Die Instruktion stellt eine Art "Betriebsanleitung" für die Apostolische Konstitution Vultum Dei quaerere dar. Die Instruktion stellt eine Art "Betriebsanleitung" für die Apostolische Konstitution Vultum Dei quaerere dar. 

Cor Orans: Ein Dokument, das kontemplative Nonnen aufwertet

Eine „Betriebsanleitung“ für das kontemplative weibliche Ordensleben, die alle Ordensfrauen einmal in die Hand nehmen sollten: Das ist die Einschätzung der promovierten Kirchenrechtlerin und Borromäerin Gabriela Zinkl zur vatikanischen Instruktion Cor Orans, die zwei Jahre nach der Apostolischen Konstitution Vultum Dei quaerere erschienen ist.
Zum Nachhören

Sr. Gabriela selbst gehört keinem kontemplativen Orden an, doch die Instruktion könne den Ordensfrauen jeden Charismas die „kontemplativen Wurzeln“ ihrer Berufung wieder ins Bewusstsein rücken, erklärt sie im Gespräch mit Vatikan News. Unsere Kollegin Christine Seuss hat sie telefonisch in Jerusalem erreicht.

 

Vatican News: Bei der Vorstellung des Dokumentes im Vatikan hatte der Sekretär der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und die Gesellschaften Apostolischen Lebens, Erzbischof Rodriguez Carballo, eigens hervorgehoben, dass mit der Instruktion weibliche Oberinnen in Zukunft immer mehr ihren männlichen Kollegen ähnlich würden. Inwieweit ist diese Aussage denn zutreffend?

Sr. Gabriela: „Die Instruktion ist auf alle Fälle darauf bedacht, die kirchliche Stellung der kontemplativen Nonnen und Oberinnen zu stärken, das kann man in jedem Fall sagen. Und wenn man genau hinschaut, sieht man das an der Betonung oder auch Änderung vieler einzelner Vorschriften. Aufgehoben ist jetzt beispielsweise die kirchliche Aufsicht durch zwei Autoritäten, bisher waren das der Diözesanbischof und zusätzlich auch ein anderer männlicher Ordensoberer, und jetzt formuliert diese Instruktion, dass nur einer von beiden zuständig sein kann. Das ist schon einmal ein Fortschritt, aber auch konkret für die Ordensoberinnen, bei der Visitation sieht man eine deutliche Stärkung der Ordensfrauen, denn neben dem männlichen Visitator gibt es jetzt auch immer eine Ko-Visitatorin. In der Regel ist das die Vorsitzende oder Präsidentin der Föderation des Klosters und ihr Visitationsbericht wird nicht etwa erst durch den männlichen Part geprüft, sondern der geht direkt an den Heiligen Stuhl. Also das heißt, das kontemplative Kloster wird jetzt nicht nur durch einen Kleriker beurteilt, sondern auch von einer Nonne der gleichen Föderation, deren Stimme die gleiche Gewichtung hat.“

„Ich sehe in jedem Fall eine Aufwertung und eine Betonung der kontemplativen Ordensfrauen“

Vatican News: Also kann man dieses Dokument schon insgesamt als Stärkung der weiblichen Position in der Kirche verstehen?

Sr. Gabriela: „Viele mögen da vielleicht erst einmal mit den Schultern zucken, was gehen uns denn schon die kontemplativen Ordensschwestern an – aber wenn man das im Rückblick sieht, in den letzten zwei Jahren sind zwei wichtige Dokumente den kontemplativen Nonnen gewidmet. Damit wird auf alle Fälle ihr wichtiger Stellenwert in der Kirche betont. Kontemplative Ordensfrauen sind damit keine Randerscheinung oder etwas Überflüssiges, nur weil sie zurückgezogen leben. Nein, sie bereichern die Kirche Christi durch die Früchte der Gnade und Barmherzigkeit, wie die Instruktion formuliert oder ganz konkret gesagt, durch ihr Dasein und ihr Gebet, ergänzend zum apostolischen Tun der vielen anderen. Ich sehe in jedem Fall eine Aufwertung und eine Betonung der kontemplativen Ordensfrauen.“

