März 2019: Papst Franziskus mit Mitgliedern der Päpstlichen Stiftung Gravissimum Educationis, bei der das Projekt angesiedelt ist März 2019: Papst Franziskus mit Mitgliedern der Päpstlichen Stiftung Gravissimum Educationis, bei der das Projekt angesiedelt ist  

Demokratie – ein Anliegen für die katholische Kirche

Das vatikanische Bildungsprojekt zum Thema Demokratie nimmt Fahrt auf. Dieser Tage fand im Vatikan ein Vorbereitungsseminar mit Vertretern von Universitäten aus allen Erdteilen statt. Wir sprachen mit einem von ihnen, dem Rechtsphilosophen Draiton Gonzaga de Souza aus Brasilien. Er ist Dekan der „School of Humanities“ der Päpstlichen katholischen Universität in Rio Grande do Sul.
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Vatican News: Demokratisches Denken und demokratische Staatsgestaltung sind zu einer Zeit entstanden, die weit zurückliegt. Im Lauf der Entwicklung ist es zu einer Schwächung der Demokratie gekommen. Warum ist es nötig, demokratisches Denken heute neu auszurichten?

Gonzaga de Souza: „Wir stellen eine gewisse Gefährdung der Demokratie fest, weltweit, sogar in Europa, wo die Demokratie entstanden ist. Das ist auch in Brasilien so. Es gibt Tendenzen, die demokratiefeindlich sind. Unser Ziel ist hervorzuheben, dass Demokratie einen wichtigen Stellenwert hat, trotz der Probleme, die in der Demokratie vorhanden sind. Es gibt keine perfekte Regierungsform, aber unter den Formen, die es gibt, ist die Demokratie auf jeden Fall vorzuziehen.“

 

Vatican News: Woran liegt es, dass die Demokratie in Bedrängnis ist?

Gonzaga de Souza: „Mit Blick auf Brasilien würde ich sagen, wir hatten eine Zeit der Diktatur, und nach deren Ende ist leider die Armut nicht zurückgegangen, und die Kriminalität auch nicht. Deswegen entstehen radikale Bewegungen bei uns, die fragen: Was hat uns die Demokratie denn gebracht? Hatten wir es nicht besser in der Diktatur, mehr Sicherheit, sogar mehr Wohlstand? Das ist eine Gefährdung der Demokratie. Es ist zu einfach zu denken, dass mit der Demokratie viele Nachteile für die Bevölkerung gekommen sind. Aber das meint der ungebildete Bürger öfter.“

Vatican News: Genau deshalb ist ein Bildungsprojekt zum Thema Demokratie sehr vonnöten. Was genau lernen wir eigentlich, wenn wir Demokratie lernen?

Gonzaga de Souza: „Der eine Punkt, der wichtig ist, ist dass wir als Bürger, alle, mitverantwortlich sind für die Entscheidungen, die in einem Staat stattfinden. Wir können nicht denken, dass der Staat eine innere Dynamik und Logik hat, und wir als Bürger nichts damit zu tun haben. Und hier kommt das Element der Partizipation zum Tragen. Es ist äußerst wichtig, für diese partizipatorischen Momente zu bilden; zu wissen, dass wir mitverantwortlich sind für die Gestaltung einer Gesellschaft.“

„Es ist äußerst wichtig, für diese partizipatorischen Momente zu bilden; zu wissen, dass wir mitverantwortlich sind für die Gestaltung einer Gesellschaft.“

Vatican News: Lernen heißt nicht, jemandem etwas beizubringen. Lernen heißt für das Subjekt, dass es selbst begreift. Was muss das Subjekt selbst begreifen, um der Gefahr der Fundamentalisierung weniger ausgesetzt zu sein, als wir das heute sehen?

Gonzaga de Souza: „Das ist bereits ein Thema bei den Griechen – was heißt lernen. Haben wir den Stoff in uns, oder wird er uns aufgesetzt? Was wir betonen wollen, ist die Anleitung zum Selbstdenken. Wir zwingen den Bürgern also nicht auf, Entscheidungen zu treffen, sondern wir leiten sie an, über gesellschaftliche Prozesse nachzudenken. Das ist unsere Initiative. Kant sagte, wir werden den Menschen nicht Philosophie beibringen, sondern das Philosophieren. Wir wollen diese Werkzeuge zur Verfügung stellen, damit die Leute selbst dazu kommen, partizipatorisch die Gesellschaft zu gestalten.“

Vatican News: Die Annäherung zwischen katholischer Kirche und Demokratie verlief anfangs unglücklich. Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Das ist schon lange anders. Warum ist es gerade der katholischen Kirche ein Anliegen, dass die Demokratie als Regierungsform weiterhin trägt?

Gonzaga de Souza: „Auch in der katholischen Kirche finden Lernprozesse statt. Die Kirche ist unterwegs, sie hat eine Expertise, was die Menschheit anlangt, aber sie ist auch lernfähig. In diesem Zusammenhang will nun die Kirche dazu beitragen, dass Demokratie immer mehr stattfindet, zum Beispiel durch die Teilnahme der Bürger. Im Hinblick auf die Achtung der Menschenwürde – dass wir demokratische Instanzen entwickeln, damit die Menschenwürde weiterhin und immer stärker berücksichtigt wird.“

(vatican news – gs) 

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18. September 2019, 15:58