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Schweiz: „Es gibt keinen Relativismus im Gebet“

Papst Franziskus hatte alle Katholiken aufgerufen, am interreligiösen Fast- und Gebetstag am 14. Mai teilzunehmen. Lanciert hatte den Tag das christlich-muslimische Hohe Komitee für menschliche Geschwisterlichkeit, um der Pandemie entgegenzuwirken. Darüber sprach Radio Vatikan mit dem Ethikprofessor Obiora Ike von Global Ethics in Genf.

In seiner Predigt hatte Papst Franziskus seine möglichen Kritiker selbst angesprochen, indem er sagte, man könne ihm vorwerfen, dieser Gebetstag sei ‚religiöser Relativismus‘. Wir fragten Obiora Ike nach seiner Meinung dazu: „Papst Franziskus hat die Verantwortung für die ganze katholische Gemeinschaft. Er trägt eine sehr hohe Verantwortung für die christliche, katholische Gemeinschaft in aller Welt. In einer Zeit, in der die Menschheit allmählich durch so viele Kriege und Schwierigkeiten besser gelernt hat, dass unsere Einheit als Menschen in dem einen Gott vereint sein sollte, ist es sehr gut, der Stimme von Papst Franziskus noch einmal Gehör zu schenken.“

„Es gibt immer Menschen, die meinen, Gott näher zu sein als andere“

Kritisch sieht der Geistliche die überhebliche Haltung einiger Menschen, die sich selbst in ihrem Gebet zeige: „Es gibt immer Menschen, die meinen, Gott näher zu sein als andere. Sie meinen, ein katholisches Gebet wäre Gott näher als ein muslimisches oder ein traditionelles afrikanisches Gebet. Und man vergisst, dass es nur einen Gott gibt für die ganze Menschheit.“ 

Hier zum Nachhören:

Es sei also gut und empfehlenswert, dass Papst Franziskus die ganze Welt zum Gebet aufrufe, denn das Gebet vereine alle und Jesus Christus sei zu unserer Stimme geworden vor Gott. Auch zur direkten Frage nach dem Relativismus wird der gebürtige Afrikaner sehr deutlich: „Es gibt keinen Relativismus im Gebet. Gebet ist die Stimme eines Menschen, der Gott preist, der Gott lobt, Gott verehrt, Gott anfleht und ihn bittet. Gebet ist unsere Verbindung zu dem Mysterium. Und hier hat Papst Franziskus uns den Weg gezeigt.“

Die ganze Menschheit hat einen Feind

Wir fragten Obiora Ike auch, was er generell vom Hohen Komitee für Geschwisterlichkeit erwartet. „Die ganze Menschheit hat zurzeit einen Feind. Es ist ein kleiner Virus, den wir gar nicht sehen können. Die ganze Menschheit, reich, arm, schwarz, weiß, groß, klein, egal wo man lebt, steht vor einer großen Herausforderung. Wenn der Geist Gottes einige Menschen zusammenführt und leitet, dass sie darüber nachdenken, Menschen zum Gebet zu führen und zur Einheit zu bringen, dann ist das eine gute Sache.“
Dem sollten sich alle anschließen.

Auf die Frage nach der Situation auf seinem Heimatkontinent meint Obiora Ike, dass man noch nicht sagen könne, dass das Virus seine Heimat im Griff habe. Die USA, Europa, Italien insbesondere habe es bisher schlimmer getroffen . „Aber es gibt eine große Gefahr. Denn für den ganzen afrikanischen Kontinent ist die Gesundheitsinfrastruktur gar nicht vorhanden. Die Afrikaner sind Menschen des Gebets, sind religiöse Leute, sie leben als Naturmenschen.“ Daher sei es ungewiss, wie die Infektionszahlen sich entwickelten. Derzeit rangiert das afrikanische Land mit etwas über 5.000 Infizierten und mehr als 170 Toten auf Platz 61 der Weltstatistik.

Afrika steuert auf eine Corona-Hungersnot zu

Die Gefahr liege in der Zukunft, so Ike, denn ein Mensch könne so viele weitere infizieren: „Die Leute leben zu 20 Personen in einem Zimmer, soziale Distanz ist nicht möglich. Afrikaner wollen das nicht hören, dass man allein lebt, oder so weit voneinander entfernt sein soll. Das sind die Schwierigkeiten. Oder auch das man nicht zum Gottesdienst gehen kann wegen Covid. Und dann kommt dazu, dass auch die Gesellschaft, der Staat, keine Möglichkeit hat, Essen zu verteilen.“ Viele Menschen lebten nur von dem, was sie an dem Tag verdienten. „Das heißt, ohne Arbeit an dem Tag gibt es kein Essen.“

Afrika steuere auf den Corona-Hunger zu, eine Hungersnot. Das sei eine noch größere Bedrohung als die Pandemie selbst, fürchtet der Geisltiche. Angesichts von Streiks und Demonstrationen habe die nigerianische Kirche die Bevölkerung zu Besonnenheit aufgerufen.

Obiora Ike, der frühere Generalvikar der Diözese Enugu in Südnigeria, ist seit 2016 Exekutivdirektor von Globethics.net in Genf, Schweiz. Die Organisation setzt sich für Ethik in der Hochschulbildung ein und will unter anderem mit einem ganzheitlichen Ansatz Talente entwickeln, das Gemeinwohl vor das Eigeninteresse stellen und für Nachhaltigkeit sorgen.

(radio vatikan - ck)

 

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16. Mai 2020, 10:03