Auch die Kathedrale in der Provinz von Aleppo, die Symeon dem Stylithen geweiht ist, wurde bei dem Beben schwer beschädigt Auch die Kathedrale in der Provinz von Aleppo, die Symeon dem Stylithen geweiht ist, wurde bei dem Beben schwer beschädigt  (AFP or licensors)

Syrisches Hilfswerk: Menschen in Aleppo vom Westen tief enttäuscht

Enttäuscht und verraten vom Westen: So beschreibt Nabil Antaki vom syrischen Hilfswerk „Blaue Maristen“ die Stimmungslage in der Bevölkerung Aleppos, aber auch unter den lokalen Helfern. Während hunderte von westlichen Flugzeugen Hilfe in die Türkei gebracht hätten, sei nur ein einziges auf dem Flughafen von Aleppo gelandet. „Was für eine Schande!“, so Antaki wörtlich in einem Schreiben an das Linzer Hilfswerk Initiative Christlicher Orient (ICO).

„Denken die Führer der ,Staaten der Menschenrechte und Demokratie‘, dass das syrische Volk weniger leidet, weil es in einem Land unter Sanktionen lebt? Warum hilft man den Menschen nicht, die von einer Naturkatastrophe heimgesucht wurden?“, schreibt Antaki. Hilfe am Flughafen von Aleppo sei aus Marokko, Tunesien, Algerien, Jordanien, Ägypten, Venezuela und Bangladesch gekommen, bevor - nach Angaben syrischer Staatsmedien - Israel den Flughafen bombardierte und weitere Hilfsflüge unmöglich machte.

Der Westen behaupte seit Jahren, dass humanitäre Hilfe und medizinisches Gerät von den Sanktionen ohnehin ausgenommen seien, doch das sei nicht wahr, so Antaki. „Und zweitens: Wenn es die Sanktionen sowie nicht gibt, weshalb wurden die Sanktionen dann zuletzt für 180 Tage für humanitäre Hilfe gelockert?“

Die Sanktionen gegen Syrien seien „ineffizient und ungerecht“. Sie gehörten dringend aufgehoben. Sie hätten die einfache Bevölkerung in tiefstes Elend gestürzt und den Wiederaufbau der Stadt nach dem Krieg nicht möglich gemacht. Viele Menschen seien auch nur deshalb gestorben, weil schweres Berge-Gerät fehlte.

Aber: So wie seine Kritik die Politik betrifft, so gelte sein Dank zugleich den vielen westlichen Hilfswerken, die vom ersten Moment mithilfe vieler Spenderinnen und Spender die Menschen in Not im Erdbebengebiet unterstützt hätten, hielt Antaki zugleich fest.

„Die Menschen hatten keine Wahl“

Wie Antaki schreibt, sind in Aleppo, Syriens zweitgrößter Stadt, durch das Erdbeben mehr als 450 Personen ums Leben gekommen, mehr als 1.000 wurden verletzt, 60 Gebäude stürzten ein und hunderte wurden so schwer beschädigt, dass sie abgerissen werden müssen. Viele tausend weitere Gebäude seien so sehr in Mitleidenschaft gezogen, dass sie ohne Reparatur unbewohnbar seien. Hunderttausende Menschen stünden ohne Unterkunft da. Viele hätten wissentlich in Gebäuden gelebt, die schon durch den Krieg schwere Schäden davongetragen hatten und nun dem Beben nicht standhielten. „Doch wo hätten die Menschen leben sollen? Sie hatten keine andere Wahl“, so Antaki.

Die Blauen Maristen hätten bereits eine halbe Stunde nach dem Beben ihre Einrichtung für die verzweifelten Menschen auf der Straße geöffnet. Antaki: „In wenigen Stunden strömten mehr als tausend Menschen zu uns, betäubt von der Kälte, durchnässt vom Regen, zitternd vor Angst, schreiend und weinend.“ Die Menschen hätten die folgenden Nächte bei den Maristen verbracht und seien versorgt worden. Aber auch jetzt noch seien viele schwerst traumatisiert, Erwachsene und Kinder: „Sie stehen noch immer unter Schock, sind ängstlich, verzweifelt, habe Albträume und denken, das Schlimmste wird noch kommen.“

Unterkünfte für die Obdachlosen

Die Maristen haben inzwischen wie auch viele weitere Hilfswerke und kirchliche Einrichtungen vor Ort begonnen, die Häuser der Menschen von Ingenieurteams begutachten zu lassen. Wenn diese die Häuser für sicher befinden, werden die Menschen ermutigt, zurückzukehren. Für die anderen versuchen die Maristen, Wohnraum zumindest einmal für ein Jahr anzumieten. In dieser Zeit sollen Wohnungen und Häuser repariert werden.

Die Blauen Maristen versuchen seit vielen Jahren, in Aleppo die schlimmste Not zu lindern. Sie stellen u.a. für tausende Kinder Milch bzw. Babynahrung zur Verfügung. Für die ärmsten Schichten der Bevölkerung übernehmen sie die Kosten für medizinische Behandlungen und eine rudimentäre Stromversorgung. Mit einer Suppenküche versorgt das Hilfswerk zudem täglich 200 alte Menschen in Not. Freiwillige der Organisation haben zudem einen Besuchsdienst für die alten, alleinstehenden Menschen ins Leben gerufen. Weiters haben die Maristen verschiedene Hilfsprogramme laufen, mit denen sie kriegstraumatisierten Kindern zurück in ein normales Leben helfen wollen. Die ICO unterstützt diese Programme seit einigen Jahren.

(Infos und Spenden: www.christlicher-orient.at bzw. www.facebook.com/initiativechristlicherorient)

(kap - cs)

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17. März 2023, 12:48