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Das heutige Sarajewo, Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas Das heutige Sarajewo, Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas 

Bosnien-Herzegowina: Dayton-Abkommen in der Kritik

Der frühere Erzbischof von Sarajevo, Kardinal Vinko Puljic, hat sich kritisch zum 1995 geschlossenen Abkommen von Dayton geäußert. Dieses habe zwar dem Krieg ein Ende gesetzt, „aber leider brachte es keinen gerechten Frieden“, sagte Puljic in einem am Dienstag in München veröffentlichten Gespräch mit dem katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“.

Es sei ein großer Fehler der Weltgemeinschaft gewesen, Bosnien und Herzegowina in zwei Teile zu spalten. Damit hätten die Mächtigen die ethnischen Säuberungen legalisiert. Entstanden sei eine staatliche Struktur, die nicht funktionieren könne. Das Geld, das als Unterstützung für die Rückkehr der Flüchtlinge geschickt worden sei, sei nicht in die Hände der Menschen gelangt, so der Kardinal. Es sei stattdessen in jene der Regierung gekommen, die nicht viel für die Rückkehr getan habe. Heute seien es vor allem wirtschaftliche Gründe, aus denen viele Menschen, darunter auch eine große Zahl von Christen, das Land verließen. Seiner Ansicht nach spielen aber „Unrecht und Ungerechtigkeit“ eine noch viel größere Rolle: „Hier gilt nicht gleiches Recht für alle.“

Als Beispiel führte Puljic das Wahlrecht an. Die Kroaten, die in Bosnien und Herzegowina fast alle katholisch seien, bildeten die kleinste ethnische Gruppe der Bevölkerung im Land, etwa 17 Prozent. Bei den Wahlen aber wählten die muslimischen Bosniaken Vertreter für die kroatische Bevölkerung in die Regierung. Diese Tatsache werde den Exodus bei den Katholiken weiter vorantreiben. Dennoch zeigte er sich überzeugt, dass die katholische Kirche die Kraft habe, auch die aktuell schwierigen Zeiten zu überstehen.

Beim Überleben geholfen

Hinsichtlich der Rolle der Kirche sagte der Kardinal, diese habe während des Krieges versucht, den Menschen beim Überleben zu helfen.  Hilfsmaterial sei immer unabhängig von der ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit verteilt worden. Auch habe man schon damals versucht, den Weg des interreligiösen Dialogs einzuschlagen. Nach dem Krieg sei dann ein „Interreligiöser Rat“ gegründet worden, in dem ein Geist des Dialogs und des Friedens gepflegt werde.

Der 1945 geborene Puljic war seit 1990 Erzbischof von Vrhbosna, so die offizielle Bezeichnung seiner Diözese, und ging Ende Januar in den Ruhestand. Mitten im Bosnienkrieg wurde der damals 49-Jährige am 24. November 1994 als erster bosnischer Bischof in der Geschichte ins Kardinalskollegium aufgenommen und war damals der jüngste Kardinal weltweit.

(pm/kna – mg)

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19. April 2022, 11:22