Bei einer Demonstration gegen Gewalt gegen Christen in Pakistan Bei einer Demonstration gegen Gewalt gegen Christen in Pakistan  (ANSA)

Pakistan: „Unter dem Schatten der Angst“

Trotz vereinzelter Hoffnungszeichen bleibt die Lage der Christen in Pakistan schwierig. In Jaranwala in der Provinz Punjab, wo im vergangenen August radikale Muslime christliche Kirchen und Häuser angriffen, leben sie immer noch „unter dem Schatten der Angst“. Das berichtet der katholische Priester Zafar Iqbal im Interview mit Radio Vatikan. Christliche Märtyrer stehen im Zentrum des Gebetsanliegens des Papstes für den Monat März.

Anne Preckel – Vatikanstadt

Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Pakistan hatte bei Christen in Jaranwala zuletzt die Hoffnung geweckt, dass die Übergriffe vom August aufgeklärt und rechtmäßig geahndet würden. Das Zentralgericht hatte einen ersten Bericht der Behörden der Provinz Punjab als mangelhaft eingestuft und mehr Informationen zu der Massengewalt angefordert. Den lokalen Ermittlungsbehörden habe es an Entschlossenheit gemangelt, die Täter vor Gericht zu stellen, kritisierte das Gericht, und es seien nur wenige der Übergriffe registriert und dokumentiert worden. Das Gericht forderte deshalb einen neuen Bericht aus Punjab an, wo die meisten Christen im Land leben.

Als neuen Akzent hatte diese Entscheidung der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz in Pakistan gewertet. Es sei das erste Mal gewesen, dass das Problem von dem Gericht ernst genommen worden sei, sagte Bischof Samson Shukardin von Hyderabad dem internationalen katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“. Dies sei „sehr positiv für uns Christen“, so der katholische Kirchenvertreter.

Hier zum Nachhören

Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes finden gleichwohl nicht unbedingt Konsens im muslimisch dominierten Pakistan. So protestierten in diesen Tagen etwa tausende Muslime gegen die Entscheidung des Gerichtes, einen Angehörigen der muslimischen, aber in Pakistan nicht-anerkannten Ahmadiya-Gemeinschaft, vom Vorwurf der Blasphemie freizusprechen. Das Blasphemie-Gesetz wird in Pakistan von radikalen Islam-Vertretern immer wieder gegen Randgruppen oder religiöse Minderheiten instrumentalisiert.

Ein schwarzer Tag

Der 16. August 2023 war für die Christen von Punjab „ein schwarzer Tag“, denkt der katholische Priester Zafar Iqbal im Interview mit Radio Vatikan an den Gewaltexzess radikaler Muslime zurück, der sich in der Stadt Jaranwala nach Blasphemie-Vorwürfen gegen zwei Christen entlud. Sie sollten angeblich Seiten aus dem Koran gerissen haben, worauf ein tobender Mob von Muslimen mit Gewalt reagierte.

„Diese Menschen waren so wütend, dass sie mehr als 200 christliche Häuser, 26 Kirchen, eine Schule, einen Friedhof und viele Kreuze zerstörten sowie unsere heiligen Bibeln verbrannten“, erinnert sich Pater Iqbal, der in derselben Region als Gemeindepfarrer wirkt. „Es war eine wirklich schlimme Situation“, so der Priester, der sich im Rahmen einer Fortbildung in diesen Tagen in Rom aufhielt. Christen wurden bei den Übergriffen zum Glück nicht getötet.

„Sie leben unter dem Schatten der Angst“

Auch wenn die Lage - dem Anschein nach - inzwischen wieder unter Kontrolle sei, fühlten sich die Christen immer noch wie gelähmt, so Iqbal: „Sie leben unter dem Schatten der Angst, können sich nicht frei bewegen, nicht frei heraus sprechen, nicht frei arbeiten gehen.“ Physisch seien sie derzeit vielleicht nicht bedroht, doch beherrsche sie die „Angst in unseren Herzen, in unserem Geist“, formuliert der katholische Priester. Die meisten Christen in Punjab seien arm und von muslimischen Arbeitgebern abhängig, berichtet er weiter: „Die Frauen unserer Gemeinschaft arbeiten in muslimischen Haushalten, die Männer auf den Ländereien muslimischer Grundbesitzer.“ Diese Christen hätten nun Angst, dass die Spannungen ihre Arbeitssituation beeinträchtigen könnten.