Vatican News: Was sind außer den bereits angesprochenen Neuerungen die Änderungen, die besonders tiefgreifend sind

Sr. Gabriela: „Sicherlich ist der größte Eingriff für die Klöster und Konvente die Mussvorschrift, dass jetzt jede Kongregation einer Föderation betreten muss. Föderation ist eine Art Dachorganisation und man ist da vereint mit anderen weiblichen kontemplativen Orden. Die Föderation hat auch eine Vorsitzende oder Präsidentin, es gibt auch einen Föderationsrat und eine Generalversammlung und durch diese Institution wird garantiert, dass eine einzelne Gemeinschaft nicht nur für sich existiert, sondern die Stimme eingebunden ist in wichtige Entscheidungen und Weichenstellungen für Ordensleute überhaupt und für die gesamte Kirche weltweit. Eine Föderation fördert auch die Communio der ganzen Kirche, kann man theologisch sagen, das Kloster bleibt nicht isoliert, sondern hat eine Stimme in der Weltkirche trotz seines kontemplativen Auftrags. Nun gibt die Instruktion Cor Orans für die Umsetzung dieser Vorschrift sogar eine Frist, und die Konvente haben ein Jahr Zeit ab dem Erscheinen der Instruktion, einer Föderation beizutreten. Wenn das nicht geschieht, wird der Heilige Stuhl diese Gemeinschaft einer Föderation zuordnen.“

Vatican News: Wie viele Gemeinschaften sind denn von dieser Regelung jetzt betroffen?

Sr. Gabriela: „Rein praktisch kann sehen, dass ungefähr die Hälfte der kontemplativen Gemeinschaften schon Mitglied in einer Föderation sind. So neu ist diese Bedingung auch nicht, die gibt es schon seit dem II. Vaticanum, aber erst die Hälfte der Gemeinschaften hat diese umgesetzt. Bei den großen bekannten Kongregationen gibt es die Föderationen bereits, die Benediktinerinnen beispielsweise haben ihre Gruppierungen, aber es gibt auch bei den kontemplativen Orden viele kleine Gemeinschaften, die in den letzten paar hundert Jahren gegründet worden sind und von dem Ruf ihrer Ordensgründerin her relativ isoliert sind, auch in ihrer Diözese oder ihrem Ort – und da geht es darum, die Anbindung an die Weltkirche zu sichern.

„Dass die vielen vielen Gemeinschaften nicht nur so vor sich hinkrebsen“

Vatican News: Und wie sieht das praktisch aus, wie können sich solche Gemeinschaften zu einer Föderation zusammenschließen?

Sr. Gabriela: „Man schaut zunächst, welche Gemeinschaften gibt es noch, die in unserem Charisma sind, zum Beispiel speziell der Eucharistischen Anbetung, und dann fragt man die Priorin oder Äbtissin dort an und die kann vielleicht sagen, wir sind bereits in einer Föderation oder sie kann Hilfestellung geben, wo man dazu passen würde. Und natürlich kennt sich auch die Kongregation für Ordensleute aus und kann da vermitteln. Aber der Hintergrund ist eben, dass man sich zusammenschließt und eine Stimme bekommt, dass die vielen vielen Gemeinschaften nicht nur so vor sich hinkrebsen, wie mir auch eine kontemplative Ordensschwester vor Kurzem erst gesagt hat.“

„Für viele Ordensschwestern in Klausur stellte sich das Problem, für die Pflege ihrer sterbenskranken Eltern das Kloster verlassen zu müssen“

Vatican News: Gibt es noch andere Neuigkeiten in dem Dokument, die Sie für besonders wichtig erachten?

