Kardinal Woelki am Donnerstag nach der Entgegennahme des Gutachtens Kardinal Woelki am Donnerstag nach der Entgegennahme des Gutachtens 

Köln: Nach dem Erdbeben

Die Veröffentlichung des Kölner Missbrauchs-Gutachtens am Donnerstag war ein Erdbeben – weit über das Erzbistum hinaus. Kardinal Rainer Maria Woelki, der schwierige Wochen hinter sich hat, wurde durch die Studie entlastet – anders als seine Vorgänger, die Kardinäle Höffner und Meisner.

„Ich bin jetzt zunächst einmal dankbar, dass wir dieses Gutachten haben. Als ich es in Auftrag gab, war es mir wichtig, in dieses Dunkel des Vertuschens Licht hinein zu bringen.“ Das sagte Kardinal Woelki am Donnerstagabend in den ARD-Tagesthemen.

„Ich bin dankbar, dass wir jetzt eine belastungsfähige Studie vorliegen haben. Wir werden uns jetzt den Ergebnissen zu stellen haben und dann an die Arbeit gehen und weiter aufarbeiten. Das ist für uns nicht der Beginn; wir sind schon seit längerem an der Aufarbeitung dran und haben in den vergangenen Jahren eine gute Prävention und Intervention aufgebaut. Aber das Gutachten hat uns jetzt neue Herausforderungen benannt, und denen werde ich mich stellen.“

Jetzt auch Kölner Weihbischof Puff freigestellt

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße und der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp sollen beim Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln Pflichtverstöße begangen haben; beide haben deswegen dem Papst ihren Rücktritt angeboten. Heße war bis 2015 zunächst Personalchef und dann Generalvikar im Erzbistum Köln; mit ihm übernimmt zum ersten Mal ein Diözesanbischof persönliche Verantwortung im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche in Deutschland. Der Hamburger Generalvikar Ansgar Thim hat, wie am Freitag bekanntwurde, die kommissarische Leitung des Erzbistums übernommen.

Auf eigenen Wunsch wurde an diesem Freitag auch ein weiterer Kölner Weihbischof, Ansgar Puff, vorläufig von seinen Aufgaben entbunden. Puff wird in dem Gutachten ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht in einem Fall zur Last gelegt. Er bat Woelki darum, ihn bis zur Klärung der Umstände zu beurlauben.

Zum Nachhören: Kardinal Woelki von Köln zu den Reaktionen auf das Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen

Vielen geht das Kölner Gutachten noch nicht weit genug. Er nehme die Kritik wahr und halte sie auch für wichtig, sagte Woelki. „Mir ist die Perspektive der Betroffenen sehr wichtig, und ich darf für mich sagen: Es war ja jetzt wirklich nicht einfach für uns in Köln, diese Art der Aufarbeitung jetzt voranzutreiben. Mir hat gerade das Einbringen der Betroffenen-Perspektive oft Kraft gegeben, diese Wege überhaupt durchzuhalten!“

Die bestmögliche Aufarbeitung

Woelki räumte ein, dass die für das Gutachten bereit gestellten Akten nicht vollständig gewesen seien. „Es ist in der Tat auch so, dass wir einzelne Akten nicht zuordnen können.“ Doch seien in das zweite, jetzt veröffentlichte Gutachten Aktenbestände eingegangen, die für ein früheres, unter Verschluss gehaltenes Gutachten noch nicht zur Verfügung standen. „Ich gehe davon aus, dass gerade diese Aufarbeitung, wie wir sie jetzt vorlegen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt die bestmögliche ist.“

Etwas ausweichend äußerte sich Kardinal Woelki auf die Frage, wie er denn jetzt verlorengegangenes Vertrauen in die Kirche wieder zurückgewinnen wolle.

„Neues Gutachten bietet eine Basis, auf der wir weiter arbeiten und aufarbeiten können“

„Ich finde, zunächst einmal: Dieses Gutachten liegt jetzt vor. Es benennt sehr deutlich und ohne Rücksicht die Dinge, die falsch gelaufen sind. Da sind auch keine Verantwortungsträger geschont worden! Das ist das eine. Das andere ist, dass wir hier im Bistum jetzt natürlich miteinander sprechen müssen. Ich werde mit den verschiedenen Gruppen und Gremien sprechen; wir werden nächste Woche die Ergebnisse dieser Studie diskutieren, und wir werden versuchen, gemeinsam die Schritte nach vorn zu tun.“

Woelki kündigte an, ab kommender Woche allen daran Interessierten – zunächst den Betroffenen – Einblick in das erste Gutachten zu gewähren, das bislang unter Verschluss gehalten worden war. „Dieses erste Gutachten war nicht rechtssicher. Wir leben in einem Rechtsstaat, und namhafte Juristen haben gesagt: Das ist nicht zu veröffentlichen. Das muss ich doch zur Kenntnis nehmen! Und deswegen ist dieses neue Gutachten in Auftrag gegeben worden. Es bietet jetzt eine Basis, auf der wir weiter arbeiten und aufarbeiten können.“

„Ich habe mein Versprechen gehalten“

Das sei für ihn das Entscheidende, so der Kölner Kardinal. „Ich habe mein Versprechen gehalten und habe ein Gutachten vorgelegt. Darin werden Namen von hohen Verantwortlichen in der Diözese genannt, es wird nichts verschwiegen.“ Er habe sicher immer wieder Fehler in der Kommunikation gemacht, doch was er angekündigt habe, sei eingelöst.

Woelki kündigte die Einrichtung einer unabhängigen Kommission an, die die weitere Aufarbeitung des Missbrauchs von außen begleiten soll. „Schon in der kommenden Woche werden wir unseren Beraterstab zum sexuellen Missbrauch um eine unabhängige Gruppe erweitern, der wir diese Gutachten übergeben werden. Damit werde ich mich mit Blick auf die Aufarbeitung sozusagen aus der Verantwortung zurückziehen – in der Weise, dass nicht mehr ich sagen werde, was wir jetzt machen und wie wir aufarbeiten werden. Sondern diese unabhängige Kommission wird dann die Verantwortung dafür übernehmen und uns, der Diözese und auch mir, sagen, wie Aufarbeitung zu erfolgen hat und weitergehen soll.“

Unabhängige Kommission angekündigt

Schon am Montag hatte das Erzbistum Köln über seinen Plan, eine unabhängige Kommission einzurichten, informiert. Die Mitglieder des Gremiums sollen mehrheitlich vom Bundesland Nordrhein-Westfalen und Betroffenen benannt werden.

Am Donnerstagvormittag hatten Juristen ein Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln vorgestellt. In 75 der insgesamt 236 ausgewerteten Aktenvorgänge stellte das Team um Strafrechtler Björn Gercke Pflichtverletzungen von Bistumsverantwortlichen fest. Die Amtsträger gingen zum Beispiel einem Verdacht nicht nach oder sanktionierten strafbares Verhalten nicht. In keinem einzigen Fall ging es um Strafvereitelung im strafrechtlichen Sinn.

(vatican news/ard – sk)
 

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19. März 2021, 10:29