Aufruf zum Gebet für Opfer sexueller Gewalt in einer Kirche in Frankreich Aufruf zum Gebet für Opfer sexueller Gewalt in einer Kirche in Frankreich 

Frankreich: System zur finanziellen Entschädigung

Innerhalb von fast drei Monaten hat die Kirche in Frankreich ein umfassendes System zur Anerkennung und Entschädigung von Missbrauchsopfern eingerichtet. Dazu gehören ein Stiftungsfonds, in den Bischöfe, Diözesen und Gläubige, die dies wünschen, einzahlen, und eine Instanz zur Begleitung von Opfern namens Inirr.

Das Kürzel Inirr steht für "Unabhängige Nationale Instanz für Anerkennung und Wiedergutmachung". Das Gremium soll Opfer bei ihren Bemühungen um rechtliche, psychologische und soziale Anerkennung unterstützen. Außerdem wurde ein Fonds namens Selam eingerichtet, der Gelder für Anerkennungszahlungen sammeln soll. 

„Es ist nicht möglich, einen solchen Schaden im Leben einer Person wiedergutzumachen, aber es ist möglich, die Anerkennung zu materialisieren und den Willen zu bekunden, das begangene Unrecht so weit wie möglich wiedergutzumachen", erklärte dazu der Vizepräsident der Französischen Bischofskonferenz, Dominique Blanchet, Bischof von Créteil (Val-de-Marne).

„Es ist nicht möglich, einen solchen Schaden im Leben einer Person wiedergutzumachen, aber es ist möglich, die Anerkennung zu materialisieren und den Willen zu bekunden, das begangene Unrecht so weit wie möglich wiedergutzumachen“

Der Fonds der Bischöfe hat übrigens noch weitere Ziele: Er soll auch die Erinnerung an die Verbrechen wachhalten, das Bewusstsein für dieses Drama schärfen - und er soll die Kirche bei der Prävention sexueller Gewalt unterstützen, etwa durch Schulungen.

Außerdem hat sich die Bischofskoferenz das Ziel gesetzt, zunächst eine theoretische Summe von 20 Millionen Euro zu sammeln, die in erster Linie von den aktiven oder emeritierten Bischöfen, von den Diözesen und von den Gläubigen, die dies wünschen, aufgebracht werden soll.

Auch Betroffene spenden

„Dieser Betrag ist ein starker Schritt. Wir haben ihn heute noch nicht, aber er wird in den nächsten Wochen erreicht werden. Die Diözesen, wie sie es können und wollen, bringen ihre erste Spende ein. Auch Opfer machen übrigens einen nicht unerheblichen Teil der Spender aus", so Gilles Vermot-Desroches, der Präsident des Stiftungsfonds. Er leitet einen zwanzigköpfigen Verwaltungsrat und appelliert an die Großzügigkeit der hundert Diözesen in Frankreich. „Wir dürfen nicht scheitern, das sind wir der Geschichte schuldig", sagt er. Er freut sich, dass sich nach der jüngsten Versammmlung der Bischofskonferenz in Lourdes die Dinge beschleunigen.

Insgesamt seien die finanziellen Beiträge und Möglichkeiten der Bistümer sehr unterschiedlich. Es werden daher auch andere Wege der Finanzierung erforscht, wie etwa der Verkauf von Kunstwerken, die Eigentum der Diözese sind und keine direkt religiöse oder liturgische Bedeutung haben.

„Die Idee war bereits vor der Veröffentlichung des unabhängigen Missbrauchsberichts ,Ciase` aufgekommen, da es bereits zuvor den Wunsch gab, einen Fonds für Arme einzurichten. Wir denken nun zum Beispiel darüber nach, eine Kunstsammlung zu verkaufen, die ein Erzbischof von Rouen Anfang des 20. Jahrhunderts hinterlassen hat", erklärte der Finanzbauftragte des Erzbistums Rouen, der ehemalige Armeegeneral Yves Poincignon.

Kreative Lösungen finden

Einige Gläubige fürchteten, dass nun sämtliche Ressourcen der Gemeinde für Anerkennungszahlungen verwendet würden. Daher ziehe man auch Immobiliengeschöfte in Betracht, um zusätzliche Finanzmittel zu gewinnen.  Die Diözese in der Normandie erwähnt beispielsweise den Verkauf eines ehemaligen Diözesanhauses in einer an Rouen angrenzenden Gemeinde. 

Im Pariser Vorort Créteil wird die Beitragstranche zum Selam-Fonds wie auch im Erzbistum Rouen insgesamt auf 200.000 Euro geschätzt. Die Kirche im Val-de-Marne verfügt jedoch über keine nennenswerten Erbgebäude, sondern nur über Anwesen, die nach 1905 erbaut wurden. Der Bischof dieser jungen Diözese, Dominique Blanchet, hat daher im Dezember letzten Jahres den Verkauf des 2013 gekauften Hauses, das seitdem als Wohnung des Bischofs dient, beschlossen. Es geht um ein schönes Haus am Ufer der Marne, das kein Vermächtnis, sondern ein Kauf des Diözesanverbands war, um den Bischof während der Arbeiten für den Ausbau der Kathedrale von Créteil unterzubringen.

Diese Entscheidung wurde von den Gläubigen in Cristol positiv aufgenommen, berichtet Bischof Blanchet, der sich freut, auch die konkreten Auswirkungen dieses Entschlusses zu sehen: Er berichtet von zwei Spenden in Höhe von jeweils 5.000 Euro sowie von einer religiösen Kongregation, die nach dieser symbolischen Entscheidung, die ein starkes Medienecho hervorgerufen hat, Spenden wieder aufgestockt habe. 

„Wenn man sich um die Wahrheit bemüht, ist das eine Form der Bereicherung und der größeren Freiheit“

Die Identifizierung und Verteilung der finanziellen Ressourcen ist übrigens überall in Frankreich sehr strukturiert. Ökonomen, Mitglieder der Diözesanräte für wirtschaftliche Angelegenheiten und Erzbischöfe treffen sich regelmäßig zur Entscheidungsfindung, die auf nationaler Ebene weiterverfolgt wird. 

Bischof Blanchet stellt einen „echten inneren Fortschritt" fest: „Seit der Ciase-Kommission, ihrer Beauftragung und der Annahme ihres Berichts ist die Kirche tief berührt." Es sei der Kirche nun möglich, „wahrhaftig und nahe an der Realität der Opfer zu sein". „Es ist eine Form der Befreiung. Wenn man sich um die Wahrheit bemüht, ist das eine Form der Bereicherung und der größeren Freiheit", so der Vizepräsident der Französischen Bischofskonferenz, Dominique Blanchet.

(vatican news - Delphine Allaire/sst)

 

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25. Januar 2022, 15:40