Ein Mädchen in Pakistan bei einem Protest anlässlich des Weltfrauentags Ein Mädchen in Pakistan bei einem Protest anlässlich des Weltfrauentags  (ANSA)

Pakistan: Kampf gegen Zwangsehen

Die Situation in Pakistan ist insbesondere für ethnische und religiöse Minderheiten nicht einfach. Das Land, dessen offizielle Staatsreligion der Islam ist, sorgt vor allem hinsichtlich der mangelnden Achtung der Religionsfreiheit und der Menschenrechte regelmäßig für Kritik. Die zahlreichen Opfer der Blasphemie-Gesetze sind dabei nur die Spitze des Eisberges.

Von Moritz Dapper - Vatikanstadt

Madiha Shah ist eine junge Sozialwissenschaftlerin aus Pakistan. In ihren Forschungen beschäftigt sie sich mit den arrangierten Ehen, die in Pakistan nach wie vor eine große Rolle spielen und das traurige Schicksal vieler junger Frauen darstellen. So sind auch Zwangsehen und Zwangskonversionen von oft noch minderjährigen Mädchen in Pakistan keine Seltenheit. Während ihres Praktikums bei Missio Aachen setzte sich Madiha Shah auch in Deutschland für die jungen Frauen in Pakistan ein.

„Arrangierte Ehen kommen in Pakistan sehr oft vor. Arrangierte Ehen stellen sogar den Großteil dar. Und dann gibt es zweitens noch die Ehen zwischen Cousins und Cousinen“, berichtet die Muslima, die in Pakistan an der Grenze zu Afghanistan lebt.

Unterscheidung von arrangierter Ehe und Zwangsehe

„Die Zwangsehe ist ein bisschen anders als die arrangierte Ehe. Bei einer Zwangsehe findet die Heirat gegen den Willen des Mädchens und ihrer Familie statt. Das bedeutet, dass die Eltern der Ehe nicht zustimmen.“

„Bei einer Zwangsehe ist die Heirat gegen den Willen des Mädchens und ihrer Familie.“

„Das passiert meistens bei Minderheiten wie den Christen, Hindus, Ahmadis oder Kalashis. Sie nehmen deren Töchter einfach ohne die Zustimmung der Eltern, ohne die Zustimmung der Mädchen, zwangskonvertieren sie zum Islam und heiraten sie dann.“

Die pakistanische Regierung habe zwar Gesetze gegen die Zwangsehe, diese würden allerdings nicht umgesetzt, berichtet Madiha Shah:

„Nicht einmal in den Städten ist es etabliert, dass gesetzlich dagegen vorgegangen wird, wenn jemand zur Heirat gezwungen wird.“

Kommt es mal zu Gerichtsverhandlungen, befinden sich die Mädchen oft noch in der Gewalt der Entführer und sagen unter Druck aus, dass sie freiwillig konvertiert seien.

Selbst können sie kaum einen Ausweg finden

Für die Mädchen in Pakistan sei es sehr schwer, sich selbst Hilfe zu verschaffen. Es gebe zwar seit 2018 eine feministische Gruppe, die sich der Thematik annimmt, allerdings seien laut den Studien dieser Gruppe nach wie vor viele Mädchen von Zwangsehen betroffen. Die Mädchen selbst seien nicht in der Lage zu handeln, erzählt Madiha Shah im Interview mit Radio Vatikan.

 „Das Problem ist, dass ein Mädchen, das nicht finanziell abgesichert ist, von der Familie abhängt. Und es ist sehr schwer für sie, dann solche Schritte zu gehen.“

Für eine Verbesserung der Situation sei vor allem Bildung der Schlüssel. Aktuell ist Diskriminierung gegenüber Minderheiten im Bildungssystem von Pakistan allerdings noch Alltag: So werden Kinder und Studenten, die Minderheiten angehören, an Schulen beziehungsweise Universitäten schlechter behandelt, und der Zugang zu Bildung ist für Angehörige von religiösen Minderheiten in Pakistan sowieso erschwert.

Die Missio Aachen greift das Thema auf

Das Problem in Pakistan hat auch das Interesse des Päpstlichen Missionswerkes missio mit Sitz in Aachen geweckt:

„Wir bei missio orientieren uns immer sehr stark an dem, was unsere Partnerinnen und Partner im Land berichten. Also Dinge, von denen sie erzählen, dass sie eben im Augenblick besonders relevant sind. Und diese Verbrechen der Zwangskonversion und Zwangsehen sind in den letzten Jahren sehr stark an die Öffentlichkeit geraten“, berichtete Katja Voges, Leiterin des Teams Menschenrechte & Religionsfreiheit bei missio.

Bei den Partnerinnen und Partnern handele es sich um verschiedene kirchliche Organisationen. Unter anderem unterstütze Missio ein Projekt der lokalen Caritas.

„Dann gibt es verschiedene Menschenrechtsorganisationen im Land,  die sich auch genau mit diesem Thema beschäftigen, die also zum Beispiel auch versuchen, den Familien juristische Hilfe anzubieten, die eben betroffen sind von diesen Entführungen und dem, was dann mit den Mädchen passiert, die auch viel im Bereich Blasphemie-Anschuldigungen juristisch helfen, die aber auch Bewusstseinsarbeit im Land leisten“.

„Stoppt Zwangsehe!"

Dementsprechend hat das Missionswerk nun eine Petition zum Schutz der jungen Frauen vor Zwangsehen gestartet. Diese Petition richtet sich direkt an den Bundesabgeordneten für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit Frank Schwabe.

„Und Frank Schwabe ist als Bundesbeauftragter für die Religionsfreiheit weltweit in der deutschen Bundesregierung unser passender Ansprechpartner. Er führt selbst Reisen durch, er kann Themen setzen, auch in die Bundesregierung hineintragen. Und wir fordern ihn mit dieser Petition auf, das auch zu tun“, stellt Voges klar.

Laut ihren Partnerinnen und Partnern vor Ort sei der wichtigste Schritt, auf politischer Ebene vorzugehen. Es müsse ein Gesetz für den Schutz religiöser Minderheiten geben.

Dazu berichtet Voges weiter: „Und es gab in Pakistan dann schon einen Entwurf und viele Versuche, ein solches Gesetz durchzusetzen. Das wurde aber, wenn es auf der Tagesordnung war, schon im vorparlamentarischen Prozess abgewiesen. Und unsere Partner sagen, dass es auch international Sinn macht, über diese Themen aufzuklären und auch andere politische Akteure zu gewinnen, die ein solches Gesetz fordern.“

Mit diesem Anspruch wird die Petition noch diesen Sommer an den Bundesabgeordneten übergeben.

(rv – md)

 

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27. Juli 2023, 13:03