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D: Missbrauchsvorwurf gegen verstorbenen Weihbischof

Der 2018 verstorbene frühere Münchner Weihbischof Siebler wird beschuldigt, Schüler eines kirchlichen Internats misshandelt zu haben. Ein Ex-Schüler wirft ihm zudem sexuellen Missbrauch vor, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet.

Engelbert Siebler, von 1986 bis 2012 Weihbischof in der Erzdiözese München und Freising und am 11. Oktober 2018 gestorben, ist bisher der ranghöchste katholische Geistliche in Bayern, gegen den ein mutmaßliches Opfer einen solchen Vorwurf erhebt.

Zuvor war der am 29. Juni 1963 zum Priester geweihte Siebler von 1971 bis 1976 Religionslehrer an mehreren Gymnasien und von 1976 bis 1985 Präfekt (Direktor) des Studienseminars St. Michael in Traunstein/Oberbayern, dessen Träger das Erzbistum ist und das ab 1939 auch Georg und Joseph Ratzinger, der Papst Benedikt XVI., besuchten. In dieser Zeit sollen die ihm angelasteten Taten geschehen sein.

„Komische körperliche Annäherungsversuche“

Der frühere Münchner Kardinal Friedrich Wetter berief Siebler 1985 zum Leiter des Schulreferates I im Ordinariat München. Von 2001 bis 2006 leitete dieser die Schulkommission der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Über die Vorwürfe gegen Siebler berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) am 10. Juni in einem langen Beitrag zur Missbrauchsproblematik. Die Vorwürfe gegen diesen seien dem Ordinariat seit vier Jahren bekannt, aufgeklärt seien sie nicht.

Ein Sprecher des Ordinariats bestätigte der KNA, dass sich das von der SZ erwähnte mutmaßliche Opfer 2016 an den Missbrauchsbeauftragten der Erzdiözese mit Vorwürfen körperlicher und psychischer Gewalt gegen Siebler gewandt habe. Der Mann habe laut Gesprächsprotokoll auch von „komischen körperlichen Annäherungsversuchen“ berichtet: „Konkret sei allerdings nichts geschehen.“ In dem SZ-Beitrag wird der Ex-Schüler mit der Aussage zitiert, Siebler habe ihn im Internat „konsequent bloßgestellt, sadistisch gequält und massiv geschlagen“.

Der geschilderte Sachverhalt ist lückenhaft

Weitere Kontakte zu dem Ex-Schüler und seinen Anwälten hat es nach Angaben des Bistumssprechers auf dessen eigenen Wunsch ab Herbst 2016 nicht mehr gegeben. Der geschilderte Sachverhalt sei lückenhaft. Es seien zu viele Fragen offen geblieben, um die Plausibilität der Vorwürfe einschätzen zu können, weshalb Weihbischof Siebler nicht damit konfrontiert worden sei. Dies sei den Anwälten auch mitgeteilt worden, zusammen mit dem Angebot weiterer Gespräche. Darauf sei der Betroffene nicht eingegangen.

Die SZ zitierte die Anwältin des Mannes jetzt mit den Worten, ihr Mandant sei „kaum in der Lage, über die Geschehnisse zu sprechen“. Die SZ hat nach eigenen Angaben mit weiteren ehemaligen Traunsteiner Zöglingen gesprochen. Einen Vorwurf von sexuellem Missbrauch habe niemand geäußert.

„Jeder Hinweis wird ernstgenommen“

Die Erzdiözese München und Freising, erklärte ihr Sprecher, bedauere zutiefst und sei beschämt, wenn Minderjährige und erwachsene Schutzbefohlene durch kirchliche Mitarbeiter zu Betroffenen psychischer, körperlicher oder sexueller Gewalt würden. Jeder Hinweis werde ernstgenommen. Der Erzdiözese sei an einer „vollumfänglichen Aufarbeitung im Sinne der Betroffenen sehr gelegen“. Diese seien aufgerufen, sich an die unabhängigen Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums zu wenden.

Bischof Bätzing für „Kulturwandel“

Derweil hat sich der Limburger Bischof Georg Bätzing am Mittwoch für einen innerkirchlichen „Kulturwandel“ ausgesprochen. Bätzing, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, hat am Wochenende in Limburg einen ausführlichen Missbrauchsbericht seines Bistums vorgestellt. „Ich habe das Projekt vor einem Jahr in Auftrag gegeben, damit wir eine Kultur verändern“, sagte er jetzt.

Die Studie habe gezeigt, dass es eine „Ebene der Vertuschung“ von Missbrauchsfällen im Bistum gegeben habe. Zu wenig sei den betroffenen Kindern und Jugendlichen geglaubt worden. Hier sei eine „Umkehrung des Denkens“ nötig. Da Kirche ein wesentlicher Akteur in der Kinder- und Jugendarbeit sei, müsse es für diese Gruppe einen „sicheren Schutzrahmen“ geben, erklärte der Bischof.

Bald ein neues Gleichstellungsgesetz

Als Bereiche, in denen es zu Veränderungen kommen müsse, nannte Bätzing vor allem „Klerikalismus, die Rolle der Priester, Gleichberechtigung, Gewaltenteilung und katholische Sexualmoral“. Manche der von den Studienautoren vorgeschlagenen 61 Maßnahmen ließen sich „rascher umsetzen als andere“. „Wir werden sehr bald auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz ein Gesetz zur Aktenführung haben“, kündigte Bätzing an. Das solle im Bistum Limburg unmittelbar umgesetzt werden. Im Bistum stehe zudem ein Gleichstellungsgesetz für mehr Einfluss von Frauen in Kirchengremien „kurz vor der Umsetzung“. Zudem solle das „Machtgefälle“ zwischen Klerikern und Laien verringert werden.

Rasch soll laut Bätzing eine Ombudsstelle für Betroffene geschaffen werden. Für zunächst drei Jahre werde zudem eine unabhängige diözesane Kommission zur Begleitung der Umsetzung der Anti-Missbrauch-Maßnahmen eingerichtet. Um die Schritte zu koordinieren und voranzubringen, werde er einen bischöflichen Beauftragten berufen - das könne auch eine Frau sein.

Insgesamt 70 Experten hatten seit September 2019 im Auftrag des Bistums in dem Projekt "Betroffene hören - Missbrauch verhindern" mitgearbeitet. In neun Teilprojekten analysierten sie den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Diözese seit rund 70 Jahren. Zugleich entwickelten sie Vorschläge, wie systemische Faktoren künftig ausgeschlossen und Missbrauchstaten möglichst verhindert werden könnten. Die Ergebnisse waren am Samstag in der Frankfurter Paulskirche vorgestellt worden.
 

(kna – sk)

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17. Juni 2020, 12:12