Die Vollversammlung der Bischöfe beim Zweiten Vatikanum - hier 1963. Die Vollversammlung der Bischöfe beim Zweiten Vatikanum - hier 1963. 

Vatikan: 150 Jahre Einberufung Erstes Vatikanum

Als eines der kürzesten und zugleich einschneidendsten Konzilien der Kirchengeschichte war es gedacht als Absage an "Zeitirrtümer" und zur Proklamation des Papstprimats - das gelang knapp.

Es war die bis dahin größte Kirchenversammlung aller Zeiten, die Papst IX. am 29. Juni 1868 zur 1.800 Jahrfeier des Martyriums der Apostel Peter und Paul ankündigte. Insgesamt 774 der 1.050 stimmberechtigten Kardinäle und Bischöfe der Weltkirche kamen zum Ersten Vatikanischen Konzil, das am 8. Dezember 1869 in Rom eröffnet wurde. Seit dem Konzil von Trient vor 300 Jahren (1545 – 63) hatte es eine solche Versammlung nicht mehr gegeben. Und schon nach acht Monaten wurde dieses nach römischer Zählung 20. Ökumenische Konzil aufgrund der politischen Wirren auf unbestimmte Zeit vertagt.

Vorangegangen waren der Einberufung jahrelange Geheimsondierungen. Es sollte die katholische Welt zu einer machtvollen Manifestation der Wahrheit versammeln, die kirchliche Disziplin den veränderten Zeitverhältnissen anpassen und angesichts der "Irrtümer der Zeit" die kirchliche Lehre neu bekräftigen.

 

Verurteilung von Irrlehren

 

 

Bereits 1864 hatte Pius IX. im sogenannten Syllabus errorum diese "Irrtümer" zusammengefasst und verurteilt. Schon vor dem Konzil spitzten sich die Spannungen zu, als publik wurde, bei der Kirchenversammlung solle die Unfehlbarkeit des Papstes verkündet werden, notfalls durch Akklamation ohne formale Abstimmung.

In Deutschland war der Theologe Ignaz Döllinger Wortführer im Kampf gegen dieses Ziel. Das Konzil tagte im rechten Querhaus des Petersdoms, das durch eine bemalte und Marmor vortäuschende Holzwand abgetrennt war. Die Akustik war miserabel. Denn praktisch nur die jüngeren Konzilsväter konnten den meist in schleppendem Kirchenlatein vorgetragenen Interventionen problemlos folgen. Erstmals wurden wie im parlamentarischen Geschäft stenografische Protokolle angefertigt. Anders als bei früheren Konzilien waren die Vertreter der politischen Mächte nicht geladen, wohl aber die Patriarchen der von Rom getrennten Ostkirchen - die jedoch der Einladung nicht folgten.

„Verabschiedet: Dogmatische Konstitution "Dei filius"“

Von den 51 vor dem Konzil 51 entworfenen Dekrete kamen nur zwei Beratung und Abstimmung. In seiner dritten Sitzung am 24. April 1870 verabschiedete das Konzil die dogmatische Konstitution "Dei filius" über den katholischen Glauben. Darin entfaltete es die Lehre von Schöpfung und Glaubensakt sowie das Verhältnis von menschlicher Vernunft und göttlicher Offenbarung.

Zugleich verurteilte es Atheismus, Materialismus, Pantheismus, Rationalismus und Traditionalismus. Die Behandlung des zweiten Teils über die Dreifaltigkeit sowie über Erschaffung, Fall und Erlösung des Menschen wurde auf Drängen vieler Konzilsväter verschoben.

 

Deutsche Bischöfe: Bedenken gegen Papstprimat

 

Denn mit Spannung erwarteten sie die Debatte über den Papstprimat - also über den Papst als höchste Rechtsgewalt (Jurisdiktionsprimat) und als höchste Lehrvollmacht, wenn er Entscheidungen zu Lehr- und Moralfragen "ex cathedra" als unfehlbar verkündet. Eine Minderheit, darunter 15 der 20 deutschen Bischöfe, äußerte Bedenken: Eine solche Definition öffne dem Missbrauch des kirchlichen Lehramts Tür und Tor. Noch in der Vorbereitungssitzung stimmten von 601 anwesenden Konzilsvätern 451 mit Ja, 88 mit Nein, und 62 verlangten Änderungen. Nachdem ein letzter Vermittlungsversuch der Kritiker bei Pius IX. gescheitert war, reisten 57 von ihnen vorzeitig ab, um nicht in Anwesenheit des Papstes gegen die Dogmatisierung stimmen zu müssen. So erhielt die Konstitution "Pastor aeternus" bei der feierlichen Verabschiedung am 18. Juli 1870 lediglich zwei Gegenstimmen.


Kerzenschein erhellt „Pastor aeternus“


Während der Sitzung ging ein schreckliches Unwetter mit Blitz und Donner über Rom nieder. In der Basilika war es trotz des Julitags so dunkel geworden, dass nur mit Hilfe von Kerzenleuchtern der Text verlesen werden konnte. Die Kardinäle und Bischöfe waren durchnässt, der Boden der Aula lehmverschmiert. Ein Tag später, am 19. Juli 1870, begann der deutsch-französische Krieg und das Konzil wurde unterbrochen. Napoleon III. zog seine zum Schutz des Papstes in Rom gelassenen Truppen ab. Am 20. September wurde Rom von den piemontesischen Truppen eingenommen, der Kirchenstaat hörte auf zu bestehen. Genau einen Monat später vertagte Pius IX. schließlich das Konzil "sine die" - auf unbestimmte Zeit. Nacheinander akzeptierten die kritischen deutschen Bischöfe die Entscheidung des Konzils. Das Papsttum ging aus dem Konzil - trotz des gleichzeitigen Verlustes seiner weltlichen Macht - gestärkt hervor. Rom wurde mehr und mehr zum Zentrum der Weltkirche. Dem Konzilsentscheid folgte aber auch ein Exodus zahlreicher Intellektueller. Aus der Protesthaltung bildete sich im deutschsprachigen Raum die Altkatholische Kirche, deren Einfluss in den folgenden Jahren freilich zurückging.

Bislang hat übrigens nur ein Papst in der Geschichte von einer Ex-cathedra-Entscheidung Gebrauch gemacht: Pius XII., als er 1950 das Dogma von der Aufnahme Mariens in den Himmel verkündete.

(kna - ck)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

27. Juni 2018, 15:46