré, Direktor von „Kirche in Not“ Frankreich, im Interview mit Radio Vatikan. In der Gegend seien lokale Varianten des Islamischen Staates und von Al-Qaida aktiv, die versuchten, eine Art „interkontinentales Kalifat“ zu errichten. Auch die aktuellen Vorgänge in Mosambik zeigten ein aggressives Vorgehen von islamistischen Kämpfern gegen die Zivilbevölkerung auf. 

Wie die Erhebung von Kirche in Not darlegt, dehnen sich transnationale dschihadistische Netzwerke inzwischen von Nordafrika bis über den Äquator in den Süden und nach Osten über den Indischen Ozean bis zu den Philippinen aus. Die Radikalisierung einheimischer Milizen werde vorangetrieben, und ein global expandierendes „Cyber-Kalifat“ sei nunmehr gängiges Instrument der Online-Rekrutierung von Attentätern im Westen.

Corona, Vorwände und Vorurteile

Ein zweiter Grund für die Verschlechterung der Religionsfreiheit liegt in der Corona-Pandemie, referiert Benoît de Blanpré weiter. Dieser Aspekt sei neu und habe auch „Kirche in Not“ überrascht: Einerseits gebe es in vielen Ländern der Welt Hindernisse für die Religionsausübung. So werde die Corona-Pandemie auch als Vorwand genutzt, um die Religionsausübung weiter einzuschränken. Andererseits hätten sich mit Corona Vorurteile verstärkt, deren Opfer religiöse Minderheiten sind, die für die Ausbreitung des Virus verantwortlich gemacht werden.

Islamistische Terrorgruppen wie al-Qaida, der „Islamische Staat“ und Boko Haram präsentierten in Propaganda-Videos Covid-19 als Strafe Gottes für den „dekadenten Westen“. Dschihadisten wird Immunität und ein sicherer Platz im Paradies versprochen. Im Internet verbreiteten sich Verschwörungstheorien, denen zufolge Juden den Ausbruch verursacht hätten. Es traf - je nach Land - aber auch andere Minderheiten: in Indien Muslime, in China, Niger, der Türkei und Ägypten wurden Christen verantwortlich gemacht. In Pakistan verweigerten laut dem Bericht islamische Wohltätigkeits-Organisationen Christen Nahrungsmittelhilfe und Notfall-Kits.


Populismus und sexuelle Gewalt gegen Frauen 

Schließlich sei die Verstärkung eines religiösen Nationalismus eine weitere Hauptursache für die Diskriminierung religiöser Minderheiten, legt der Bericht weiter dar - vor allem in Indien und Sri Lanka. In einigen asiatischen Ländern mit überwiegend hinduistischer oder buddhistischer Bevölkerung würden in diesem Kontext Minderheitenangehörige zu Bürgern zweiter Klasse degradiert.

Für immer mehr Länder verzeichnet der Report einen Einsatz sexueller Gewalt gegen Frauen religiöser Minderheiten als Waffe. Repressive Überwachungstechnologien nähmen zunehmend Glaubensgemeinschaften ins Visier, etwa in China.

Hoffnungsvolle Gesten und juristische Erfolge

Anlass zur Hoffnung gibt derweil der Einsatz des Papstes zugunsten des Religionsfriedens. Im Interview mit Radio Vatikan erwähnt Benoît de Blanpré den Besuch der südsudanesischen Führer im Vatikan, die sich „am selben Tisch versammelten“ und die Franziskus buchstäblich um Frieden „bekniete“ sowie die Unterzeichnung des Dokumentes über die menschliche Geschwisterlichkeit mit dem Großimam der Al-Azhar-Universität.

Für die Islamische Republik Pakistan verzeichnet der Report inmitten der Zunahme von Gerichtsverfahren wegen Blasphemie auch juristische Erfolge zugunsten religiöser Minderheiten. So hätten höhere Instanzen mehrere Urteile aufgehoben wie etwa im Fall der Katholikin Asia Bibi, die im Januar 2019 freikam und unter Geheimhaltung nach Kanada ausreisen konnte - nach neun Jahren in der Todeszelle. Diese Dynamik sei „ermutigend“ und ein „Hoffnungsschimmer in einer dunklen Landschaft“ - „sofern es gelingt, sie aufrechtzuerhalten“.

Die Corona-Pandemie ließ mancherorts Religionsgemeinschaften auch zusammenrücken. In Bangladesch begrub eine islamische Wohltätigkeitsorganisation auch hinduistische und christliche Covid-19-Tote. In Zypern, wo Grenzschließungen Christen und Muslime daran hinderten, ihre jeweiligen religiösen Stätten zu besuchen, beteten türkisch-zypriotische Muslime am Grab des Apostels Barnabas, dem Schutzpatron des geteilten Inselstaates. Auf Kuba genehmigte die kommunistische Regierung erstmals eine Übertragung des Kreuzwegs von Papst Franziskus und der Ostergottesdienste im Staatsfernsehen.

Internationale Gemeinschaft sollte mehr tun

Die internationale Gemeinschaft reagiert nach Einschätzung des Geschäftsführenden „Kirche in Not“-Präsidenten Thomas Heine-Geldern bislang „zu wenig und zu spät“ auf Gewalt aus Gründen der Religion. Dabei handle es sich um ein wachsendes globales Phänomen; die aktuellen Zahlen gäben Anlass zu „größter Besorgnis“. Die Statistik erinnere daran, dass es viele Millionen Menschen weltweit gebe, die wegen ihres Glaubens unvorstellbares Leid erdulden müssten. „Kirche in Not“ werde sich weiter bemühen, den Betroffenen eine Stimme zu geben.

Inzwischen rückt auch der Westen in den Fokus des Hilfswerks. In einigen OSZE-Ländern werde etwa das Recht von Angehörigen der Gesundheitsberufe, die Mitwirkung an Abtreibungen oder Sterbehilfe aus religiösen Gründen zu verweigern, nicht mehr ausreichend gesetzlich geschützt.

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800 Seiten starker Report

Insgesamt umfasst der neue Bericht 800 Seiten. Er kann im Internet unter www.religionsfreiheit-weltweit.de eingesehen werden. Erstellt hat ihn laut „Kirche in Not“ ein internationales Team von 30 Autoren. Die Publikation ist in sechs Sprachen zugänglich. Für den deutschsprachigen Raum findet am kommenden Donnerstag in Berlin eine eigene Präsentation des Reports „Religionsfreiheit weltweit“ statt. Dabei werden sich neben „Kirche in Not“-Präsident Heine-Geldern unter anderen der Beauftragte der deutschen Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel, und der Berliner Erzbischof Heiner Koch zu den Ergebnissen der Studie äußern.


(vatican news/kap – pr)

 

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21. April 2021, 09:46