Sr. Gabriela: „Ein anderer Punkt, den Cor Orans geändert hat, betrifft die einzelnen Nonne ganz konkret. In den vergangenen Jahren ist verstärkt das Problem aufgetaucht, ob man das Kloster auf Zeit verlassen kann, zum Beispiel, um daheim die kranken Eltern zu pflegen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Auch ich habe aus meinem Umfeld genau dieses Problem als ein wichtiges Problem und eine dringende Anfrage von vielen Ordensschwestern wahrgenommen. Es ist schon durch das neue Kirchenrecht von 1983 möglich, den Konvent auf Zeit zu verlassen, ohne dass man gleich exklaustriert wird, aber in vielen Fällen wurde das nicht genehmigt. Und bei vielen Schwestern blieb genau bei diesem Problem, also den sterbenskranken Eltern, um die sich niemand anderer kümmern konnte, kein anderer Weg, als aus dem Kloster auszutreten. Cor Orans hat jetzt noch einmal betont, dass es für bestimmte Fälle die Erlaubnis gibt, bis zu einem Jahr das Kloster zu verlassen. Ich denke, dass viele Schwestern hier aufatmen werden, aber auch die Oberen sind jetzt für genau diese Fälle in der Pflicht der Barmherzigkeit.“

„Ganz praktisch könnte man auch sagen, Cor Orans ist eine Art ,Betriebsanleitung´ zur zugehörigen Apostolischen Konstitution“

Vatican News: Cor Orans ist ja den Titel nach eine „Instructio“, die sich auf die Konstitution Vultum Dei quaerere von vor zwei Jahren bezieht. Wie muss man das verstehen, was ist so eine Instruktion überhaupt?

Sr. Gabriela: „In dieser Apostolischen Konstitution von 2016 hat Papst Franziskus der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens eine Hausaufgabe gegeben. Sie sollte konkrete Vorschriften ausarbeiten zur praktischen Umsetzung der Konstitution. Und man kann sagen, die Kongregation hat ihre Hausaufgabe gemacht, auch unter Mithilfe der kontemplativen Konvente, denn die Gemeinschaften wurden schriftlich befragt und konnten Rückmeldung geben. In Cor Orans konnten also die Wünsche und die Kritik der einzelnen Konvente einfließen. Rechtlich nennt man so ein Dokument mit Anweisungen eine ,Instruktion´, das heißt, diese Instruktion Cor Orans schärft bestehende und auch neu gesetzte Vorschriften für eine bestimmte Zielgruppe deutlich ein. Oder ganz praktisch könnte man auch sagen, Cor Orans ist eine Art ,Betriebsanleitung´ zur zugehörigen Apostolischen Konstitution. Sie erklärt, wie soll man einzelne Dinge ganz konkret handhaben und umsetzen soll.“

„Ich sehe schon, dass die heißen Punkte in dieser Instruktion bearbeitet wurden“

Vatican News: Hilft diese Anweisung denn wirklich dabei, die Konstitution mit Leben zu füllen, oder gibt es Themen, die ausgeklammert wurden und Ihrer Ansicht nach aufgearbeitet gehört hätten?

Sr. Gabriela: „Also, einmal sehe ich schon, dass die ,heißen´ Punkte in dieser Instruktion bearbeitet wurden, vor allem zum Beispiel die Auflösung von Klöstern. Denn das ist wirklich ein drängendes Problem in den letzten Jahrzehnten; durch den Rückgang der Ordensfrauen stehen viele Konvente vor dem Aus. Wie gehen wir damit um, wenn wir weniger Schwestern sind im Konvent, wie können wir trotzdem das Charisma unseres Ordens bewahren, wie können wir im Fall einer Auflösung die Würde und den Wert der einzelnen Schwestern bewahren? Das Thema war lange ausgeklammert und wird jetzt explizit auf den Tisch gebracht. Und zugleich muss ich sagen, ich selbst gehöre ja einer Ordensgemeinschaft an, die kontemplative Wurzeln hat – wie alle Ordensgemeinschaften – aber dann auch im karitativen Auftrag aufgeht. Ich denke, das Dokument ist wirklich lesenswert für alle Ordensfrauen, denn neben dieser aktiven Ausrichtung haben wir alle unsere Grundlage in der Kontemplation. Das heißt also, nicht wegschauen und das Dokument beiseitelegen, sondern es wirklich lesen und ernst nehmen, denn Cor Orans führt uns Ordensfrauen in vielen Punkten zum Wesentlichen unseres Auftrages und unserer Berufung, nämlich zum Dasein für Gott.“

