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Österreich: Gemeinsames Gebet von Politikern als Hoffnungszeichen

Mit einer gemeinsamen Gebetsfeier am Dienstagabend wollten Religionsvertreter sowie Politikerinnen und Politikerinnen ein „Zeichen der Hoffnung in der Krise“ setzen. Die Gebetsfeier, zu der Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler und das Komitee des Nationalen Parlamentarischen Gebetsfrühstücks geladen hatten, fand heuer nicht wie in den letzten Jahren mit über 200 Teilnehmern im Parlament statt, sondern Corona-bedingt im kleinen Kreis und via Livestream aus dem Kleinen Redoutensaal in der Wiener Hofburg.

„Wir sind nicht im Namen von Parteien, dem Parlament oder Institutionen zusammengekommen, sondern als Abgeordnete mit unserem je eigenen Glauben“, erläuterte die ÖVP-Abgeordnete und Organisatorin Gudrun Kugler zu Beginn. Wichtig sei bei diesem Gebetstreffen, das heuer zum vierten Mal in Österreich stattfand und das in einer Tradition von inzwischen über 130 solcher bzw. ähnlicher Veranstaltungen in aller Welt stehe, die Überfraktionalität, Überkonfessionalität und das religionsverbindende Moment, so Kugler.

In einer Zeit der Krise sei ein solches Gebetstreffen eine „ganz wichtige Bereicherung“ und biete Orientierung und Perspektive aus dem Glauben, sagte Nationalratspräsident Sobotka zur Begrüßung. Bundesratspräsidentin Eder-Gritschthaler fügte hinzu, dass der christliche Glaube nicht nur Vertrauen und Gelassenheit lehre, sondern er dem Menschen auch abverlange, „in allem einen Anruf Gottes zu sehen, die Augen und Ohren offen zu halten“. Dies gelte insbesondere in Krisenzeiten, wo es gelte, aufeinander zu achten.

Raab: Religionen auch in Krisenzeiten „unersetzbar“

Kultusministerin Susanne Raab unterstrich in einer Video-Botschaft die Bedeutung des Dialogs zwischen Staat und Kirchen bzw. Religionsgesellschaften in Österreich. Gerade in der Krise habe sich das österreichische Modell „wieder als tragfähig erwiesen“, dankte Raab den 16 anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften für ihre Kooperation und die freiwillige Aussetzung öffentlicher Gottesdienste während des zweiten Lockdowns. Gerade in Pandemiezeiten würde die Religion den Menschen „Kraft, Halt und Zuversicht“ geben. Mit ihrem umfangreichen Engagement auf spiritueller, sozialer und karitativer Ebene seien die Kirchen und Religionsgesellschaften daher „für Menschen gerade auch in Krisenzeiten unersetzbar“ und spielten eine „wesentliche Rolle für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Österreich“.

Nach kurzen Lesungen von Abgeordneten folgten eingespielte Videos von Religionsvertretern, die Gebete sprachen oder Gebetsanliegen formulierten. Darunter waren Kardinal Christoph Schönborn, der evangelische Bischof Michael Chalupka, der orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis), der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic), der koptische Bischof Anba Gabriel, der griechisch-katholische Generalvikar Yuriy Kolasa, Reinhard Kummer, Vorsitzender des Rates der „Freikirchen in Österreich“, und Oberrabiner Jaron Engelmayer.

Kardinal Schönborn lenkte in seinem Gebet den Blick auf die von der Corona-Pandemie Betroffenen, auf Kranke, Pflegende und Angehörige sowie in Not geratene Menschen. Ihnen gebühre Solidarität und Hilfe, mahnte der Wiener Erzbischof.

Klasnic: „Es ist und war eine Gnade“

Spirituelle Impulse kamen von der früheren steirischen Landeshauptfrau und jetzigen Obfrau der Unabhängigen Opferschutzkommission, Waltraud Klasnic, sowie dem Jugendleiter der Erzdiözese Salzburg und Gründer der Loretto-Gemeinschaft, Georg Mayr-Melnhof.

In einem sehr persönlichen Statement blickte Klasnic auf ihre Zeit als Politikerin sowie als Opferschutzanwältin und Präsidentin des Dachverbandes Hospiz Österreich zurück. Seit 1945 lebe sie in der Nähe des steirischen Wallfahrtsortes Mariatrost - sie sei dankbar für ihren ganz persönlichen „Lebensbogen“, der politische Höhepunkte wie die Schaffung eines Gesetzes zur anonymen Geburt im Jahr 2001 ebenso umfasse wie ihre Tätigkeit als Leiterin der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft, das näher rückende Ziel einer Regelfinanzierung des Hospizwesens bis hin zu familiären und freundschaftlichen bleibenden Verbindungen: „Es ist und war eine Gnade“, so Klasnic.

„Ich will Leben erhalten, will Leiden lindern, will Sterbenden beistehen. Aber die Verkürzung des Lebens zählt nicht zu meinen Aufgaben.“

Ausdrücklich dankte Klasnic dem Parlament für den jüngsten Entschließungsantrag aller Fraktionen, die im Rahmen der Pflegereform vorgesehene Regelfinanzierung für Hospiz- und Palliativeinrichtungen für Kinder und Erwachsene rasch umzusetzen. Sie danke „im Namen all jener, die ihre Stimme nicht selbst erheben können“, sowie für die vielen Haupt- und Ehrenamtlichen, die ihren Beruf als Berufung sehen und sich für ein würdevolles Ende des Lebens einsetzen. In diesem Kontext zitierte die frühere Politikerin auch einen Arzt, der zur aktuell verhandelten Frage der Tötung auf Verlangen bzw. der Suizidbeihilfe gesagt habe: „Ich will Leben erhalten, will Leiden lindern, will Sterbenden beistehen. Aber die Verkürzung des Lebens zählt nicht zu meinen Aufgaben.“

Dankbar zeigte sich Klasnic auch im Blick auf ihre inzwischen rund zehnjährige Tätigkeit als Unabhängige Opferschutzanwältin auf Einladung von Kardinal Schönborn und im Auftrag der Bischofskonferenz: „Die Kirchen und Orden sind mutig gewesen“. Es dürfe auch in Zukunft „keinen Schlussstrich geben“ - Betroffene sollten auch zukünftig eine Anlaufstelle haben. Nicht umsonst werde das österreichische Modell auch von ausländischen Experten wie den deutschen Missbrauchsexperten P. Klaus Mertes oder P. Hans Zollner als Vorbild und „eine Blaupause wert“ bezeichnet. Abschließend erinnerte Klasnic daran, dass der Anteil der Fälle von Missbrauch und Gewalt im kirchlichen Kontext nur rund zwei Prozent ausmache: „Wir haben eine politische und gesellschaftliche Gesamtaufgabe: die Gewalt in allen Generationen und im Alltag. Dessen müssen wir uns bewusst sein.“

(kap - cs)

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09. Dezember 2020, 09:39