Kaum Ahndung der Taten

Nach den Übergriffen vom August habe es zwar Verhaftungen gegeben, berichtet der Priester weiter. Allerdings seien viele der mutmaßlichen Angreifer bereits wieder auf freiem Fuß, fährt er fort. Seine Beobachtung deckt sich mit Angaben eines Justizbeamten aus Punjab, der bei einer Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof Pakistans angab, nach 304 Verhaftungen seien lediglich 22 Fälle registriert und 18 Anklageschriften gesammelt worden. Angesichts dieser Nachlässigkeiten ist das Vertrauen der christlichen Gemeinschaft in die lokalen Polizeibehörden gering: „Wir sind nicht sehr hoffnungsvoll, dass wir Gerechtigkeit bekommen werden“, bringt Pater Iqbal dies auf den Punkt.

Die Lage der christlichen Minderheit hat sich laut Einschätzung von Kirchenvertretern und Menschenrechtlern in Pakistan im letzten Jahr verschlechtert. Sie verzeichneten falsche Blasphemie-Vorwürfe gegen Christen und physische Übergriffe, Entführungen, Vergewaltigungen und Zwangskonversionen. „Der Stresspegel der christlichen Gemeinschaft ist im Jahr 2023 gestiegen, weil ihre Freiheiten geschrumpft sind und die Instrumente der Unterdrückung schärfer geworden sind“, zitierte Ucanews Naeem Yousaf Gill, den Direktor der Nationalen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden (NCJP), einem Rechtsorgan der pakistanischen Bischöfe.

Solidarität von Muslimen mit Christen

Immerhin scheint es so, dass die Aggression radikaler Muslime gegen Christen in Jaranwala nicht insgesamt gutgeheißen wird. Bewohner der Stadt, darunter auch Muslime, hätten Einzelheiten der Gewalttaten einschließlich Bildern und Videos über die sozialen Medien verbreitet und die Nachricht in Umlauf gebracht, berichtete der Bischof von Hyderabad dem internationalen katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“. Diese Bürger „haben gezeigt, dass die Dinge nicht so laufen dürfen“, zeigte sich Samson Shukardin zuversichtlich darüber, dass in Jaranwala die Solidarität mit den attackierten Christen überwiegen werde.

Erzbischof Sebastian Francis Shaw von Lahore sieht in den christenfeindlichen Ausschreitungen Mitte August einen möglichen Wendepunkt zwischen Christen und Muslimen in Pakistan: „Viele Muslime haben jetzt das Gefühl, dass Vorfälle wie in Jaranwala nicht das Bild des Landes prägen dürfen. Muslimische Gelehrte haben sich zum ersten Mal auf unsere Seite gestellt und unterstützen uns“, erklärte Shaw Ende 2023 im Gespräch mit „Kirche in Not“. Der katholische Kirchenvertreter sah Anzeichen dafür, dass sich solche islamischen Geistlichen bei der Regierung in Pakistan „für Dialog und eine bessere Gesellschaft“ einsetzen.

„Eine Atmosphäre, in der jedem Menschen Respekt gezollt und seine Würde anerkannt wird.“

Auch Pater Iqbal nennt im Gespräch mit Radio Vatikan positive Beispiele der Zusammenarbeit von Christen und Muslimen im Alltag in Jaranwala. Christen wollten sich in Pakistan trotz aller Probleme und Diskriminierungen auch weiterhin um die Förderung von Dialog und Frieden bemühen, ist ihm wichtig zu betonen:

„Wir sind in Pakistan mit so vielen Schwierigkeiten konfrontiert, Diskriminierung der Menschenwürde, einer Krise der Gerechtigkeit, einer Wirtschaftskrise. Doch trotz all dieser Dinge bezeugen und evangelisieren wir Christen mit Frieden und Liebe. Wir sind deshalb nicht verzweifelt oder hoffnungslos, sondern tragen unseren Teil dazu bei, eine Atmosphäre zu schaffen, in der jedem Menschen Respekt gezollt und seine Würde anerkannt wird.“

(vatican news/kirche in not – pr)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

29. Februar 2024, 09:46