Kardinal Christoph Schönborn Kardinal Christoph Schönborn 

Österreich: Kardinal Christoph Schönborn wird 75

Österreichs bekanntester Kirchenmann wird am 22. Januar 75 Jahre alt und erreicht somit das Alter, um seinen Rücktritt als Erzbischof von Wien bekannt zu geben. 2019 war für ihn von zwei ernsten Erkrankungen geprägt.

Der Name Schönborn hat in der Kirche und über die Kirche hinaus einen besonderen Klang. Das alte Adelsgeschlecht stellte über Jahrhunderte bedeutende Fürstbischöfe im süddeutschen Raum, und als Erzbischof von Wien und Kardinal der Römischen Kirche war Christoph Schönborn bei seiner Ernennung 1995 eine beinahe logische Besetzung.

Nach einem Vierteljahrhundert an der Spitze des Wiener Erzbistums und 22 Jahren im Vorsitz der Österreichischen Bischofskonferenz nähert sich nun auch diese „Ära Schönborn" ihrem Ende. Denn schon einige Monate vor seinem 75. Geburtstag hat er dem Papst im Vatikan höchstpersönlich sein altersbedingtes Rücktrittsgesuch übermittelt. Ob Franziskus dem Begehr pünktlich zum 75. Geburtstag am 22. Januar 2020 stattgeben würde, oder ob er den Kardinal noch bis zu dessen 50-jährigem Priesterjubiläum am 27. Dezember im Amt lassen könnte, war lange Gegenstand von Spekulationen.

Noch heftiger wurde darüber spekuliert, wer Schönborn zu gegebener Zeit an der Spitze des Erzbistums Wien und damit letztlich als geistlicher Führer der katholischen Kirche in Österreich nachfolgen sollte. Denn die zu füllenden Fußstapfen sind groß. Schönborn ist in Österreich und darüber hinaus eine Institution, ähnlich wie es vor ihm sein Vorvorgänger Franz König (1956 - 1985) gewesen war.

Große Herausforderungen

Als er 1995 den im Zuge von Missbrauchsvorwürfen zurückgetretenen Kardinal Hans Herrmann Groer beerbte, stand Schönborn vor einer schwierigen Aufgabe. Das Ansehen der Kirche in Österreich war schwer erschüttert, die Flügelkämpfe zwischen fortschrittlichen und konservativen Kräften hatten bereits begonnen. Wirklich befrieden konnte auch Schönborn diesen Richtungsstreit nicht - trotz seiner ausgleichenden und in alle Richtungen dialogbereiten Persönlichkeit. Doch war es vermutlich Schönborns Verdienst, dass es nicht zum offenen Bruch kam.

Für die damals in Österreich noch starken konservativen kirchlichen Kräfte war er - trotz seiner Kontakte ins progressive Lager - auch deshalb ein Garant der Rechtgläubigkeit, weil er einst federführend am Katechismus der Katholischen Kirche mitgearbeitet hatte. Durch seine Hände ging die Endredaktion dieses 1992 erschienenen Dogmenkatalogs, in dem Papst Johannes Paul II. verbindlich festhalten wollte, was Katholiken am Ende des 20. Jahrhunderts glaubten oder glauben sollten.

„Groß-Theologe"

Seit jener Zeit ist der frühere Dogmatik-Professor auch auf weltkirchlicher Ebene einer der prominenteren Köpfe, ein „Groß-Theologe" in der Liga, in der auch ein Ratzinger, ein Metz oder ein Kasper zu finden waren.

Weltweit bekannt wurde er durch einen Beitrag zur Debatte um die Evolutionstheorie. In einem 2005 veröffentlichten Text in der „New York Times" kritisierte Schönborn den klassischen Darwinismus, der die Resultate der Evolution als bloße Zufallsprodukte interpretiert. Dem setzte der Kardinal den Begriff eines „Designs" des Schöpfers entgegen, das in diesen Resultaten zu erkennen sei.

Vor allem in den USA wurde dies als Parteinahme für die bibeltreuen „Kreationisten" gewertet, die ebenfalls von einem „Intelligent Design" sprechen, also einem Bauplan des Schöpfers, der sich im Zuge der Evolution verwirklicht. Schönborn gelang es in seinen Erwiderungen, die Fundamentalismus-Falle zu vermeiden, und deutete einen Mittelweg zwischen Kreationismus und Darwinismus an.

Mit den Päpsten seiner Zeit geriet Schönborn nie in Konflikt. Er diente Johannes Paul II. ebenso wie Benedikt XVI. und zuletzt Franziskus. Allerdings hat sich der Fokus seines Lehrens mit den Pontifikaten merklich verschoben: Ging es früher mehr um dogmatische Fragen, liegt der Akzent jetzt mehr auf der Barmherzigkeit und auf der seelsorgerischen Fall-zu-Fall-Unterscheidung. Diese ursprünglich jesuitische Methode hat sich der im Dominikaner-Orden aufgewachsene Schönborn rasch zu eigen gemacht.

Auch seine Stellungnahmen zu umstrittenen Themen wie der moraltheologischen Bewertung der Homosexualität sind weicher geworden. Von Vertretern des konservativen Flügels wurde ihm mitunter der Vorwurf gemacht, ein Wendehals zu sein, der seine früheren, streng rechtgläubigen Positionen verraten habe.

In jüngerer Zeit hat er sich bei der Familien-Synode mit ihrer Öffnung für wiederverheiratete Geschiedene und auch bei der Amazonas-Synode mit der Forderung nach Ausnahmen vom Priester-Zölibat für Veränderungen bereit gezeigt. Dabei betont er aber stets die Kontinuität mit der überlieferten Lehre, deren Kern er trotz vorsichtiger Öffnungen unversehrt bewahren will.

Um Vertrauen bemüht

In der zweiten Welle der kirchlichen „Missbrauchskrise" nach 2010 gelang es ihm abermals, verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen. Viel beachtet wurde sein im Fernsehen gesendetes Gespräch mit der früheren Ordensfrau Doris Reisinger, die nach eigener Darstellung ein Opfer sexueller Übergriffe durch Kleriker war. Obwohl sie vor Gerichten bislang keine Anerkennung dafür fand, brach Schönborn im Gespräch mit ihr das Eis, indem er sagte: „Ich glaube Ihnen das". Später stellte er freilich klar, dass er diesen Satz eher in seelsorgerischer Absicht gemeint habe - und nicht im Sinne einer juristischen Anerkennung der von Reisinger behaupteten Geschehnisse.

Den stetigen Rückgang der gesellschaftlichen Bedeutung der einst einflussreichen katholischen Kirche in Österreich hat der intellektuelle und polyglotte Seelsorger-Kardinal im Wiener Stephansdom freilich nicht aufhalten können. In Wien liegt der Katholikenanteil heute deutlich unter 50 Prozent, er hat sich in den vergangenen 50 Jahren halbiert.

Nach den Konfessionslosen sind mittlerweile die Muslime die drittstärkste Gruppe in der Bevölkerung. Die weitere Entwicklung wird der Wiener Kardinal möglicherweise aus einer gewissen Distanz verfolgen. Er könne sich seinen Ruhestand im Dominikanerkloster in Retz vorstellen, ließ er unlängst verlauten. Dann wäre er weiter weg von Wien und ein wenig näher an seiner alten böhmischen Heimat, aus der seine Familie vor 75 Jahren vertrieben wurde.

(kna - mt)

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03. Januar 2020, 14:22