Vatican News: In den deutschsprachigen Medien wurde insbesondere eine Passage über die Mediennutzung in kontemplativen Orden kontrovers diskutiert. Vielerorts wurde die Mahnung, soziale Kommunikationsmittel umsichtig zu nutzen, als „Zensur“ verstanden. Wie lesen Sie die diese Anweisung, ein Maulkorb, oder ist da doch eher etwas ganz anders gemeint?

Sr. Gabriela: „Ich habe wirklich geschmunzelt, als ich diese Pressekommentare verfolgt habe, die Wellen sind ja wirklich hochgeschlagen, und viele Medien haben aus dem 30-seitigen Dokument vor allem genau diese eine Passage herausgeholt, die ich selbst zuerst überlesen hätte. Ich habe auch Überschriften in dem Stil gelesen: „Du sollst nicht twittern“, also gar als elftes Gebot… Ich denke, es ist im Kloster, sei es nun kontemplativ oder aktiv, wie überall in der Welt. Die sozialen Medien können Segen und Fluch zugleich sein. Genau das betont die Instruktion und mahnt deshalb zu einem vorsichtigen Umgang und zur Konzentration auf das Wesentliche des kontemplativen Ordenslebens.

„Die sozialen Medien können Segen und Fluch zugleich sein“

Vatican News: Was heißt das denn jetzt für die einzelnen Ordensschwestern?

Sr. Gabriela: „Rein rechtlich kommen natürlich jetzt auch die Fragen ganz konkret von den Ordensschwestern, also darf man als kontemplatives Kloster noch eine Homepage betreiben, darf man einen Facebook- oder Twitteraccount haben, darf man Whatsapp nutzen als Ordensschwester? Ich würde sagen, wenn das zur größeren Ehre Gottes geschieht und wenn es vorwiegend dem Auftrag des Ordens dient, JA, und ich würde ganz konkret sagen NEIN, wenn es der eigenen Selbstverwirklichung und Beweihräucherung dient. Wenn eine Schwester im Stundengebet oder bei der Anbetung immer unruhiger wird und am Ende aus der Kapelle stürmt, um auf dem Handy die neuesten Privatnachrichten zu lesen, dann muss man sich schon fragen, was ist mir wirklich wichtig im Leben, und ich meine, jeder von uns, Orden oder nicht, ist in die Pflicht genommen, verantwortungsvoll umzugehen mit diesen Kommunikationsmitteln.“

Vatican News: Also eigentlich viel Lärm um nichts?

Sr. Gabriela: „Wenn wir jetzt diese Mahnung lesen in Cor Orans und auch in die Geschichte blicken, dann sehen wir: früher gab es dieses Gejammere auch schon, beispielsweise als das Telefon eingeführt wurde oder das Radio und der Fernseher in den Klöstern Einzug hielten. Diese Mahnung mit den sozialen Kommunikationsmitteln ist also nicht Neues, wenn man das mal historisch sieht, dass man im Orden und auch in der Welt verantwortlich damit umgehen soll.“

Schwester Gabriela Zinkl SMCB vom Orden der Schwestern vom hl. Karl Borromäus wirkt derzeit im Konvent der Borromäerinnen in St.- Charles, Jerusalem und ist Außerordentliche Professorin für Kirchenrecht am Studium Theologicum Salesianum.

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

31. Mai 2018, 15:07